under control

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Sam hatte sich, wie besprochen, beim Pförtner der Klinik angemeldet und war nun unterwegs in Richtung Pflegebüro. Er hoffte inständig, dass sein Plan funktionieren würde und nichts dazwischen kam.
Nervös strich er sich die Haare aus der Stirn und klopfte an die Tür.
Richard öffnete ihm und bat ihn herein. Sam nahm auf dem Sofa Platz und sah Richard fragend an.
„Bist du dir sicher, dass wir das wirklich durchziehen wollen?“, fragte er zögernd.
„Sam, es war deine Idee.. noch können wir die ganze Sache abbrechen“, entgegnete Richard.

„Ich weiß, aber...es ist schon, na ja.. grenzwertig.“
„Hey, wir bringen die Kameras ja nicht in den Badezimmern an, sondern nur in den Schlafräumen
der beiden und an den Wänden gegenüber der Türen. Das geht schon in Ordnung, es dient doch nur
zur Aufklärung Sam. Du wirst doch selber zugeben, dass hier etwas nicht ganz mit rechten Dingen
zugeht, oder?“

„Ja, schon“, entgegnete Sam und verbarg das Gesicht in den Händen, „aber was wollen wir denn eigentlich unternehmen, wenn uns etwas merkwürdiges auffällt? Wir können ja schlecht mitten ins
Zimmer platzen und die beiden zur rede stellen“, merkte er an.

„Das ist richtig, daran hatte ich auch nicht gedacht, sondern, dass wir die Sache erst einmal beobachten und uns selbst ein Bild machen. Mich persönlich interessiert zum Beispiel brennend, wie die beiden, bzw. Jimmy es schafft, sich Zutritt zu verschlossenen Räumen zu verschaffen.
Oder wie Dean es fertig gebracht hat, an zwei Orten gleichzeitig zu sein.“

Sam sah auf, „wie meinst du das, an zwei Orten gleichzeitig?“
Richard, peinlich berührt, wich Sams Blick aus. „Nun ja, ich habe dir nicht die ganze Wahrheit
erzählt, und den beiden Jungs auch nicht.“
Sam lehnte sich nach vorn und sah ihn neugierig an, darauf wartend, dass er weiter sprach.

„Ich habe dir doch erzählt, dass ich um 04:00 Uhr einen Rundgang gemacht habe“,
Sam nickte zustimmend, „ und auf dem Weg in das Untergeschoss, um mit einer Kollegin noch ein paar Akten durchzugehen.. Sam, ich schwöre bei allem was mir lieb und teuer ist.. ich habe Dean in
der Eingangshalle gesehen. Ich habe es als Trugbild abgetan, da seine Gestalt, nun ja, „geisterhaft“ schien, und je mehr ich mich auf ihn konzentriert habe, desto unschärfer wurden seine Umrisse. Er war wie ein blinder Fleck auf der Netzhaut, ich weiß nicht, wie ich es besser beschreiben kann.

Und dadurch, dass niemand wirklich physisch in der Halle stand, habe ich es einfach als eine eigenartige Lichtspiegelung abgetan und mich nicht weiter damit beschäftigt. Erst Jimmys
Erläuterung, er hätte über Dean gewacht, während dieser „fort“ war, hat mich wieder daran erinnert.“ Er sah Sam mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an.

„Das lässt sich sicherlich überprüfen, im Eingangsbereich sind doch Überwachungskameras
angebracht“, warf er ein, und versuchte, seinen sachlichen Ton beizubehalten, denn ganz wohl war ihm bei der Geschichte nicht, die Richard ihm gerade erzählt hatte.
„Ja schon“, warf sein Gegenüber ein, „ dennoch haben wir keinen Zugriff auf das Videomaterial,
das wird von einer externen Sicherheitsfirma überprüft.“
Sam begann daraufhin zu grinsen.

„Wenn es weiter nichts ist, das bekomme ich hin.Ich hacke mich einfach in die Datenbank des Systems“, erwiderte er fast schon beiläufig.
Richard war erneut beeindruckt. „Einfach..., Sam du überrascht mich immer wieder aufs Neue. Gibt
es irgendetwas, dass du nicht kannst?“, fragte er lachend.
„Ja, meine Familie beisammen halten und meinen Bruder vor sich selbst schützen“, antwortete er und seine Miene verdüsterte sich.

Richards lächeln erstarb, er trat an Sam heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Hey, du
machst deine Sache großartig, Sam. Du bedeutest Dean sehr viel, um nicht zu sagen, du bist das
Zentrum seiner ganzen verkorksten Aktivitäten. Er versucht, dich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu beschützen, Sam. In seiner Welt nimmst du einen unersetzbaren Platz ein. Auch wenn er dich wahrscheinlich oft an den Rand der Verzweiflung getrieben hat, er stellt dein Wohl jederzeit über sein eigenes.“

„Ich weiß, das ist es ja“, er ballte die Hände zu Fäusten und atmete geräuschvoll aus, „ich möchte, dass er auch mal an sich denkt, dass er..“, seine Stimme brach, „sein Leben nicht für mein Wohl und das jedes anderen einfach so wegwirft. Er zerstört sich, um andere zu retten, er sucht vergeblich nach Anerkennung von unserem Vater, er würde auch für "Cas" alles aufgeben, wenn es darum ginge,
ihn zu retten und er vergisst, dass auch er es verdient hat, gerettet zu werden. Das es Menschen und“, er lächelte, „Engel gibt, die zu ihm aufsehen, die genauso für ihn da sind und ihn brauchen.“

Seine Stimme quittierte ihm den Dienst. Er sah zu Boden und machte sich Vorwürfe, Richard damit behelligt zu haben. Dieser schien genau zu wissen, was in eben jenem Augenblick in ihm vorging, denn er setzte sich neben ihn aufs Sofa und zog ihn kurzerhand in eine Umarmung.

„Das ist Dean durchaus bewusst, aber er hat Schwierigkeiten damit, es anzunehmen Sam.
Eure Fürsorge füreinander ist wirklich herzerwärmend, Großer.
Da können sich meine sechs Geschwister echt mal ne Scheibe von abschneiden“, erwiderte er bitter.

„Sechs..“, Sam sah ihn aus großen Augen an. „Ähm, okay wow“, er lachte leise, „das ist heutzutage
aber auch eher selten geworden.“
Richard zuckte nur mit den Schultern
„Hmm, Dad war...fleißig“, erwiderte er grinsend.
„Bis er der Meinung war, mit irgend so 'nem Schriftsteller durchzubrennen.“
Er grinste Sam an.
Der brach in schallendes Gelächter aus. „Nun gut, warum denn auch nicht“, meinte er schmunzelnd.
"Danke Richard, fürs zuhören, und jetzt wollen wir doch mal sehen, was die Kameras uns so liefern können."

Es dauerte keine zwanzig Minuten, und Sam hatte Zugriff auf das Bildmaterial der letzten vierundzwanzig Stunden.

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