| 22 | ᴄᴏʟᴇ | 𝙏𝙝𝙖𝙩 𝙜𝙞𝙧𝙡'𝙨 𝙜𝙤𝙩 𝙨𝙤𝙢𝙚𝙩𝙝𝙞𝙣𝙜

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Der Abend vor Thanksgiving ist allseits bekannt als die größte Partynacht des Jahres. Alle gehen feiern, alle wollen sich amüsieren. Normalerweise glühen Matthew, James und ich auf der Morgen-ist-Thanksgiving-Feier vor und arbeiten uns von da durch zu den Clubs. Das ist bei uns schon Tradition.

Heute allerdings muss die Feier ausfallen, denn ich mache einen Abstecher auf Franks Cocktailparty, bevor ich weiter will.

Und zum zweiten Mal in meinem Leben raubt mir Emma Atwood den Atem. Sie trägt einen tiefweinroten Pullover, der an genau den richtigen Stellen eng anliegt, und Riemchenstöckelschuhe, die meine Fantasie in nicht jugendfreie Zonen katapultieren. Das Haar fällt Emma in weichen, schimmernden Locken über die Schultern. Mir juckt es in den Fingern, es anzufassen, als ich auf sie zugehe.

Dann macht irgendwer in der Mitte des Raumes einen Schritt zur Seite – und ich sehe, dass sie nicht allein hier ist.

Verdammte Scheiße.

Eigentlich sollte es mich nicht überraschen, dass der Penner hier ist. Er zerrt an seiner Krawatte wie ein Zehnjähriger und fühlt sich offensichtlich unwohl damit. Schlappschwanz.

Ich knöpfe das Jackett meines perfekt sitzenden Armani-Anzugs zu und gehe rüber.

»Cole!«, begrüßt Frank mich. Auch wenn es zwischen uns ein paar Tage geknirscht hat, hat sich die Lage schnell wieder beruhigt. Er kann mir einfach nicht lange böse sein.

Bei diesem Gesicht verständlich, oder?

»Gerade habe ich Will von der Idee erzählt, die Emma letzte Woche hatte«, sagt er, »und wie froh wir sind, sie zu haben.«

Sie zu haben? »Froh« beschreibt es nicht einmal annähernd.

»Das ist alles nur gespielt«, stichelt Jemima. »Unter dem Kostümchen und der Liebmädchen-Fassade schlägt das Herz einer wahren Rebellin. Ich könnte euch Geschichten über Emma erzählen, da schlackern euch die Ohren.«

Emma bedenkt ihre Freundin mit einem strengen Blick. »Danke, Jem. Bitte nicht!«

Lachend legt der Wichsfleck Emma den Arm um die Taille und gibt ihr einen Kuss auf die Stirn.

Ich brauche einen Drink. Oder einen Sandsack. Jetzt sofort. Wie wohlgezielte Kugeln fliegen mir die Worte von den Lippen. »Genau, du warst eine richtige kleine Missetäterin damals, stimmt's, Emma? Frank, wusstest du, dass sie mal in einer Band gesungen hat? Hast du dir damit nicht sogar die Schauspielschule finanziert? Na ja, immer noch besser als Go-go-Tanzen.«

Sie verschluckt sich an ihrem Drink. Als Gentleman reiche ich ihr natürlich eine Serviette.

»Und, Will, du bist immer noch Musiker nebenbei, nicht wahr?«

Er schaut mich an wie einen Hundehaufen, in den er gerade reingelatscht ist. »Ja, stimmt.«

»Erzähl mal, Will! Bist du mehr so ein Rocker wie Bret Michaels, oder geht's eher in Richtung Vanilla Ice?« Seht ihr, wie sich seine Kiefermuskeln verspannen? Wie er die Augen zusammenkneift? Lass es raus, Knalltüte! Komm schon!

»Weder noch.«

»Wie wär's, wenn du dir eben dein Akkordeon schnappst, oder was immer du spielst, und kurz auf die Bühne hüpfst? Hier steht gerade eine ganze Stange Geld im Raum. Vielleicht wirst du für eine Hochzeit gebucht. Oder eine Bar-Mizwa.«

Gleich hab ich ihn.

»Bei solchen Veranstaltungen trete ich nicht auf.«

Der hier sollte sitzen:

»Sieh mal einer an! Mir war nicht klar, dass sich die Tariflöhner und Bedürftigen bei der heutigen Wirtschaftslage so eine Haltung leisten können.«

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