Das Leben läuft nicht immer so, wie man es will (2)

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„Bereite alles vor, wir machen eine Reise."

Die Bediensteten erschauerten vor der Kälte seiner Stimme und fingen wuselnd mit den Vorbereitungen an. Tirmes jedoch stand wie eingefroren auf seinem Platz und starrte durchs Fenster in die helle Mittagssonne. Dort hatte er noch nicht gewusst, dass dies das letzte Lächeln war, dass er für lange Zeit von Firell sehen würde. Wie in dritter Person hatten sich seine Augen auf den König gesetzt und traurig beobachtet, wie er das Zimmer verließ und den ganzen Tag in den Tiefen der Burg verschwunden blieb.

Erst jetzt viel Tirmes auf, wie wenig er sich um den Aufenthalt Firells gekümmert hatte, zu sehr war er in der Küche beschäftigt gewesen. Mit Eifer hatte er die Köchin aufgescheucht Mahlzeiten zu beschaffen, die Diener gehetzt die Kleidung zu packen und sich selbst zu strengster Ordnung gezwungen, um schnellstmöglich fertig zu werden. Seinen Herren hatte er erst am Abend erneut zu Gesicht bekommen, als dieser sich vollkommen verdreckt im Abendsaal niederließ, um seine abendliche Speise einzunehmen. In seinen blonden Haaren hatten sich Staub und Spinnenweben eingenistet, sein Hemd hatte vor Schweiß und trockener staubender Erde gestarrt. Er sah aus, als wäre er ein Landarbeiter, der die feine Kleidung eines edlen Herren gestohlen hatte.

Seit gestern waren dem hoheitlichen Elben die Worte versiegt. Sonst so fröhlich und unbeschwingt gegenüber seinem Berater, hatte er seither nicht mehr mit ihm gesprochen, noch ihn eines Blickes gewürdigt. Selbst auf die Frage, wo er gewesen war, hatte kein Wort seinen trockenen Mund verlassen. Sein Blick war nur stur auf die Suppe vor ihm gerichtet und einen Löffel nach dem anderen schob er ohne jegliches Geräusch in seinen Mund und schluckte die Heiße Brühe hinab.

Auch hatte er Rat gesucht bei seinen verbliebenen Dienern, doch keiner hatte ihn im Schloss gesehen, ebenso hatten die starren Wachen keinen durchs eiserne Schlosstor gelassen.

Tirmes hob seinen Kopf aus seinen Erinnerungen und blickte wieder zu seinem Herren. Was wohl in seinem Kopf vorgehen musste? Welche tiefen Grausamkeiten sein Gewissen spann? Firell würde als Tyrann untergehen, wenn er so blieb, das wusste Tirmes.

Einen Blick richtete er noch auf seinen verschwommenen Herren, bevor die anderen Hengste an ihm vorbei rauschten und er seine dreckbespritzte Stute erneut antrieb.

Der Hengst Firells hingegen schnaufte schwer durch den wässrigen Matsch. Sein Herr saß ihm tief im Rücken und das kraftvolle Schnauben der Pferde hinter ihm jagte Panik in seine Schritte. Gar spürte er die tiefen Gedanken seines Reiters auf sich lasten, ihn erdrückend, verbrennend. Firell hingegen waren seine Denkweisen nicht zuwider. Er liebte es die elbische Grausamkeit gepflegt vor seiner Umgebung zu verstecken, die sich tief in seiner Seele abspielte. Nur in wenigen Situationen ließ er sie gezielt heraus und wurde immer wieder aufs Neue davon fasziniert, wie die nichts ahnenden Elben reagierten, wenn er ihnen einen minimalen Einblick in das Leben einer machtvollen Hoheit bot. Er liebte es sich seinen Grausamkeiten hinzugeben und auch denen anderer zu lauschen, sie zu verführen es ihm gleich zu tun.

Ganz im Gegenteil zum gestrigen Tag, wo er sich seinem durstig rasenden Verstand, seinen Gedanken hingab und die Grausamkeit abstellte. Es waren kräftezerrende vierundzwanzig Stunden gewesen, in denen er sich reinigte, sich von dem Hass klärte, um klar zu denken. Bereits früh am Morgen wurde ihm die Nachricht ans Bett gebracht, dass Melia Ave entwischt war. Wobei sein Problem jedoch nicht darin lag, dass Melia einen Weg gefunden hatte sich ihrem Schicksal zu entwenden. Eher störte ihn das Wissen, dass seine beste Mörderin verletzt und zu Teilen Arbeitsunfähig war, auch wenn sie dieses nicht zugeben mochte.

Er selbst hatte den Käfig nach höchstem Standart angefordert. Selbst er hatte nicht gewusst, wie man sich ohne seine Kräfte aus den Eisenstangen befreien konnte. Er hatte sich bereits auf Überraschungen eingestellt, weswegen er Ave engagiert hatte, doch dass Melia diese auch herein legte, wie sie esmit ihrem Bolk getan hatte, hätte er sich nicht ersinnen können. Es war ihm schlagartig bewusst geworden, dass er nicht einmal wusste, was sie war. Ihre Kräfte, ihr Talent und ihr Sein waren ihm nicht bekannt, weder noch, wozu sie fähig war. Sie barg ein Rätsel in sich, dass bisher noch keiner hatte lösen können.

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