#58 - h. - w.

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„Es hat keinen Sinn."

Seine Stimme war ganz ruhig. Es war gruselig. Es war so gruselig. Vorhin war er noch durchgedreht, hatte mich angeschrien, hatte auf den Boden gespuckt, hatte mich gepackt und zornig angefunkelt.

Jetzt schien dieses Feuer in ihm erlischt zu sein. Es war weg.

Als hätte er den Kampf aufgegeben.

„Wieso?? Wieso hat es keinen Sinn?", fragte ich weinend.

Mit aller Mühe konnte ich mich noch auf den Beinen halten.

„Das habe ich dir gerade gesagt. Und außerdem... wir drehen uns immer im Kreis. Ist dir das noch nicht aufgefallen? Es ist immer das Gleiche. Ich baue irgendeine Scheiße, du kriegst Wind davon, du bist sauer, ich entschuldige mich und erkläre es und dann ist es wieder gut. Das läuft immer so. Ich kann das nicht so weitermachen, Sam. Ich kann nicht. Ich tue dir immer weh und ich kann dabei nicht zuschauen."

„Du kannst dabei nicht zuschauen?", schnaubte ich und lachte einmal hart auf. „Du schleuderst mir hier krasse Sachen an den Kopf mit der Absicht, mich zu verletzen, und jetzt besitzt du die Dreistigkeit und sagst mir, dass du mich nicht leiden sehen kannst?! Hier, schau mich an!"

Ich hob beide Arme und streckte sie seitlich von mir.

Sein Blick ruhte eh schon die ganze Zeit auf mir.

„Schau mich an! Ich leide! Ich leide seit Wochen! Es stimmt, du hast mir schon so oft wehgetan, und ich dachte, ich könnte dir niemals wieder verzeihen, weil es so weh tut – aber ich habe es jedes Mal getan! Ich hätte es nicht machen sollen, weil ich wirklich einiges durchmachen musste, aber mir war es das wert. Hörst du? Mir war es das wert. Denn ich liebe dich. Ich liebe dich über alles. Und mir ist es egal, wenn Missverständnisse aufkommen und wir die dann klären müssen. Dieser Schmerz ist es wert. Er ist es wert, dass du weiterhin der wichtigste Teil in meinem Leben bleibst. Dass du weiterhin mein Freund bleibst. Mir ist das egal."

Ich war außer Puste, weil ich nicht atmen konnte. Der Kloß in meinem Hals schwoll von Minute zu Minute an und drückte mir auf die Luftröhre und die Stimmbänder.

„Das sagst du jetzt."

Plötzlich stand er direkt vor mir. Er legte beide Hände an meine Wangen. Seine Berührung schockte mich. Sie ließ Stromschläge durch meinen Körper zischen und ich konnte förmlich spüren, wie mein Herz sich nach der Berührung sehnte. Sie war nur ganz leicht, ganz zaghaft, aber er berührte mich. Seine Haut lag auf meiner.

Ich konzentrierte mich nur darauf. Darauf, wie meine Haut kribbelte, wie mein Herz sich überschlug, wie meine Seele anfing zu tanzen.

Das war alles, was zählte. Diese Liebe beflügelte mich.

„Das sagst du jetzt", hauchte er und ich spürte seinen Atem, der über meine Lippen strich. „Wenn ich dich das nächste Mal verletze – und das wird passieren, das weißt du so gut wie ich – dann wirst du es bereuen, dich jemals in mich verliebt zu haben."

„Nein."

„Doch, Sam. Doch, das wirst du. Das hast du auch schon, da bin ich mir ganz sicher."

„Woher willst du das wissen?", fragte ich leise. „Du kannst in meinen Kopf nicht reinschauen."

Seine Lippen waren nur ein paar Zentimeter von meinen entfernt.

„Ich weiß es einfach. Bei den Sachen, die schon passiert sind, war es sicher so. Weißt du noch, als bei uns Funkstille war und ich dachte, ich könnte ohne dich leben? Da hast du es sicher bereut. Da hast du den Moment verflucht, als wir uns das erste Mal getroffen haben und ich dich übern Haufen gerannt habe."

HeartdanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt