Zeit bringt verhängnisvolle Taten (3)

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Melia war jedoch einer anderen Meinung. Nach und nach zog sie sich ihren Anzug vom Leib und entblößte ihren geschundenen Körper. Der kalte Regen prasselte auf ihre unbedeckte Haut und trug Tropfen für Tropfen den angesammelten Dreck weg. Bäche von schwarzem Wasser ergossen sich auf den Käfigboden. Mühselig wusch sie ihr Haar aus, bis es wieder seine Naturhaarfarbe zurückerlangt hatte. Mit Entsetzen stellte sie fest, dass ihr die Haare Schulerlang abgeschnitten worden waren.

Das feine plätschern von Wasser dröhnte in Aves Ohren. Sie drehte sich langsam um und betrachtete das Schauspiel, das Melia zum Besten gab. Mit einem leichten Schmunzeln beobachtete sie, wie jegliche Männer ihres Lagers sich vor ihre Zelte begeben hatten und dem Mädchen zuschauten. Es amüsierte sie, wie Melia trotz ihrer geringen Kraft und ihrem hungrigen Körper immer noch so anmutig vor den Männern stehen konnte und sie nach ihrer Nase tanzten. Mit Sicherheit versuchte sie sich Verbündete zu schaffen, um aus diesem Käfig zu entkommen.

Ave lehnte sich gegen den Wagen, der neben ihr stand. Dieses Mädchen war eigenartig. Sie hatte nichts mehr. Sie wurde von ihrem Vater verstoßen, von ihrer Nation gleichfalls und doch strahlte sie mehr Würde aus als manch ein anderer Elb, der sich dem hohen Rang angehörig fühlte. Sie wäre eine Kandidatin als Lehrling bei ihr gewesen, wenn sie nicht ihre Gefangene wäre. Die Prinzessin hatte ausgezeichnete Bewegungen - präzise, hart und stolz - auch wenn Ave sie nur ein paar Schritte hatte gehen und Handeln sehen, ihr Blick war auf die kleinsten Regungen geschult, in denen man eine wahrhafte Kämpferin erkannte und Melia war so eine. Nur allzu sehr bedauerte sie es, dass sie in die Hände von Firell gelangen musste. Ihr gesamtes Vermögen wäre dahin, wenn sie sich stundenlang an seinem Hofe mit ausdruckslosen Tätigkeiten beschäftigen musste. Auch Firell hatte die Veranlagung ein großer Fechter zu werden, doch sein Amt und der Hof hatten ihn abgestumpft. Ave hatte ihn einmal kämpfen sehen, da war ihr klar geworden, dass seine Sinne zu stumpf waren. Für ihn war das Schwert kein Hilfsmittel, um ein Kunstwerk zu erschaffen, es war ein Ausweichmanöver, falls seine angeborenen Kräfte verebben würden.

Ave strich sich durch die nassen Haare, beobachtete das feuchte Nass auf ihren Fingern. Wie gerne hätte sie Melias Stelle eingenommen, hätte an Firells Seite gestanden, ihre Kinder im Kämpfen gelehrt, seinen Gästen von ihren Abenteuern erzählt, von dem wahren Leben, was außerhalb ihres behüteten Hofes passierte, doch sie wusste, ein König und eine Mörderin gehörten nicht zusammen, auch wenn er so fühlte wie sie. Eine Liebe war ihnen nicht möglich, ein Leben miteinander war ihnen untersagt, ein Wortwechsel in Begleitung von anderen war verboten. Das Einzige was ihr blieb, waren flüchtige Blicke, wenn er erhobenen Hauptes an ihr vorbeiritt und sie ihres Beugen musste.

Avellyn fuhr mit ihren Fingern durch ihr Gesicht und entfernte die Tropfen, die über ihre warme Haut rannen. Ihre Augen richteten sich wieder auf Melia, die sorgfältig ihre Wunden säuberte, um nicht an einem Wundbrand zu sterben. Mit Absicht streifte die Prinzessin immer wieder ihre Brust und Genitalzone, in der Hoffnung, dass sich vielleicht unter diesen Männern doch einer finden würde, den sie zur Flucht benutzen konnte. Betrachtete Melia die vom Regen verschwommenen Gestalten näher, hätte sie diese, in Anbetracht einer Wäsche, sogar als attraktiv ansehen können. Vorsichtig blickten ihre hellen Augen durch die verregnete Dunkelheit um sie herum. Erst jetzt erblickte sie die Gequits, die ihr zwanzig Meter gegenüberstanden und anmutig durch den Matsch glitten, als wäre er nicht existent.

Wie ausgewechselt starrte sie auf die eleganten Tiere. Sie würde die Equits lieber mögen, das wusste sie, aber dennoch waren die Geschöpfe atemberaubend. Ihr verschiedenfarbiges blaues Fell schien trotz des Regens zu glänzen und ihre Mähnen strotzten im Gegensatz zu ihren Haaren kein bisschen vor Wasser. Sie konnte die düsteren Hörner zwischen den Regentropfen herausragen sehen, wie sie die Umgebung mit ihrer bloßen Anwesenheit verschönerten. Ihr fiel es schwer den Blick wieder abzuwenden und sich anzuziehen. Die Kälte nagte an ihrem Körper, doch schon ein winziger Blick auf die Tiere ließ ihr Herz schneller schlagen. Mit spitzen Fingern fuhr sie über die Kleidung die neben ihr lag und zog sie langsam an. Ihr Anzug war zerlöchert, bot kaum Schutz und verdeckte nur einen Teil ihres Körpers. Lose hing der Stoff an ihrem dürren Körper hinab. In den letzten paar Tagen musste sie erheblich an Gewicht abgenommen haben.

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