Once in a lifetime

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  Ebony führte mich durch die Abteilungen, stellte mir die ein oder anderen Kollegen vor, deren Namen ich mir nicht merkte. Darin war ich eh nie gut. Es fühlte sich merkwürdig an. Der Job war nur ein kurzes Gastspiel. Nichts, was ich mein Leben lang tun wollte. Die Kollegen würden mich nach kurzer Zeit vergessen. Wir kamen vor dem Büro des Chefs an, bei dem ich mich melden sollte.

  Sie klopfte an, öffnete die Tür und wir traten ein. Hinter einem Schreibtisch saß ein junger Mann mit dunklem Haar, der kaum das er mich sah, grinste.

  »Das ging ja doch schneller, wie ich dachte.« Er stand auf und trat einen Schritt auf uns zu. Ich brauchte einen Moment, bis ich verstand, was hier passierte. Er war der Kerl vom Flughafen! Am liebsten hätte ich mir erschrocken die Hand vor den Mund geschlagen, aber hatte mich im Griff.

  »Mia Hayes«, stellte ich mich vor und reichte ihm die Hand.

  »Timothy Carney, ich freue mich, dich in meinem Team begrüßen zu können, Mia.« dann sah er zu Ebony. »Zeigst du ihr ihren Arbeitsplatz? Ich habe gleich ein wichtiges Meeting.«

  »Klar Tim.« Sie deutete mir an ihr wieder zu folgen.

  »Ach und Mia, das mit dem Kaffee steht noch.« Hätte er es sich nicht sparen können?

  Ein »okay«, war alles, was ich rausbrachte, während meine beste Freundin mich fragend ansah.

  »Er hat mir am Flughafen mit meinem Gepäck geholfen«, nuschelte ich und sah meine Freundin aus den Augenwinkeln an, die leise kicherte.

  »Du wirst noch eine echte Herzensbrecherin. Denn Tim lädt keine seiner Mitarbeiterinnen zu einem Kaffee ein.«

  Großartig. Ich wollte garantiert nicht die Erste sein. Zumal ich diesen Job brauchte, um das Geld zu verdienen, zu meinem Freund zu reisen, der in wenigen Tagen wieder an das andere Ende der Welt zurückmusste.

  »Ich werde keinen Kaffee mit ihm trinken.« Das nahm ich mir fest vor und daran würde ich festhalten. Ich folgte Ebony, die mir meinen Arbeitsplatz zeigte.

  »Das ist auch vollkommen in Ordnung. Immerhin ist er dein Chef.« Sie grinste breit und öffnete eine weitere Tür.

  »Ebony.« Eine kleine rothaarige Frau sah zu uns auf. »Und die neue Kollegin.«

  »Korrekt. Mia, das ist Stella, sie wird dir das nötigste Erklären und dich durch die ersten Projekte leiten.«

  Stella stand schon vor mir und reichte mir ihre Hand.

  »Das wird ganz entspannt laufen.«

  Ich war mir nicht sicher, was sie unter entspannt verstand.

  In diesem Moment übernahm Stella mich und Ebony verabschiedete sich mit den Worten »Wir sehen uns heute Abend.« Denn Ebony arbeitete in Vollzeit, während ich nur halbtags arbeitete. Ich wollte genug Zeit haben zu schreiben, sofern ich irgendwann wieder einen Drang danach verspürte.

  Der Tag war lang und voller Informationen. Müde trat ich vor die Tür und atmete tief durch. Es gab Gründe, warum ich es bisher immer vermieden hatte, einem klassischen Bürojob nachzugehen. Obwohl es jetzt nur fünf Stunden waren, tat Stella ihr Bestes, so viel Wissen in meinen Kopf prügeln zu, dass es für eine ganze Woche reichte.

  »Wie war der erste Tag?« Kylan trat auf mich zu. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mich abholen würde.

  »Wie erste Tage in neuen Job so sind?« Ich zuckte die Schultern, ließ mich in seine Arme ziehen, ehe ich mich ihm für einen Kuss entgegenstreckte.

  »Schönen Feierabend. Mia.« Mein Chef lief an uns vorbei. Sicher zur Mittagspause.

  »Ihnen später auch.« Ich wollte ihn nicht Tim nennen, oder Timothy, egal wie locker die Atmosphäre bei Coldberg war.

  »Netter neuer Kollege.«

  »Das war mein Chef«, murrte ich und lehnte mich an. Den halben Tag nun hier zu sein, anstatt ihn mit Kylan zu verbringen, war hart, denn er würde in elf Tagen abreisen. Es war dumm, sich vor Augen zu halten, wie wenig Zeit uns blieb, anstatt sie zu genießen. Und wenn ich zu ihm reiste, dann war er auch nicht den ganzen Tag da.

  »Du weißt, ich werde nichts sagen. Ich habe es dir versprochen.« Es ging darum, dass ich diesen Job nicht brauchte und wir eine andere Lösung fanden. Aber darüber hatten wir lange und ausführlich gesprochen und Kylan wusste, er hatte in diesem Punkt nichts zu melden.

  »Klar, Surferboy.« Ich stieß ihn leicht an und deutete an, dass wir loskonnten.

  »Ich würde dir gerne etwas zeigen.« Es kam so unvermittelt, dass ich stehen blieb und Kylan anstarrte. Es war hoffentlich keine Wohnung. Das wäre etwas zu schnell. Nur weil wir uns darauf einigten, dass das eine Möglichkeit war, musste er nicht gleich Nägeln mit Köpfen machen.

  »Muss ich mir Sorgen machen?«

  »Nein, es wird dir gefallen.« Er griff meine Hand und verschränkte seine Finger mit den meinen. »Aber du musst das für dich behalten. Selbst Ebony darfst du nichts verraten.« Er grinste breit, was mich noch skeptischer werden ließ. Was um alles in der Welt spielte sich in seinem hübschen Kopf ab?

  Wir spazierten kurz darauf durch den Roe Green Park und ich fragte mich, was er mir hier zeigen wollte? Blieb stark, nicht andauernd zu fragen, selbst wenn es mir schwerfiel. Wir setzten uns auf eine der Parkbänke und dann reichte er mir seine Earpods.

  »Du musst versichern, dass das dein kleines Geheimnis bleibt.«

  Ich nickte, sah auf die Earpods in meiner Hand und dann wieder zu ihm. »Und das hat etwas mit diesen Dingern zu tun?«

  »Rein damit und Augen schließen. Fühle es einfach.«

  Ich folgte der Anweisung, schloss die Augen und lehnte mich an Kylan. Ich ließ den Song auf mich wirken, die einzelnen Textzeilen, wippte kurz darauf mit dem Kopf leicht mit. Der Song passte zu Lucky Dilemma, versprühte gute Laune, ähnlich wie Jet Lag von Simple Plan oder ein Song von All Time Low. Ich hörte einen der neuen Songs und das vor allen anderen?

  Der Song endete und ich öffnete die Augen, sah, wie erwartungsvoll Kylan mich musterte.

  »Und?«

  »Ich mag ihn.« Ich biss mir kurz auf die Unterlippe. Die Message war eindeutig. »Manches passiert nur einmal im Leben. Es ist egal, ob es die Band ist, mit der man eine schöne Zeit hat, dieser eine Freund oder das besondere Mädchen.«

  »Normalerweise schreiben Nole und Leo die Songs.« Er wirkte fast ein wenig stolz.

  »Aber den hast du geschrieben.«

  Er nickte. Manchmal fiel es mir schwer, mir vorzustellen, dass er der Leadsänger war und damit immer ein wenig mehr im Rampenlicht stand, wie die anderen. Vor allem wenn er so unsicher wirkte.

  »Eight Ball wäre sicher stolz auf dich.«

  »Er wird die erste Single.« Nun wurde sein Grinsen noch breiter.

  »Danke, dass ich ihn schon hören durfte.« Ich lehnte mich an ihn. Kylan legte seinen Arm um mich, zog mich eng an seine Brust. Es waren diese Momente, die gerne Ewigkeiten andauern dürften. »Es ist immer noch so unwirklich.«

  »Was?«

  »Du und ich.« Ich seufzte.

  »Wäre es realer, wenn ich Healy wäre?« Seine Brust vibrierte sanft.

  »Nein, der einzige Vorteil wäre, dass du nicht am anderen Ende der Welt leben würdest.« Ich sah zu ihm hinauf. Sein Blick ruhte auf mir. »Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand wie du, jemanden wie mich trifft und ...«

  Er stoppte meine Worte mit seinem Zeigefinger auf meinen Lippen. »Once in a Lifetime.«

  Ehe ich darauf hätte etwas sagen können, hob er sanft mein Kinn an, um mich zu küssen. Es spielte keine Rolle, wer er war, wer ich war. Ob es eine schlechte Idee war, oder Endgame. Das wusste niemand, wenn er einen anderen Menschen traf. Mir wurde klar, dass ich meine Sichtweise auf das, was wir waren, ändern musste. Wir waren wie jedes andere Paar, das sich traf. Es gab die Chance, auf ein Happy End, aber auch auf eine Tragödie.

behind the curtainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt