Frieden?

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Ich liege die halbe Nacht wach. Nicht, weil meine Gedanken mich wachhalten, sondern weil sie stumm sind. Die Stille drückt an meine Lautsprecher und meine CPU arbeitet nicht. Ich wälze mich hin und her, aber nichts hilft. Das Beispiel mit der Stecknadel wäre übertrieben, ich höre die Stille...
Irgendwann schiebt sich das Dröhnen der Stille in den Hintergrund und ich schalte endlich in den Stand-by.
Doch in der Sekunde, in der alles komplett schwarz wird, geht das Licht in meiner Zelle mit einem „Klick" an.
Müde blinzel ich mehrmals schnell. Jemand hämmert gegen die Tür und ich zucke erschrocken zusammen.
„Aufstehen Püppchen, es ist Frühstückszeit!", schreit einer von draußen.
Woher wissen die, dass ich eine Frau...ein weibliches System bin?
Irgendwie schaffe ich es, mich hinzusetzen und aufzurichten. Meine Monitore geben mir noch ein verschwommenes Bild, das sich nur langsam fokussiert. Ich schüttel kurz den Kopf und reibe meine Monitore, dann funktioniert es endlich.
„Komm endlich!"
Die Tür wird aufgerissen und ein breiter Typ in Uniform steht im Rahmen. Ein Wunder, dass der überhaupt so da durch passt. Er sieht mich wütend an und seine Uniform ist zum zerbersten gespannt auf seinen Muskeln.
„Sorry, ich konnte nicht ordentlich sehen.", sage ich und stehe auf.
Schneller als ich dachte, macht der Kerl ein paar Schritte zu mir und greift sich meine Haare. Er zieht meinen Kopf in den Nacken und näher an ihn ran. Ich schreie auf und versuche seine Hand loszuwerden.
„Deine Ausreden sind mir egal Püppchen. Du hast Frühstückszeit und da wirst du gefälligst pünktlich sein!", zischte der Typ und sieht mir tief in die Augen.
Mein System setzt kurz komplett aus vor Angst. Ich bewege mich nicht mehr. Der Kerl schnauft und sein Oberteil droht wirklich, an den Nähten aufzureißen. Er stellt sich wieder aufrecht hin und geht zurück zur Tür. Allerdings lässt er meine Haare dabei nicht los und zerrt mich hinter sich her.
„AUU! HEY, ICH KANN ALLEINE...SCHEIẞE AUUUU! LASS MICH LOS ARSCHLOCH!"
Ich stolpere rückwärts hinter ihm her. Er stoppt nicht, sieht nicht zurück und läuft einfach weiter. Wir kommen an Wächtern und Gefangenen vorbei, die mich mal wieder alle anstarren, als sei ich eine nicht erdiche Lebensform.
Alien.
Warte, was? Egal. Ich gebe noch nicht auf und zerre weiter an seiner Hand rum. Ich kratze, kneife, schlage ihn, aber er lässt sich nicht beeindrucken davon. Nach einigen Fluren kommen wir in einen großen Raum und ich werde endlich losgelassen.
„Au, wird aber auch Zeit du Grobian! Ich wäre auch freiwillig mitgegangen!", sage ich, nachdem ich mein Gleichgewicht wiederfinde.
Er sieht mich nicht an und geht wieder.
„Hey!", ich werfe wütend die Arme in die Luft, doch er ist schon weg.
Augenverdrehend drehe ich mich um und starre in bestimmt hundert Augenpaare. Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„WAS!?", sage ich laut und die anderen Insassen gehen wieder ihrem Frühstück nach.
Ich entdecke eine Auslage mit Aufstrichen und Brot. Dahinter stehe eine korpulentere Frau mit Schürze und Haarnetz, die böse dreinschaut. Ich stelle mich an und bekomme einen Teller mit einem aufgeschnittenen Brötchen, ein bisschen Butter und zwei Scheiben Käse.
„Bekomme ich auch ein Messer?", frage ich freundlich und lächle die Frau an.
„Nein!", donnert sie.
„Aber wie soll ich dann mein Frühstück machen?", frage ich erneut freundlich.
„Denk dir was aus. NÄCHSTER!", brüllt sie und ich zucke kurz zusammen.
Ich gehe leicht verstört an einen freien Tisch und setze mich. Ich seufze und fange an, mit meinem Finger die Butter auf dem Brötchen zu verteilen.
„Nimm eine Serviette."
Zum dritten Mal an diesem Morgen zucke ich zusammen und drehe leicht angepisst den Kopf, nur um in seine blauen Augen zu sehen. Er sieht grauenvoll aus. Seine Haare liegen flach auf seinem Kopf und seinem Gesicht und unter seinen Augen sind schwarze Ringe zu erkennen.
„Mit der Serviette kannst du die Butter leichter verteilen und machst deine Finger nicht schmutzig. Hier...", Edward setzt sich einfach mir gegenüber und zeigt es mir.
Er nimmt eine Serviette, die auf einem Stapel auf dem Tisch liegen, und verstreicht die Butter auf seinen Hälften. Lächelnd sieht er mich an.
„Die sind fast komplett aus normalem Papier und Plastik, deswegen bleibt auch nichts am Brot hängen."
Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Ohne mich gibt es keinen Krieg, aber mit mir auch nicht.", sagt er weiter.
„Wie bitte?"
„Es ist ein Rätsel.", lacht er leise und sieht kurz auf sein Brötchen.
Ich denke über seinen Rätsel nach.
Frieden.
Schon wieder das? Ich schaue mich verwirrt um.
„Ist es Frieden?", frage ich Edward skeptisch.
Sein Gesicht leuchtet auf und er nickt begeistert.
„Können wir diesen schließen? Ich wollte dich nie verraten, aber Jokers...Behandlung an dir hat mir keine Wahl gelassen.", traurig sieht er auf den Tisch.
Mein Motherboard schmerzt bei diesem Anblick. Ich strecke meine Hand aus und hebe seinen Kopf langsam hoch. Mit nassen Augen sieht er mich an. Ich streiche sanft seine Wange und bringe ein Lächeln hervor.
„Okay. Schließen wir Frieden. Allerdings gibt es einiges, dass du mir erklären musst."
Er lächelt zurück und schnieft. Er wischt seine Tränen weg und setzt sich aufrecht hin.
„Eine Frage für eine Frage?", er grinst verschwörerisch.
„Na gut.", ich mache mein Brot fertig und fange endlich an zu essen, „Ich zuerst. Bist du wirklich der Riddler? Und wenn ja, wie kam es dazu?"
„Nur eine Frage. Ja, ich bin der, den sie Riddler nennen. Ein rätselhafter Dieb, der alle verwirrt mit seinen Riddles.", er zwinkert und mein Prozessor seufzt, „Wie bist du zu..."
„Synth?"
„Genau. Wie wurdest du Synth?"
„Lange Story kurz: Joker hat mich psychisch kaputt gemacht. Oder besser versucht Cynthia zu brechen. Ich bin an ihre Stelle getreten und habe das System übernommen. Ich bin stärker, als sie.", ich verdrehe die Augen, „Die hübsche grüne Kette war gestohlen, richtig?"
„Ja, ich habe sie extra für dich gestohlen...naja, für Cynthia. Aber ich dachte nicht, dass du sie wirklich tragen würdest.", er lehnt sich zurück und verschränkt die Arme, ohne mich anzusehen, „Wie hat er dir geschadet? Wie hat Joker dich gequält?"
„Warum willst du das wissen?"
„Damit ich weiß, was ich dem Drecksack vorzuwerfen hab, wenn ich ihm eine Knarre an den Kopf halte."
Ich schnappe kurz nach Luft. Edwards Blick ist kalt geworden und sieht nichts genaues an, eher durch seine Beine hindurch.
„Er wird büßen, dass er auch nur in Erwägung gezogen hat, dich da mit reinzuziehen."

Des Rätsels Lösung... (Riddler FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt