Britrock und andere Überraschungen

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Ich warf meinen Wanderrucksack in den Kofferraum des silbernen Mietwagens, ehe ich auf dem Beifahrersitz platznahm. Ursprünglich war der Plan, dass wir uns ein Auto von Armand liehen, damit es meinen Kostenrahmen nicht sprengte, aber Kyle änderte diesen Plan so spontan, dass ich nicht widersprechen konnte. Ich war ihm nur einen kurzen Augenblick böse, als er meinte, ich brauche mich an den Kosten nicht zu beteiligen. Mir war es wichtig, meinen Beitrag zu leisten. Selbst wenn er gering war.

Er verstaute seinen Rucksack und ein paar Getränke, ehe er den Kofferraum schloss und auf den Fahrersitz rutschte. Ich gewöhnte mich allmählich daran, dass der Beifahrer auf der rechten Seite saß.

»Bereit?« Er wartete mein Nicken ab, ehe er den Motor startete und wir über die Auffahrt das Chalet hinter uns ließen. Bevor ich in den Flieger nach Kanada stieg, wäre so ein Ausflug undenkbar. Nicht nur der, sondern mein Herz in kürzester Zeit an jemanden zu verschenken, ohne ihn besser zu kennen.

»Du wirkst nicht gerade entspannt, Mia?«

»Ich bin etwas nervös«, gestand ich ihm. Es war bloß ein Wochenende, an dem wir uns besser kennenlernten. In London wären wir ein paarmal ins Kino gegangen, oder Essen. Hier lief das Ganze etwas anders ab. Die Zeit spielte gegen uns. Jeden Tag.

»Ich mache dich nervös?« Er wirkte belustigt und gerne hätte ich ihn gekniffen. Nur, weil es gemein war sich darüber lustig zu machen.

»Ja, durchaus.«

»Womit?«

Er konnte Fragen stellen. Allem. Sein Aussehen, sein Lachen, die Erwartungen, die er an mich und an dieses Wochenende haben könnte. Ich kannte ihn nicht gut genug, wusste nicht, wann ich zu viel für ihn sein würde. Meine eigenen Unsicherheiten ließen mich nicht in Ruhe.

»Alles, was dein Ex nicht an dir mochte, kann jemand anderes an dir lieben. Du musst denjenigen nur lassen.« Er griff nach meiner Hand, verschränkte seine Finger mit den meinen.

»Sagt der Mann, der mir bereits ein paar Mal sagte, das ich ihn hassen könnte?« Seine Worte waren nicht untergegangen. Sie schliefen, tief hinten in meinem Kopf und kamen nur dann hervor, wenn ich Zeit zum Nachdenken hatte. Bislang fand ich keinen Grund, warum ich Kyle je hassen könnte. Aber derzeit hatten wir beide die rosarote Brille auf. Zu viele Endorphine strömten durch unsere Blutbahnen und vernebelten jeglichen Sinn. Verliebt sein war ein Rausch und wir mittendrin.

»Touché«, murrte er und drückte kurz meine Hand etwas fester. »Aber ich bin bemüht es zu verhindern.«

»Indem du einen Leihwagen organisierst?« Wir hatten das Thema noch nicht vollständig ausdiskutiert. Wie schon ein paarmal zuvor, war Kyle der Meinung, dass ich meinen Anteil durch Anwesenheit beglich und er kein Geld wolle. »Ich weiß, ich habe nicht gemeckert, aber das ist auch das Einzige, was du bezahlen wirst!« Ich verlieh meiner Stimme extra Nachdruck, damit er nicht auf die Idee kam, seine Meinung zu ändern.

»Wäre ich nicht ein schlechter Mensch, wenn ich dich bezahlen lasse? Ich könnte noch mal an deine Schuhschachtel erinnern, in der du lebst und das du auf dein Geld angewiesen bist, um den nächsten großartigen Roman zu schreiben. Glaub mir Prinzessin, meinem Konto tut das hier nicht weh.«

»Darum geht es doch nicht Kyle«, seufzte ich und lehnte mich tiefer in den Sitz.

»Doch, weil du nicht in der Lage bist, ein Geschenk anzunehmen. Du machst dir immer Sorgen, was der andere dafür erwartet.« Seine Worte trafen mich tief, denn sie waren leider wahr. »Ich erwarte nichts von dir und ich freue mich, wenn du dich freust.« Sein Daumen strich über den meinen und schenkte mir ein sanftes Lächeln.

behind the curtainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt