Excuses and Explanations

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"Ich will so vieles Cas. Ich möchte, dass es Sammy gut geht. Ich möchte Bobby nicht zur Last fallen, endlich mal wieder jagen gehen, den Kopf frei bekommen, nicht immer nur ans Essen denken. Ich möchte dir gerecht werden und..."
"Halt, halt, halt!", stoppte ihn Cas. "So meinte ich das eigentlich nicht aber...es scheint mir, als hättest du Redebedarf." Er zog Dean weiter in sein Zimmer und bugsierte ihn aufs Bett. Er setzte sich neben ihn und sah ihn aufmerksam an. Dean konnte gar nicht so schnell reagieren und musterte Cas fragend, schüttelte dann den Kopf und lächelte.

"Cas, du musst hier nicht den Seelenklempner spielen."
Cas schüttelte leicht den Kopf und bemerkte, dass Dean zitterte. Er fühlte ihm die Stirn und stellte fest, dass Dean ziemlich unterkühlt war. Zudem hatte er dunkle Schatten unter den Augen. Cas legte die Bettdecke über ihn und packte ihn sorgfältig darin ein.
"Krankenschwester brauchst du auch nicht spielen", erwiderte Dean lachend.
"Anscheinend schon Winchester, du sorgst dich ja immer nur um andere und vernachlässigt dabei dich selbst", erwiderte Cas scharf.

Dean starrte ihn mit offenem Mund an. Es hatte ihm die Sprache verschlagen und so grummelte er nur und sank tiefer in die Kissen.
"Du wolltest eben noch frühstücken, also hier ist der Deal: ich hole dir etwas zu essen und dann reden wir, einverstanden?"
"Was ist das für ein Deal, von dem ich nichts habe Cas? Ich weiß schon ,warum Dämonen die besseren Geschäftsleute sind", meinte Dean scherzhaft.
"Was du davon hast, ist meine Gesellschaft, Dean!", erwiderte Cas und verschwand. Dean nutzte die Gelegenheit, um fluchtartig das Bett zu verlassen, oder besser gesagt, er versuchte es. Er konnte sich keinen Millimeter rühren. "Verdammt, Cas!"

"Ja?", fragte der Engel mit einem amüsierten Unterton in der Stimme.
"Was hast du gemacht? Mach das rückgängig, SOFORT!", schnauzte Dean ihn an. Cas stellte das Tablett auf dem Tisch ab und ging mit langsamen, bedächtigen Schritten auf Dean zu.
"Ich wusste, dass du vorhattest zu flüchten, dafür kenne ich dich gut genug. Ich werde gar nichts rückgängig machen, du brauchst Ruhe."

"Brauche ich nicht",erwiderte Dean beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust. Verdutzt, versuchte er erneut aufzustehen, doch wieder bewegten sich seine Muskeln kein Stück. Er bewegte die Finger, ließ seine Handgelenke kreisen und zog die Knie an. "Das ist ja nen ganz toller Zaubertrick", gab er von sich und rollte mit den Augen. Cas' grinste selbstzufrieden, nahm das Tablett vom Tisch und setzte sich neben Dean, das Tablett auf dem Schoß balancierend.
"Da ich nicht genau wusste, wonach dir gerade ist, hab ich von allem etwas mitgenommen."

Dean betrachtete die Auswahl an Essen skeptisch und nahm sich eine Blaubeere von dem Porridge herunter. Er ließ sie zwischen seinen Zähnen zerplatzen und nahm sich noch eine. Der fruchtig, süße Geschmack explodierte förmlich auf seiner Zunge. All diese Sachen dufteten so herrlich, so intensiv, dass ihm übel wurde vor Hunger. Sein Magen begann sich lautstark bemerkbar zu machen, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Cas beobachtete ihn, er wusste ganz genau, was gerade in Dean vorging. Der Kampf seines Körpers, der mit jeder Faser nach Nahrung schrie, gegen seinen Geist, der vehement versuchte, die eindeutigen Signale zu ignorieren, zu verdrängen und so die Kontrolle zu behalten. Deans Blick huschte haltsuchend hin und her, seine Hände begannen leicht zu zittern. Cas' ergriff Deans Hand und das Zittern ebbte für den Bruchteil einer Sekunde ab. Dean sah ihn an und diese unbändige Panik und Verzweiflung, die in seinem Blick lag, ließ Cas beinahe in Tränen ausbrechen.

Er strich ihm behutsam über die Wange und sagte leise, "Es ist alles in Ordnung, Dean. Ich habe weder verlangt, noch erwartet, dass du alles davon sofort in dich hinein schlingst, okay?"
Dean nickte und entspannte sich ein wenig.

"Du hast doch aber vorher auch etwas gegessen, damals, als wir uns kennengelernt haben. Du hast sogar schon des öfteren für dich und Sam gekocht. Zumindest hat es immer den Anschein gemacht, wenn ich dich besucht habe. Was hat sich geändert?", fragte Cas stirnrunzelnd. Dean lachte trocken.
"Ich habe nur dann etwas gegessen, wenn ich mit Sam oder Bobby zusammen war. Um ihnen keine Sorgen zu machen. An den anderen Tagen habe ich mich so mit neuen Fällen zugepackt, dass mir für vernünftige Mahlzeiten schlichtweg die Zeit fehlte. Und wenn der Hunger zu groß wurde, habe ich an der nächsten Burger Bude angehalten, mich mit irgendwelchem Junk Food vollgestopft. Ein paar Kilometer weiter, habe ich am Straßenrand oder irgendwo mitten in der Pampa gehalten und alles wieder zutage befördert, wenn du verstehst", erwiderte Dean in erstaunlich ruhigem Tonfall.
Cas nickte bedächtig, "Okay. Das beantwortet meine Frage allerdings nicht."

"Weißt du...eine lange Zeit gab es nur Sam und mich. Mum war tot und Dad war auf der Suche nach Azazel. Sammy war noch so klein und ich...Ich wollte einfach für ihn da sein. Ich wollte so gut es ging für ihn Sorgen. Ich war seine Mum und sein Dad. Sam kam für mich immer an erster Stelle....", Dean räusperte sich, seine Augen füllten sich mit Tränen, "und ich habe einfach immer zurück gesteckt, Cas. Es war für mich wichtiger, dass Sam etwas vernünftiges auf dem Teller hatte. Was ich aß war nebensächlich." Er lächelte, "Und sieh dir an, was für ein großer, starker Mann aus ihm geworden ist."

"Genau Dean, Sam ist erwachsen und kann sehr gut für sich selbst sorgen. Was hält dich also davon ab, deinen Körper mit Nahrung zu versorgen?"
Dean räusperte sich erneut, er versuchte, den trockenen Kloß in seiner Kehle los zu werden. Tränen rannen über seine Wangen und er biss sich auf die Unterlippe.
"Ich habe es einfach nicht verdient, Cas", erwiderte er mit brüchiger Stimme. "Ich habe einfach zu viele Menschen enttäuscht. Verdammt nochmal!, ich war in der Hölle und verantwortlich dafür, dass die Apokalypse ausgebrochen ist. Wie kann ich da überhaupt irgendwas verdienen?" Er sah Cas durch einen Tränenschleier hindurch an. Wut, Hass und Verzweiflung spiegelten sich auf seinem Gesicht wider.

Cas Gesichtsausdruck hingegen wurde weich. Er nahm Deans Gesicht zwischen seine Hände und sah ihm tief in die Augen. "Dean Winchester, du bist der großartigste Mann, dem ich je begegnet bin. Und ich bin vielen begegnet, dass kannst du mir glauben. Du bist selbstlos, aufopfernd, charmant und einer der besten Jäger, die diese Erde jemals hatte." Nun füllten sich auch Cas Augen mit Tränen. "Hör auf, dich selber so herunter zu machen und die Fehler immer nur bei dir zu suchen. Du bist ein Mensch, Dean. Dir ist es erlaubt, nicht perfekt zu sein und nicht immer die richtigen Entscheidungen zu treffen. In meinen Augen bist du jemand, zu dem man Aufsehen kann, der es verdient hat, wertgeschätzt und geliebt zu werden."
Er strich Dean mit zittrigen Fingern über die Wange und küsste ihn.
"Ich liebe dich, Dean."

InsaneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt