Abenteuer sind etwas für Menschen ohne Gefühle

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Die nächsten Tage halfen mir eine Routine zu finden, auch wenn Kyle merkwürdig in sich gekehrt war. Morgens kam zuerst das Frühstück. Dann reinigten wir die Zimmer und bereiteten Neue vor. Mittags aßen wir gemeinsam in der Küche, ehe wir den Stall ausmisteten. Bis zum Abendessen trennten sich dann unsere Wege, nur um die Nächte bei Luc etwas zu trinken. Bisher war ich nicht dazu gekommen, einen Satz zu schreiben. Aber ich war froh, endlich mit Ebony zu telefonieren, denn selbst das hatte ich in den ersten Tagen nicht geschafft.

»Du siehst ziemlich fertig aus.« Sie musterte mich über den Bildschirm. Ich kam mit weniger schlaf aus, wie ich es gewohnt war. Um das Frühstück vorzubereiten, stand ich um fünf Uhr auf. Oft waren wir erst weit nach Mitternacht aus dem Luc zurück. Wobei Kyle die meiste Zeit allein an der Bar saß und seinen Whiskey trank. Ich hatte schon ein paar der anderen Backpacker kennengelernt. Lauschte aber lieber ihren Geschichten, anstatt mich zu beteiligen.

»Schlafen wird hier überbewertet.«

»Weil er so heiß ist?«, kicherte meine beste Freundin und wackelte mit ihren schwarzen Augenbrauen.

»Bon, du weißt genau, dass das nicht passieren wird.«

»Ein kleines Abenteuer hat niemanden geschadet und seien wir ehrlich Mia, du hättest es dir mehr als verdient.«

Sie spielte darauf an, dass Wes direkt weitergezogen war und es ihm egal war, ob ich litt oder nicht, wenn er sein neues Leben der ganzen Welt präsentierte.

»Abenteuer sind etwas für Menschen ohne Gefühle, Bon.«

»Hast du angst, du könntest dich in den heißen Surfer verlieben?«

Mein Schweigen sprach für sich. Es war nicht abzustreiten, dass Kyle eine gewisse Anziehung auf mich ausübte. Ich war nur nicht bereit, sie weiter zu ergründen. Er würde nach Australien zurückgehen und ich nach London. Uns trennten Welten und keiner von uns würde sein Leben für den anderen, den er kaum kannte, aufgeben. Und eine Fernbeziehung über Kontinente und irrwitzige Zeitzonen hinweg? Schlichtweg unmöglich. Mir war bewusst, dass es seine geheimnisvolle Aura war, die ihn stets umgab, die mich anzog. Nur ein Blick hinter die Fassade, um zu sehen, wie es dahinter aussah. Mehr wollte ich nicht.

»Es könnte ein wundervoller Roman werden. Mia. Vielleicht sogar eine ganze Buchreihe, wenn du es zulässt.«

»Dazu gehören auch immer noch zwei und es als Muse für meine Blockade ausnutzen ist nicht richtig.«

»Nicht richtig ist, dass du mit einem gutaussehenden Mann quasi zusammen lebst und nicht mal einen Gedanken daran verschwendest ein Abenteuer zu wagen.« Sie rollte ihre braunen Augen. Ebony und ich waren so unterschiedlich, dass selbst meine Eltern sich immer wunderten, warum wir befreundet waren. Ich ließ mich so gerne von ihrer Energie mitreißen. Aber es bedeutete nicht, dass wir beide auch einer Meinung waren. Schon gar nicht beim Thema Männer.

»Können wir über etwas anderes reden?«

»Darüber, dass es schon wieder regnet und das ich zu faul war, mir etwas zu kochen, weswegen ich mir Fish and Chips gönne.« Sie hielt die Tüte nach oben, von unserem Lieblingsladen und ich war neidisch. Normalerweise wies ich sie immer darauf hin, sich gesünder zu ernähren. Aber für Fish and Chips würde ich gerade alles stehen und liegen lassen. Man vermisste oft die Dinge, die unerreichbar schienen. In meinem Fall: Fastfood.

»Gott, ich kann es durch das Telefon riechen.«

»So was Gutes bietet dir Kanada also nicht.« Sie hielt die kleine dreieckige Tüte hoch, die an eine Zeitung erinnerte.

»Nein, auch wenn das Essen hier gut ist.«

»So wie deine Pancakes.«

Erschrocken fuhr ich zusammen und selbst Ebony sah mich mit großen Augen an.

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