| 41 | ᴄᴏʟᴇ | 𝙏𝙝𝙖𝙩 𝙜𝙞𝙧𝙡'𝙨 𝙜𝙤𝙩 𝙨𝙤𝙢𝙚𝙩𝙝𝙞𝙣'

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Es ist draußen noch dunkel, als ich am nächsten Morgen die Treppen zu Emmas Wohnung hochsprinte. Und ich bin noch immer völlig fertig.

Ich hatte versucht, mich nicht auf Emma zu konzentrieren, als sie kopfüber auf die Bühne fiel und ich fast einen verdammten Herzinfarkt erlitten hätte. Ich war nicht so vertieft in meine Rolle wie sonst, hauptsächlich wegen Wills unprofessioneller Zickerei. Am liebsten hätte ich Emmas Ex einmal quer durchs Theater geschmissen. Ich hab Farmer noch nie gemocht. Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit, und jetzt wird's auch noch persönlich.

Ich bin es nicht gewohnt, mir Sorgen um jemanden zu machen. Ich bin gefahren wie ein Wahnsinniger, um sie vom Theater und weg von den Pressegeiern nach Hause zu bringen. Zum Glück hab ich einen schicken Wagen, in dem sie es bequem hat. Ich hätte nicht gedacht, dass ihr Gesicht noch weißer werden könnte. Die roten Flecken auf ihren Wangen und die violetten Schatten unter ihren Augen waren die einzige Farben in ihrem Gesicht. Sonst hätte sie locker als Schwarzweißfoto durchgehen können.

Ich mag ihre Mutter. Rachel Atwood hat einen gelassenen Blick, und ihr Auftreten macht sofort klar, dass sie sich nicht verarschen lässt. Ihre Art mit Farmer umzugehen, ist geradezu künstlerisch. Er ist genauso wenig begeistert gewesen, als sie ihn rausgeworfen hat.

Ich klopfe an der Tür und muss mich zurückhalten, um nicht direkt in die Wohnung und in Emmas Schlafzimmer zu stürmen. Rachel öffnet die Tür. Sie mustert mich nachdenklich, ihr Blick wandert von meinem Kopf zu meinen Turnschuhen. Ihre Miene ist wirklich schwer zu lesen.

»Wie geht's ihr?« Ich mache einen Schritt nach vorne und zwinge sie rückwärts zu gehen, damit sie mich in die Wohnung lässt.

»Guten Morgen.« Rachel hat eine leere Kaffeetasse in der Hand, die sie jetzt in die Küche trägt. »Ihr Fieber ist noch nicht gesunken. Sie schläft.«

Ohne noch länger um Erlaubnis zu bitten, marschiere ich den schmalen Flur entlang in ein noch kleineres Schlafzimmer. Emma liegt zusammengerollt auf einem Doppelbett, das kaum noch Platz übrig lässt. Das Zimmer riecht nach ihr. Blumig. Süß. Und im Augenblick mit einem Hauch Schweiß.

Vorsichtig setze ich mich an den Bettrand, sehe sie an und berühre ihr Gesicht. Unter meinen Fingerspitzen sind ihre Stirn und ihre Wangen glühend heiß. Ich lege meine Hand auf ihre Stirn und streiche ihr die feuchten, verfilzten Haare aus der Stirn.

Sie sieht schrecklich aus, und das sage ich auch ihrer Mutter. Rachels Blick folgt meinem Daumen, der über die rechteckige Form von Emmas Schlüsselbeinen reibt. »Es ist eine fiese Grippe. Aber sie schafft das.«

Einmal mehr versucht dieses komische Gefühl aus meiner Brust in meinen Hals zu kriechen. Es ist nicht bloß reine körperliche Anziehungskraft und das gefällt mir ganz und gar nicht.

»Natürlich tut sie das.« Sie hat die Grippe im 21. Jahrhundert, nicht die Beulenpest im 17. Ich nehme ihre Hand. Ohne es zu merken, streife ich mit ihren Knöcheln über meine Lippen.

Rachel hebt einen Stapel schmutzige Wäsche auf und verlässt leise das Zimmer. Sie sieht nachdenklich aus.

Ich erinnere mich an diesen besonderen Abend, ein paar Tage vor der Premiere, kurz nachdem dieser Vollpfosten mit ihr Schluss gemacht hat ...

Ich schalte bei mir in der Garderobe das Licht aus und gehe rüber zu Emma. Sie bemerkt mich nicht gleich, also lehne ich mich erst mal mit verschränkten Armen in die Tür und betrachte sie in aller Ruhe. Ihre Haare sind offen; sie steht über ihren Schminktisch gebeugt vor dem Spiegel. Sie probt immer noch, weil sie perfekt sein will. Und sie singt:

I know my heart don't care what people say

All I know is that I never felt like this

And besides I wouldn't change him if I could

Act Like It  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt