| 36 | ᴇᴍᴍᴀ | 𝙒𝙚 𝙬𝙖𝙣𝙣𝙖 𝙝𝙚𝙡𝙥 𝙖𝙣𝙮 𝙬𝙖𝙮 𝙬𝙚 𝙘𝙖𝙣

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Eine nette Person hätte ihn wahrscheinlich vom Haken gelassen. Denn in Upper Bidford sind sicher keine Mitglieder des Royal Drury Schlägertrupps anwesend, der uns zum Gehorsam zwingt. Selbst ihre Jobanforderungen locken Lynette Stern nicht aus der zivilisierten Stadt in ein Dorf ohne kostenloses Wlan. Ich hätte eine Ausrede vorschieben können, damit Cole zuhause bleibt und das tut, was er normalerweise an einem Samstagmorgen macht. Ich nehme an, es beinhaltet tollen Espresso und endlose Stunden im Internet, um sich selbst zu googeln.

Aber ich bin keine nette Person. Weil mich schon lange nichts mehr so amüsiert hat wie der Anblick von Cole Sinclair auf einem Dorfjahrmarkt, wo ihn gerade zwei äußerst einschüchternde Exemplare des Women's Institute in die Zange nehmen. Er sieht aus, als wäre er durch ein Portal direkt in den dritten Kreis der Hölle gefallen.

Gerade drückt eine junge Frau mit fragwürdigem Mutterinstinkt ihr wehrloses Kind in Coles Arme und ignoriert seinen wütenden Protest, während sie ihr Handy hervorkramt. Während sie mehrere Fotos schießt und dabei laut überlegt, welches sie bei Instagram postet, gehe ich zu ihnen, um mir das Spektakel aus nächster Nähe anzusehen. Ich bin mir nicht sicher, wer zorniger aussieht: Cole oder das Kind, das er wie einen schmutzigen Fußball auf Armlänge von sich streckt.

»Du weißt aber schon, dass du da ein Kind hältst und keinen undichten Eimer?«, frage ich beiläufig, und er wirft mir einen Blick zu, der Holz spalten könnte. »Näher an deine Brust, eine Hand unterm Po. Echt jetzt. Du hast doch schon mal gekuschelt.«

»Ja, aber Frauen mögen keine Hand unterm Po, bevor ich sie nicht mindestens einmal zum Essen eingeladen habe«, gibt er zurück und die WI Präsidentin kichert hinter ihrem Marmeladenbrötchen.

Ich ziehe jetzt auch mein Handy hervor und schieße ein Foto. »Die Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen«, erwidere ich, während er mich weiter anstarrt. »Wenn sich die Schauspielerei nicht auszahlt, kann ich das Foto immer noch an die Klatschzeitschriften verkaufen – als Beweis für ein uneheliches Kind.« Ich drehe das Handy herum, um zu schauen, wie das Bild geworden ist. Wow. Porträt eines wütenden Schauspielers.

Die Mutter lacht und nimmt ihren Sohn wieder an sich. Das Baby ist gut eingepackt und sieht in seinem flauschigen Strampler einfach süß aus. »Mein Mann wäre wahrscheinlich mit dem Fleischerbeil hinter ihm her. Er steht da drüben.« Sie deutet zu dem Feld, auf dem gerade ein Rudgyspiel gegen das Nachbardorf stattfindet. Ich hab keine Ahnung, welchen Spieler sie meint, aber sie haben alle beachtliche Oberschenkel.

»Jetzt hab ich schon zwei Gründe, um es aufzuheben.« Ich wedele das Handy vor Cole herum und er blickt mich finster an.

»Lösch es.«

»Niemals. Vielleicht nehm ich es als Bildschirmschoner. Besonders gefällt mir der Sabber auf deiner Schulter.«

Er schaut an seinem Mantel herab und flucht, während er mit seiner Hand an dem Fleck herumreibt.

»Entschuldigung«, wende ich mich lautstark an die Gruppe Frauen, die um uns herumsteht. »An seinen Manieren arbeiten wir noch.« Ich packe seinen Arm und ziehe ihn mit mir. »So wird das nichts mit deiner Karriere als Papierschubser. Ich glaube, mit älteren Damen zu flirten und Babys zu tätscheln ist Teil des Jobs.«

»Ich betreibe Wahlkampf für die RSPA Präsidentschaft, nicht für das Bürgermeisteramt am Arsch der Welt.« Sein Blick gleitet verächtlich über das ländliche Grün. Der Jahrmarkt hat eine Stunde früher begonnen, nachdem ein schüchterner Johnny Blake das Band durchgeschnitten hat. Ohne seine Videokamera ist er genauso tollpatschig wie jeder andere Teenager von nebenan, aber den jungen Mädchen schien seine gestotterte Rede gefallen zu haben. Und es war nett von ihm, dass er sich bemüht hat, aus seiner Komfortzone rauszukommen.

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