Abschiede schmerzen

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  Es herrschte eine ausgelassene Stimmung am Tisch und ich versuchte zu unterdrücken, wie arg mein Herz blutete. Ich lauschte den Gesprächen, beteiligte mich aber nicht. Es war zu spüren, dass das ein Familienabendessen war. Es war ein Vergnügen, ihnen zu lauschen, das herzliche Lachen, die Blicke. Ich sog diese Momente auf. Für jemanden, der nicht kreativ war, konnte es schwer nachvollziehbar sein, wie inspirierend solche Abende waren. Gefühle, Gesten, Mimik. Alles was man in Büchern beschrieb, war mühelos in Worte zu fassen, wenn man es vor sich sah. So war es bei mir. Ich nippte an dem Wein, den Thérèse extra aufgetischt hatte. An diesem Abend war nicht die klassische Köchin da, sondern sie ließ es sich nicht nehmen, für die Jungs ihrer Cousine selbst zu kochen. Sie sprachen über das neue Album. Darüber wie lange die Aufnahmen dauerten und dass es sogar einen Song gab, den Thérèse gefallen könne. Meine Hand ruhte neben meinem Teller und ich lauschte Kylans Worten.

  »Es ist wieder eine Ballade und Leo hat sich sehr viel Mühe gegeben.« Seine Hand griff dabei nach der meinen, drückte sie kurz, ehe er seine Finger mit den meinen verwob.

  »Balladen sind die einzigen Lieder, die ich mir von ihnen anhöre«, erklärte mir Thérèse und zuckte entschuldigend die Schultern.

  »Das ist auch vollkommen in Ordnung.« Dann sah Kylan zu mir. »Mia hört Musik nur, wegen der Texte und Emotionen. Sie mag sicher auch nicht jeden unserer Songs.«

   »Oh, das geht aber nicht.« Nolan sah zu mir und zog seine linke Augenbraue nach oben. »Als Freundin eines Bandmitgliedes hast du ein Hardcorefan zu sein.« Dann brachen die beiden Brüder in lautes Gelächter aus.

  Ich sah erst zu dem einen, dann zu dem anderen.

  »Chad geht ihn der Regel mit genau diesen aus.«

  »Die armen Mädchen«, seufzte ich. Denn ich erinnerte mich, wie Ebony in ihrer Jugend für Robbie Williams schwärmte und wenn er sie mit auf sein Hotelzimmer genommen hätte, sie wäre mitgegangen, egal ob es ihr am Ende das Herz brechen würde. Sicher war es bei den Mädchen, die Chad mitnahm, nicht anders.

  »Sie lieben nicht nur ihn, sondern auch das was er tut.« Nolan rollte die Augen. »Und sein Geld.«

  »Also Mia, gewöhn dich daran, auf Konzerten mit diesen Mädchen in der ersten Reihe zu stehen.«

  »Sie wird Backstage stehen, wenn sie uns besucht. Ich überlasse sie sicher nicht einer Meute Hardcorefans.«

  »Du hast einfach kein gutes Bild von ihnen.« Nolan grinste breit. »Du glaubst auch, die sind wie hungrige Hyänen, die sich auf Mia, wie auf ein Stück Aas stürzen.«

  Ich sah zwischen den Brüdern hin und her. »Ihr sorgt gerade eher dafür, dass ich gar nicht kommen möchte.«

  Darüber, ob ich mir ein Konzert ansehen würde, oder nicht, hatte ich mir keine Gedanken gemacht. Dieser Teil von Kylans Leben war noch immer surreal. So richtig begreifen würde ich es sicher erst, wenn ich ihn auf einer Bühne sah. Bis dahin war er Kyle, der Mann aus Kanada, der im Auto gerne sang und abends in der Bar einen Whiskey trank. Es war schwer, vorzustellen wie er auf einer Bühne stand, sang und dabei den kreischenden Mädchen vor sich in die Augen sah.

  »Du bist immer herzlich eingeladen, dir das Spektakel nicht entgehen zu lassen.« Nolan grinste breit und es wirkte, als würde er sich auf den Teil seines Jobs am meisten freuen.

  »Ich erinnere mich wage, an diese schrägen Geschichten.« Kylan zwinkerte mir kurz zu und ich wusste, er meinte die Fanfictions über Lucky Dilemma, die wir vor wenigen Tagen gemeinsam gelesen hatten. In denen Kylan auf der Bühne stand, dass einzig wahre Mädchen im Publikum im Scheinwerferlicht und er nur für sie sang, ehe sie von der Mafia verschleppt wurde. Wo die her kam, konnten wir uns zwar nicht erklären, stellten uns das aber sehr witzig vor.

behind the curtainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt