Das Leben läuft nicht immer so, wie man es will (3)

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„Was führt dich zu mir?" Eine Frauenstimme wisperte durch die Dunkelheit.

Firell starrte zu Ave hinab. Sie sah vollkommen normal aus. Sie ging normal und sprach ohne jegliche Einschränkungen. Ein leichter Klos löste sich in ihm. Sie hatte nicht übertrieben, sie war arbeitsfähig. Gut für ihn und seine Jagd, schlecht für Melia.

„Ich erwarte dich in deinem Zelt." Seine Haare schlugen ihm ins Gesicht, als er den Kopf wieder nach vorne richtete und dem Hengst die Sporen in die Seite trieb.

Ave jedoch blickte ihm stirnrunzelnd hinterher.

„Kann mir einer sagen, was das Problem des feinen Herren ist?" Sie starrte zu dem zappelnden Tier vor ihr, griff in die Zügel und hielt es ruhig, da sie Tirmes auf diesem vermutete. Sie wusste, dass er immer dabei war. Es machte für Firell keinen Unterschied, ob er Wut auf ihn hegte oder ihn vom Schloss verwiesen hätte. Firell hatte seine Mannschaft zum Reisen festgelegt und er würde sie niemals ändern.

Doch nur ein kurzer Blick sagte ihr, dass auch dieser vollkommen ahnungslos war. Rätselnd starrten sie den anderen Begleitern hinterher.

„Keiner weiß, worin sein Problem liegt, bis vor ein paar Minuten wussten wir nicht einmal, dass wir zu dir reiten würden." Seine Stimme zitterte leicht, was Ave nicht als Angst, sondern als Kälte auswies. Es hatte früher am Tag stark geregnet. Zwischenzeitig waren sie davon ausgegangen, dass die Welt untergehen würde. Sie mussten mitten in dem Regen durch eine offene Landschaft geritten sein, wenn Ave bedachte, wo sie sich im Wald der Riesen befanden. Es war ein schöner Wald, keine Frage, doch er war genauso unheimlich wie betörend für das Auge. All die dunklen Schatten zwischen den Bäumen, als wollten sie die Sagen über die Riesen war machen.

Ave grinste. Firell war allgemein als sehr hinterhältig bekannt. Zwar auf diesem Wege auch als grausam, doch überwiegend tat er es mur um seine Untertanen zum Gehorsam zu zwingen. Es machte ihm schlussendlich Spaß, ebenso wie ihr. Und doch war es ein geschickter Spielzug seiner Herrschaft.

Mit Sicherheit hatte Tirmes nicht damit gerechnet, dass die Gedankengänge seines Herren derart komplex waren. Zu ihrem Bedauern wusste sie jedoch auch nicht. Es machte ihr schwer zu schaffen, dass sie ihn nicht mehr erkannte. Sie war stets die einzige gewesen, die ihn verstanden hatte, doch sie war schon zu lange weg, um sein Handeln zu durchschauen. Sie stand ihm nahe, doch auch ihr war es nicht gestattet in seine Gedanken Einblick zu haben. Er war so undurchsichtig wie die Natur seine Schönheit machte. In diesem Moment könnte er sich in ihrem Lager zum Kampf bereit machen, um sie zu töten, ebenso könnte er sie um Rat bitten.

Einen kurzen Blick noch auf Tirnes werfend, ließ sie seine Stute loß und drehte sich um. Trübselig lief sie unter dem Hagel des aufgescheuchten Matsches der Hufe hinterher.

Was konnte Firell hier wollen? Im Angesicht dessen, dass er seine persönliche Mörderin aufsuchte, würde es demnach nichts Außergewöhnliches oder Bedeutsames sein, doch ein klein wenig Abenteuer spross noch in ihr. Aber es ließen sich keine Möglichkeiten seines Erscheinens in ihrem Kopf spinnen, so scharf sie auch darüber nachdachte.

Ein lautes Schauben ertönte vor Ave und blies Wassertropfen in ihr Gesicht. Nur kurz zuckte sie zusammen, bevor sie erkannte, wo sie sich bereits befand. Ihr Zelt prangte vor ihr auf, so riesig und unbezwinglich, wie sie noch kein anderes gesehen hatte. Sie blickte auf das Fell vor ihrem Zelt. Es war gerade erst erneuert worden. Es stammte von dem Rehbock, den sie vor den Augen Sakras erlegt hatte. Es war ein schönes Fell. Jedoch hatte es sie dringlicher gefreut, dass es Massen an Blut mit sich getragen hatte. Ihre Augen hefteten sich auf das Muster der Tierhaut.

Firell würde sie doch nicht etwa ihrem Fall entziehen? Es würde eine bittere Niederlage für ihren Ruf sein, vor allem, wenn er sie des Schlosses verweisen werden würde. Die Möglichkeit bestand dann stets, dass niemand je wieder mit einem Auftrag an ihre Seite trat. Oder würde er sie einsperren, weil das flinke Mädchen ihren Händen entkommen war? Ihr war immer klar gewesen, dass er erzürnt über ihren Fehler sein würde, über den Brief, den sie ihm notgedrungen schreiben musste. Aber war seine Wut noch immer von so großem Ausmaß, dass er ihr etwas antat?

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