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Roman P.o.V.

Fast schon Apathisch stehe ich mit meinen Sachen neben meinen Eltern und Viktoria im Büro vom Direktor. Endlich geben Papa und der Direx sich die Hände und Mama umarmt mich flüchtig. "Wir werden dich vermissen!", meint sie dabei und sieht so aus, als würde sie gleich heulen. Haha, wer's glaubt! Ich sage nichts, schaue alle drei nur an. "Gut, da alles ja jetzt geklärt ist, würde ich sie bitten, zu gehen. Wir bevorzugen schnelle Abschiede. Außerdem muss ihr Sohn sich ja noch mit seinem Zimmernachbar bekannt machen", meint der Direx und klatscht in die Hände. Oh nee, ich hab doch einen Zimmergenossen?!
Wenn der sich nicht so dumm verhält, wie die anderen Jungs aus meiner Schule in meinem Alter, hat er ja vielleicht eine Chance. Sonst würde ich ihm das Leben zur Hölle machen, sollte er sich widersetzen.

An meiner alten Schule bin ich als eine Art Schlägertyp bekannt gewesen. Jedenfalls war ich das zur Hälfte. Ich hatte mich fast ausschließlich immer schnell reizen lassen und teilweise auch die größeren Jungs provoziert, aber meistens hatte ich mich doch zurückgehalten. Oder es versucht. Manchmal war es dann doch in einer Prügelei ausgeartet. Wahrscheinlich wollen meine Eltern mich auch deshalb auf diese Schule stecken. Damit ich Anstand lerne. Mein Temperament zügele. Ich weiß es nicht.

Meine Familie geht zur Tür hinaus; der Direx mustert mich. "Du bist wirklich Neuntklässler? Du siehst älter aus", stellt er nachdenklich fest. "Na, ich stecke dich doch zu ihm. Vielleicht wirst du fertig mit deinem Zimmergenossen. Er ist nicht der harmloseste, auch wenn er so ruhig scheint." Wer? Verwirrt starre ich ihn an. "Komm mal mit, nimm deine Sachen auch mit." Der Direx kommt um den Tisch herum und öffnet eine weiße Nebentür, die schon fast mit der Wand zu verschmelzen scheint. Die ist mir wohl deshalb bis gerade nicht aufgefallen.

Stumm und gleichgültig folge ich dem Direx durch die vielen Flure, die schrecklich sauber und ordentlich sind, und ignoriere die schrägen Blicke der Teenies, die uns entgegenkommen. In einem anderem Gebäude, das in beruhigend dunklen Farben gehalten wird, bleibt der Direx dann vor einer dunkelbraunen Tür stehen. Vielleicht Eiche. Oder sonstiges Holz, nur dunkel lackiert. Und zwar so dunkel, dass das Braun fast wie Schwarz aussieht. Ich mag solche Türen. Ich mag generell so Dinge, die dunklere Farben wie dunkelbraun haben.
Der Mann neben mir braucht nicht mal anklopfen, denn schon ist die Tür offen und vor uns lehnt sich ein Junge mit verschränkten Armen an den Türrahmen.

Das erste, was ich feststelle, ist, dass er groß ist. Sehr groß. Vermutlich mindestens 1.90, vielleicht aber auch höher - im Schätzen bin ich noch nie gut gewesen.
Unfreundlich schaut er erst den Direx an, dann wandert sein Blick zu mir und seine Miene wird noch unfreundlicher und verkniffener. "Lars, darf ich dir deinen neuen Zimmergenossen vorstellen? Das ist Roman Fink und er geht ab heute auch hier zur Schule." Erzähl ihm doch gleich noch, wie alt ich bin, in welche Klasse ich gehe und sontiges, was ihn sicher nicht interessiert, grummele ich finster in Gedanken. "Hi", erwidere ich jedoch und halte ihm die Hand hin. Lars jedoch bleibt in der Haltung, schaut jetzt aber wenigstens wieder nur den Direx unfreundlich an. "Ich habe doch gesagt, dass ich keinen Zimmergenossen mehr will. Außerdem hält er es eh nicht lange mit mir aus, wetten? Das hat noch keiner geschafft", meint er stattdessen und ich kann einen Anflug fiesen Grinsens auf seinem Gesicht erkennen.

"Das mag vielleicht so sein, aber darf ich dich daran erinnern, dass ich der Direktor bin und nicht du? Und jetzt lass ihn rein!" Er verdreht nur die Augen, gibt aber den Durchgang der Tür frei. Der Direx nickt zufrieden, klopft mir noch einmal auf die Schulter und geht wieder. "Wehe, du fasst meine Sachen an!", stellt Lars als erstes klar und macht das eine - unbezogene - Bett frei von seinem Kram. "Ich habs kapiert, du magst mich nicht", gebe ich ungerührt zurück und schmeiße meinen Rucksack inklusive Endermankopf auf mein neues Bett. Lars schaut mich kurz verdutzt an, dann grinst er breit. "Richtig. Ich mag keinen, der so komisch ist wie du", meint er dann und macht es sich auf seinem Bett gemütlich. Tippt geschäftig auf seinem Handy herum. "Woher willst du wissen, dass ich komisch bin?" Als Antwort deutet er auf meinen Endermankopf. "Das Ding reicht mir schon. Du kuschelst ernsthaft noch mit Kuscheltieren beim schlafen?" Augenrollend fange ich an, meine Sachen aus den Koffern in meinen Schrank zu packen. Ich glaube, ich bin an den Bad Boy der Schule geraten. "Wenn du denkst, dass du mich klein kriegst, hast du dich geschnitten. Eisbärchen", gebe ich noch hinterher, um ein wenig zu provozieren. Mal gucken, ob er drauf anspringt.

Oh, ja, tut er. Und wie! Schon fast sofort hat er sich vor mir aufgebaut und funkelt mich an, ich grinse hingegen nur. "Wag es ja nicht, dich über mich lustig zu machen! Sonst hat die Katze den Vogel schneller gefressen, als du denkst!", faucht er aggressiv. Awww, ist das eine Anspielung auf meinen Nachnamen? Fällt ihm echt nix besseres ein? Schon niedlich. "Und wer bist du? Die dumme Luft um Katze und Vogel? Oder bist du der Baum, der wegen der Katze zusammenkracht, weil sie Garfield heißt?", gebe ich unbeeindruckt zurück. Und mal wieder bin ich zu vorlaut gewesen.
But: No Risk, no Fun.

~

So habe ich Lars ja noch nie erlebt, der sollte eigentlich ganz anders werden. Mehr der ruhige Einzelgänger, mit dem keiner was zu tun hat. Hat sich wohl selbstständig gemacht.

Aber so ist das doch spannender, findet ihr nicht?

It's Okay to be GayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt