Bis zum Treffen um fünfzehn Uhr half ich noch wo ich konnte. Das Essen war soweit fertig, den Rest würden die Madrigals später mitbringen. Sie boten an, uns zu helfen. Bei jeder fiesta wurde es so gehandhabt. So halfen wir auch damals bei der Gabenzeremonie von Antonio.
Mit der Girlande in meiner Hand hatte ich eines der letzten Dekoartikel. Ein leises Kichern kündigte schon Unheil an. Mein primo Pablo hatte nichts gutes im Sinn, das spürte ich. Mit einem Wehen hatte ich das Ende der Girlande wieder in meiner Hand und die Leiter schwankte verdächtig stark.
Das hatte dieser imbécil mit voller Absicht gemacht, hier so rumzurennen, damit ich fiel. Seine Gabe, eher ein Fluch, da man ihn für etwaige Strafen nicht erwischen konnte.Ich machte mich auf einen schmerzhaften Aufprall gefasst der jedoch ausblieb. Ein allzu bekannter Geruch nach Kokosnuss und Zimt stieg mir in die Nase. Ich wollte meine grünen Augen nicht öffnen und mir die Blöße geben. Ich spürte sein neckisches Grinsen, welches er mir ins Gesicht drückte, auch ohne ihn anzusehen.
„Princesa, welch' stürmische Begrüßung ereilt mich hier." Seit neustem nannte er mich so, warum wusste ich nicht.
Um endlich von meinem Nemesis runter zu kommen, öffnete ich meine Seelenspiegel nur um in seine braun/grünen zu blicken. Das Grinsen erreichte seine Augen, sie spiegelte sein Amüsement wider.
„Über die Jahre hinweg hast du ganz schön zugenommen, du warst mal so schön leicht." Ich zog eine Augenbraue nach oben, das hatte er jetzt nicht ernsthaft gesagt. Aber wer austeilte, muss auch einstecken können. „Naja ich kann nichts dafür, dass du so ein schwächlicher Lappen bist und nicht mal eine zierliche persona wie meine Wenigkeit halten kannst." Kurzzeitig flackerte Irrglaube an mein Gesagtes in seinem Gesicht auf. Er empfand es scheinbar als Frechheit und ich hatte somit erfolgreich an seinem riesigen Ego gekratzt. (Das dies überhaupt in ihre magische Casita passte, es war mir ein Rätsel.)„Nun, es liegt viel weniger an meiner definitiv vorhandenen Stärke" er deutete mit seinem Kopf auf seine Oberarme „als viel eher an deinem Übergewicht." Dabei kniff er leicht mit seiner rechten Hand in meinen Schenkel, um mir mein ‚Fett' zu verdeutlichen.
Meine Gesichtsfarbe nahm wahrscheinlich eine unnatürlich wütend rote Farbe an, während Camilo zuckte und sein Gesicht sich verzog. Mal davon ab, dass die Berührung komischerweise angenehm war, beinahe erotisch, diese sentimientos wollte ich sehr weit weg gewusst haben.Ein Klatschen ertönte, ich sprang förmlich aus seinen Armen. Ich musste zugeben, er konnte mir gut Kontra geben und manchmal genoss ich unsere kleinen verbalen Auseinandersetzungen. Dass er diese nun aufgrund meines körperlichen Angriffs gewann, hätte mir gleichgültiger nicht sein können. Aber das Letzte tat mir doch tatsächlich weh, obwohl meine Hemmschwelle normalerweise deutlich höher lag. Warum es mich dieses Mal sofort störte, wusste ich nicht. Ich wollte, dass er spürte, dass er zu weit ging mit seinem letzten Satz.
„Du solltest vielleicht eher tu novia angrabbeln, anstatt Hand an andere Frauen anzulegen, Goldlöckchen." Damit nahm ich die herunter gefallene Girlande vorsichtig (ich wollte nicht, dass die Deko kaputt geht, bien?! Nichts anderes!) aus seinen weichen Locken, um sie wieder aufzuhängen. Dies war gar nicht so einfach, denn das Chamäleon war mehr als einen ganzen Kopf größer als ich! Ich wusste, er hatte innerhalb des letzten Jahres einen extremen Schuss gemacht, war er immerhin sogar mal etwas kleiner als Mirabel. Aber als er nun direkt vor mir stand, machte es die Sache umso deutlicher. Dennoch stellte ich mir die redundante Frage, wann verflucht er so groß geworden war.Am Rande bekam ich seinen fragenden Blick mit und spürte die Nervosität in mir aufsteigen. „Welche Freundin? Scheinbar weißt du mehr als ich." Er hatte dann plötzlich einen leicht schmerzerfüllten Gesichtsausdruck. Dabei hatte er doch mich verletzt, daher verstand ich nicht warum. Und er konnte mir nicht erzählen, dass ihm meine Backpfeife wehtat.
Nachdem ich ohne weitere Zwischenfälle das letzte Dekoteil endlich an seinem Platz hatte, ging ich ohne ihn eines Blickes zu würdigen in mein Zimmer. Er sollte nicht sehen, wie weh mir seine Beleidigung wirklich tat, diesen Triumph gab ich diesem estúpido nicht auch noch. Außerdem war es ohnehin an der Zeit, da sein Erscheinen die übrigen seiner familia angekündigt hatte.
Dolores war bereits in meinem Zimmer, sie brachte scheinbar die Kleider nach oben. Ihr wissender Blick mir gegenüber machte mich wahnsinnig. „Hör nicht auf ihn. Du bist weder übergewichtig noch hast du überhaupt irgendetwas zu viel auf den Hüften. Du weißt doch, chicos sind lange in der Pubertät, sehr lange. Und mi hermano gehört scheinbar dazu. Bei ihm geht das noch bis er 30 wird." Bei dieser Aussage musste ich losprusten. Dass sie Camilo damit indirekt als kindisch und alles andere als erwachsen hinstellte, gefiel mir. „Also bis eben war ich genervt von deiner Gabe. Aber dein Kontra ihm gegenüber macht das ganze doch etwas wett." Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange. Solch schwesterlichen conversaciones hatte ich eher weniger. Wie auch, wenn man nur hermanos hatte. Und mis primas waren nun mal alle jünger als ich.Ein lautes „¿QUÉ?" ließ uns zusammenfahren. Die geschockte Stimme des estúpido durchfuhr unsere gesamte Casita. Kurze Zeit später kam eine lachende Mirabel herein, gefolgt von Isabela, Alejandra und Paloma. Auf unseren fragenden Blick antwortete Mirabel nur: „Ich habe ihm nur erzählt, dass Carmen nachher auch kommt. Irgendwie hat er das nicht ganz so gut aufgenommen." „Ach sie kommt? Er mag sie nicht, sie ist ihm zu aufdringlich und aufgetakelt. Hm." Ein gleichgültiges Schulterzucken kam von Dolores, scheinbar gönnte sie ihrem hermano diese Nervensäge aus tiefsten Herzen. (Und ich auch.) „Aber das ist doch bekannt, dass Camilo sie nicht leiden kann. Wer hat sie dann eingeladen? Es sind doch nur offizielle Anhängsel und ein paar Freunde mit dabei. Und ich finde nun nicht, dass sie sich hier gut in nuestra familia macht."
Isabela fasste uns immer als eine familia zusammen, so wie viele andere auch. Es war ein schönes Gefühl, da wir uns und unsere Eltern sich schon ihr ganzes Leben kannten. Bis auf einige wenige Ausnahmen waren wir alle so was wie hermanos.
„Nun, das war ich. Sie hatte mich gefragt was wir am Wochenende so machen und da hatte ich ihr das erzählt. Sie hatte mich gefragt, ob sie auch kommen dürfe und da ich sie oft bei Camilo sah dachte ich, es wäre doch schön für ihn. Also ich habe natürlich Alejandra vorher gefragt." Sie blickte unschuldig umher, wich jedoch meinem Blick komplett aus. Meiner Meinung nach etwas zu unschuldig. Ich hob eine Augenbraue und sah sie skeptisch an. Ihre Nervosität stank förmlich.
Isabela und Dolores sahen sie entgeistert an. Ebenso Paloma. Alejandra war diejenige, die die ganze Zeit über ein fieses Grinsen im Gesicht hatte. „Wir sollten anfangen, immerhin haben wir uns nicht grundlos so früh getroffen."
Dass Aleja so plötzlich weg vom Thema Carmen wollte, war etwas suspekt aber spielte scheinbar allen in die Karten. Sie hatte ja recht und unseren Fokus hatte diese puta nicht verdient.Ein Gewusel startete, Kleidung flog herum, ab und zu hatte ich Haare im Gesicht. Der ganz normale Wahnsinn, wenn man sich mit Isabela und Mirabel für irgendetwas fertig machte. Ich weigerte mich, überhaupt geschminkt zu werden. Mir wurde dennoch Farbe ins Gesicht geklatscht. (Wenigstens haben sie es nicht übertrieben und nur wenig benutzt.) Aber das war bei uns allen der Fall. Isabela meinte frech, wir hätten es auch überhaupt nicht nötig. Das Make-up wäre auch nur, um farblich passende Akzente zu unseren Kleidern zu haben.
Wenn ich überlege wie eingebildet sie früher rüberkam, freute ich mich jetzt umso mehr, ihren natürlichen Charakter kennenzulernen.🕯🕯🕯🕯🕯🕯
Glosario (Glossar)
fiesta - Party/Feier
princesa - Prinzessin
tu novia - deine Freundin
conversaciones - Konversationen
chicos - Jungs
¿Qué? - Was?
puta - Zicke
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¡Estúpido!
FanfictionBegleitet Camilo und Elena durch ihre Höhen und Tiefen und lest, wie sich ihr 'Hass' zu Liebe entwickelt. Lernt außerdem die familia Alvaréz kennen, der Elena angehört. Spielt nach den Ereignissen des Films, die Hauptcharaktere sind 16. Es wird Lemo...