Kapitel 44

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Mara:

Ich wurde durch das läuten der Glocke geweckt. Genervt stand ich auf und zog mir schnell einen Pulli über mein Top. Da Xav noch schlief und ich ihn eigentlich noch schlafen lassen wollte, ging ich zügig die Treppe hinunter. Dabei brach ich mir fast alle Knochen, aber ich hatte keine Lust das alle im Haus wach wurden. Ich riss die Tür auf und wollte schon damit anfangen, was dem mir gegenüber einfällt um diese Uhrzeit zu klingeln, doch diejenigen die vor mir standen, raubten mir die Sprache. Drei mal in meinem Leben hatte ich mit ihnen zu tun und drei mal war jemand verstorben. Mein Kopf war wie leer gefegt. Nichts. Ich dachte an nichts, außer daran dass mit Anbruch des heutigen Tages, das Paradies seine Tore geschlossen hatte.
"Wer ist gestorben?"
An den Reaktionen der vor mir stehenden Polizisten, erkannt ich dass ich recht hatte. In meinen Ohren rauschte das Blut. Zwar war der Name keine unbekannte Person und auch war es nicht verwunderlich, jedoch kreisten meine Gedanken nun um eine einzelne Person. Eine Person die daran kaputt gehen würde.
Und mich gleich mit in den Abgrund ziehen würde.

Xav:

Ich saß da und konnte mich nicht bewegen. Eine leise Stimme in meinem inneren, spuckte durch meinen Kopf und wiederholte immer und immer wieder die selben Worten. Durch meinen Körper zogen die verschiedensten Emotionen, die verschiedene Reaktionen mit sich zogen. Zu einem Trauer. Ich wollte mir die Sehle aus meinem Körper weinen. Doch genau so sehr
war ich wütend. Wütend auf meinen Stiefvater und wollte ihn in sein Grab prügeln. Unglauben und Hilflosigkeit waren ebenfalls teil des Gefühlschaos in mir. Und da ich mich nicht auf ein Gefühl konzentrieren konnte, tat ich einfach nichts. Ändern konnte ich die Situation sowieso nicht und so saß ich nun an der Kücheninsels, eine Wasserglas vor mir stehend. Nachdem die Polizisten gegangen waren, wollten alle im Haus sich in irgendeiner Weise um mich kümmern, aber es hatte die Situation nicht verbessert. Irgendwann hatte Mara dann alle genommen und aus dem Raum geschmissen. Die Tür hatte sie geschlossen und ich war allein. Zwar wusste ich, sobald ich etwas brauchen würde, würden alle ohne mit der Wimper zu zucken, alles machen was ich mir wünschte, aber die Realität konnte niemand verändern.
Geschehn ist geschehn.
Vergangenheit ist Vergangenheit.
Meine Mutter ist tot und bleibt auch tot.

Mara:

Ich lag auf meinem Bett und lass ein Buch. Jedenfalls sah es so aus. Ich dachte über Xav nach und den Tod seiner Mutter. Sie war eine nette Person, aber es war nicht überraschend. Der Tod war für mich schon immer ein bekannter Begleiter und solangsam war ich der Meinung, seine einziges Ziel im Leben war, mir eine angebrachte Reaktion zu leeren, aber dafür war jeder verstorbene Mensch vorhersehbar. Meine Schwester, meine Eltern und auch Xavs Mutter. Das letzte Mal dass ich überrascht war, war beim Tod meiner Oma. Ich verdrängte die Erinnerung an die Menschen die mich im Leben enttäuscht und verlassen haben und konzentrierte mich darauf wie ich Xav helfen konnte. Der Schmerz musste für ihn unbeschreiblich sein, aber dieser Schmerz kam erst später. Im Moment hatte er die Situation noch garnicht verstanden. Irgendwo zwischen Ohr und Gehirn hatten seine Nerven die Information verloren und mussten sie erst wiederfinden. Ich hoffte dass er sich keine Vorwürfe machen würde, da er nichtmehr zu Hause gewohnt hatte und damit seine Mutter nicht schützen konnte.
"Ich habs."
Mir war ein Gedanke gekommen, um Xav hoffentlich zu helfen.

Xav:

Ich saß noch immer. Ich hatte mich nicht bewegt. Inzwischen waren Errinerungen an meine Mutter vor meinem Innerenauge erschienen, die ich schon längst vergessen hatte. Gerade als die nächste Erinnerung anfing, wurde die Tür geöffnet. Ich hob meinem Kopf und schaute in meerblaue Augen.
"Kann ich reinkommen?"
Ich nickte. Mara schloss die Tür hinter sich und setzte sich mir gegenüber.
"Ich würde ja sagen, ich weiss was in dir vorgeht, aber ich weiss es nicht. Meine Mutter hatte für mich nie die Wichtigkeit, die deine für dich hat. Nur weiss ich, dass es mich genervt hatte, das mich jeder gefragt hatte, wie es mir geht. Ich habe nie eine Antwort auf diese Frage gefunden. Denn es war nie nur ein Gefühl und ich denke dir geht es ähnlich. Ich habe mich am Ende für die Erleichterung entschieden, nur du kannst dieses Gefühl nicht besitzen. Dafür war deine Mutter zu gut und auch wenn du für dich selbst entscheiden musst, welches Gefühl dich in nächster Zeit lenkt, möchte ich dir helfen."
Mara stellte eine Box auf den Tisch, lffnete sie aber nicht.
"In der Box ist eine Kleinwaffe. Damit kannst du deinem Stiefvater das Gleiche wie deiner Mutter antuen. Sobald du dich entschieden hast, solltest du wissen wie es dir geht."
Damit stand sie auf und verließ den Raum. Ich blieb alleine mit der Box. Und der Waffe.

Mara:

Ich hatte mich aufs Fensterbrett gesetzt und beobachte die Einfahrt zu unserem Haus. In der Box, die ich Xav gegeben hatte, befand sich wirklich eine Waffe. Nur war sie nicht geladen. Ich hatte erst überlegt ob ich die Kugeln drinnen lassen sollte, denn eigentlich vertraute ich Xavier und glaubte auch nicht das er sie benutzen würde, aber Hass war eine sehr starke Emotion. Die Möglichkeit die ich ihm bot, könnte eventuell etwas auslösen, das selbst ich nicht vermutete. Wie meine Tante immer sagte:
"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser."
Also hatte ich die Kugeln hinaus genommen und spielte nun mit ihnen in meine Hand. Ich hoffte mit all meiner Kraft, dass er dieses Haus im Moment nicht verlassen würde, denn sobald er einen Schritt vor die Haustür setzten würde, wäre er verloren. Ich wollte die Kugeln gerade weglegen, als es an meine Tür klopfte.
"Ja?"
Die Tür wurde geöffnet und Xav kam in den Raum. Die Box in der Hand, die nicht ein einziges Mal geöffnet wurde. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Xav legte die Box auf die Kommode neben der Tür und wollte gehen, doch bevor er die Tür schloss, drehte er noch einmal den Kopf in meine Richtung.
"Hört es irgendwann auf? Der Schmerz?"
Ich schüttelte mit dem Kopf.
"Niemals. Es wird weniger. Irgendwann. Irgendwann kannst du dann wieder atmen."



Frohe Weihnachten:)

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