| 25 | ᴇᴍᴍᴀ | 𝙇𝙚𝙩'𝙨 𝙧𝙖𝙞𝙨𝙚 𝙖 𝙡𝙞𝙩𝙩𝙡𝙚 𝙝𝙚𝙡𝙡

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Es ist der erste Probentag auf der Hauptbühne des Theaters. Als ich durch die Tür trete, durchfährt mich ein Schauer. In einem Theater zu sein ist jedes Mal ein magisches Erlebnis. Es hat eine spezielle Energie. Die abblätternden Wände, die schweren Wollvorhänge, Erinnerungsstücke an Jahrzehnte von Produktionen. Hingekritzelten Botschaften an den Backsteinwänden im Backstage-Bereich zeugen von gespannten Nerven, euphorischen Erlebnissen und unglaublicher Freude.

Unser Praktikant Billy kommt auf mich zu, überreicht mir einen Kaffeebecher und führt mich zu den Garderoben. Wie die meisten Garderoben sind auch diese wenig glamourös, erinnern dafür aber an die unzähligen Schauspieler, die schon hier gewesen sind. Ich nehme mir ein paar Minuten Zeit, um mich einfach mit geschlossenen Augen vor den Spiegel zu setzen und die Atmosphäre aufzusaugen.

Ich habe seit Sonntagabend nicht mehr mit Cole gesprochen, auch wenn ich kaum an was anderes denken konnte. Ich höre Schritte hinter mir. Als ich mich umdrehe, steht er an den Türrahmen gelehnt.

»Hey.«

»Hi.«

Tausend Fragen hängen in der Luft, aber er schweigt. Er will sicher wissen, was ich über das denke, was auf der Cocktailparty passiert ist. Ich würde es ihm ja sagen, aber meine Gedanken sind völlig unsortiert. Vermutlich hofft er, dass ich Verständnis für ihn entwickle und alles verzeihe. Das tue ich zu einem gewissen Grad aber nicht, auch wenn es keine bewusste Entscheidung von mir ist. Wenn ich das Misstrauen ihm gegenüber abstellen könnte, wären unsere Probleme sofort gelöst. Ich wäre geheilt, er dankbar, und wir würden unsere Nächte fortan gemeinsam verbringen.

Das wäre schön, aber so weit bin ich noch nicht.

»Alles klar bei dir?«, fragt er vom Türrahmen aus.

Ich stehe auf und gehe meine Kostüme durch. Es dauert nicht lang, ich habe nur ein paar für dieses Stück. Ich lasse die Hände über die Säume gleiten und merke, wie nervös ich bin. Zum Teil hat es wohl mit ihm zu tun, zum Teil aber auch damit, dass wir in drei Tagen die erste Vorab-Aufführung vor Publikum haben. So oder so habe ich Angst, jemanden zu enttäuschen.

»Ich fühle mich ein bisschen so, als müsste ich kotzen«, erwidere ich schließlich.

»Ich auch.«

»Du versteckst es aber besser als ich.«

»Ich bin dran gewöhnt. Willst du ein bisschen kuscheln?«

Seine Frage erwischt mich eiskalt. Meine Hand erstarrt am Ärmel eines Kleides. »Äh ...« Ich spüre seine Anwesenheit hinter mir, noch ehe er mit den Fingern ebenfalls über das Kostüm streicht.

Als er spricht, ist sein Atem warm an meinem Ohr. »Es hat uns immer geholfen, weißt du noch? Rein platonisch, versteht sich.«

Ich kann nicht aufschauen.

»Emma?« Er streicht mir die Haare über die Schulter. »Ich will nicht mal einen Kuss. Ich will dich nur umarmen.«

Es ist aber nicht nur umarmen. Das war es nie. Mit ihm ist alles viel intimer. Mir bleibt es erspart, ihm zu antworten, weil Amy im Türrahmen auftaucht.

»Hey, ihr zwei. Wir wollen gleich mit der Durchlaufprobe für die Technik anfangen. Könnt ihr bitte im Kostüm auf die Bühne kommen? Und bringt Geduld mit, Frank macht immer alles extrem gründlich.«

Sie verschwindet, und ich bin irgendwie erleichtert.

Seufzend reicht Cole mir mein erstes Kostüm. »Das ist doch das Kleid für den ersten Akt, oder?«

Ich nicke.

»Kein Wunder, dass ich mich in dich verliebe.« Er lächelt mich zärtlich an. Mein Kostüm ist das schlichte Schürzenkleid einer Kellnerin, wahrlich nichts Besonderes.

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