Prolog

1K 48 0
                                    

  Ich schulterte meinen Rucksack. Ein letzter Blick auf die Anzeigetafel vor mir, ob sich nichts geändert hatte. Ein winziger Moment der Hoffnung, dass der Flug doch gecancelt wurde. Ein Zeichen, das ich nicht einsteigen sollte. Warum war ich noch mal hier? Ich sah auf mein Smartphone, welches immer noch ein Foto von mir und Wes zeigte. Eine stete Erinnerung daran, warum ich hier war. Ein neues war längst überfällig. Vielleicht eines von Ebony und mir. Dann wäre mir klar, wem ich die ganzen nächsten Monate die Schuld geben konnte. Es lag nicht an Wes, oder unserer Trennung. Jedenfalls nicht direkt. Eher an einer Flasche Rotwein und Ebonys durchgeknalltem Kopf.

  Es half nichts. Bis gestern war ich selbst noch überzeugt, dass es eine erstklassige Idee sei. Kneifen schied demnach aus. Ich stöpselte mir die Earpods in die Ohren und setzte mich in Bewegung. Musik war ein wichtiger Bestandteil meines Lebens und etwas, mit dem ich Wes immer in den Wahnsinn getrieben hatte. Er liebte die Stille, wenn er nach einem langen Tag in unsere gemeinsame Wohnung kam. Ich hingegen fühlte jeden Song, den ich hörte, und Stille war etwas, das ich nicht ertrug. Nicht, weil meine Gedanken zu laut wurden, oder sie mir nicht passten. Nein, sie fühlte sich unvollständig an. Als ob etwas Bedeutendes fehlte.

  Wes, wieder drehten es sich nur um ihn und dabei sollte ich ihn dringend aus dem Kopf bekommen. Er war längst weitergezogen, unterdessen ich an einer Vergangenheit festhielt, die es so nie gab.

  Ich hatte genug Zeit verschwendet, damit war Schluss. In den nächsten knapp sieben Stunden hieß es nur Musik und ich. In der Hoffnung, ich würde in Kanada endlich meine Muse wiederfinden.

  Mit welchem Recht nannte ich mich noch Autorin, wenn ich schon ewig keinen Satz mehr zu Papier brachte? Geschweige ein Wort. Seit Wes seine Koffer gepackt und gegangen war, war mein Kopf leer. Als habe er jede meiner Ideen mit in diesen elendigen Koffer gesteckt und mitgenommen.

  Einen Ozean zwischen uns zu bringen, sollte helfen, endlich über ihn hinweg zu kommen. Erneut wischte ich die Gedanken an ihn zur Seite und konzentrierte mich auf den Song, indes das Gate immer näher kam. Und damit mein wohl größtes Abenteuer. Zwölf Monate Work & Travel in Kanada. Ein Jahr, in denen ich London, Europa und vor allem Wes hinter mir ließ. Dummerweise bedeutete es Ebony in dieser Zeit, ebenso nicht zu sehen. Aber was war schon ein Jahr, für die Chance als neuer Mensch zurückzukommen?

  Das nächste Lied in meinen Ohren war an einen der klassischen 80er-Jahre-Popsongs angelehnt, welches mich etwas beschwingter laufen ließ. Wie ich zuvor erwähnte, Musik schaffte es, die verschiedensten Emotionen freizusetzen. Und so trug mich dieser Song näher an das Gate, und damit einem Abenteuer entgegen, von dem nicht mal meine überschwängliche Phantasie es gewagt hätte, zu träumen.

behind the curtainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt