Viel Arbeit und ein neuer Mitbewohner

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  Wie in Kanada entführte Kylan mein Schlafshirt und hinterließ mir das seine. Aber er verzichtete darauf, die Kette dazulassen. Abschiede waren nie leicht und so auch dieser nicht. Nicht, weil keiner wusste, wann wir uns das nächste Mal sahen. Er versprach schließlich, ganz bald wieder hier zu sein. Seine Nähe, in seinem Arm einzuschlafen, selbst der Abend im Pub. Alles fühlte sich mit ihm so normal und perfekt an. Und nun hinterließ er eine Lücke.

  Am Flughafen blieb ich so lange an seiner Seite wie möglich. Ehe er durch den Check-In verschwand, drehte er sich noch einmal zu mir um, ein letztes sanftes Lächeln, auch wenn sein Blick traurig war. Es war ein Nonstopflug. Etwas mehr als sechszehn Stunden würde ich nichts von ihm hören. Tapfer winkte ich ihm noch einmal und blieb dennoch stehen, bis er längst nicht mehr zu sehen war.

  Ich wusste, dass ich ihn noch viel öfter gehen lassen musste und es würde nie leicht sein.

  In der U-Bahn hörte ich wieder den neuen Song. Es gab einen Unterschied, zur Stimme, mit der er sprach und der mit der er sang, und dennoch lauschte ich ihr so gerne. Ich schickte ihm ein Bild von mir aus der U-Bahn und erhielt eines von ihm aus der Wartehalle des Flughafens zurück.

  Ich vermisste Kylan, dennoch war es hier leichter. Ebony, die Arbeit oder Liam lenkten mich ab und wie ich damals in Quebec schon sagte, unser Zeitfenster war größer.

  Ich stand gerade in der Küche, vor meinem Laptop und bereitete alles für unser Gruppenabendessen zu, während ich noch ein weiteres Buch versuchte zu korrigieren. Es war in den letzten Wochen so viel reingekommen, dass ich gar nicht mehr wusste, wo ich anfangen sollte, und so nahm ich Arbeit mit nach Hause.

  »Du sollst nur im Büro arbeiten«, schimpfte Ebony und trat neben mir in die Küche, klappte das Notebook zu und sah mich finster an.

  »Ich bekomme die Zeit bezahlt.«

  »Aber Tim kann ein Sklaventreiber sein. Überspann den Bogen nicht.«

  »Wir wissen beide, dass ich das Geld gebrauchen kann.« Ich reichte ihr einen Löffel um von der Soße zu Probieren. Wir wirkten oft wie ein altes Ehepaar und ich erinnerte mich daran, wie ich Kylan damals erzählte, dass ich niemals mit Ebony zusammenleben konnte, wegen ihrem sehr offenen Sexleben. Ich gab zu, da hatte ich mich getäuscht. Wir funktionierten sehr gut.

  »Ich hab da eine andere Lösung.« Sie knirschte die Zähne. »Die Soße ist spitze.«

  »Und warum siehst du aus, als würde es sieben Tage Regen geben?« Ich nahm den Löffel von ihr entgegen, wartete ab, was meine Freundin auf dem Herzen lag. Es konnte nichts Gutes sein, so wie sie mich ansah.

  »Wir haben doch noch mein altes Büro. Das könnte ich ebenfalls vermieten. Dann teilen wir die Miete durch drei und es wäre für alle billiger.«

  »Sag nicht, Tiffany. Die hat sich wohl gerade von ihrem Lover getrennt.« Eine gemeinsame Kollegin, die ihren Herzschmerz in voller Lautstärke durch das gesamte Büro trug. Täglich. Ich sprach sie mittlerweile gar nicht mehr an, weil ich die ganzen Dramen in ihrem Leben nicht aushielt. Dramaqueen beschrieb diese Frau treffend.

  »Schlimmer.«

  Was konnte schlimmer sein, wie Tiffany? Gebannt sah ich Ebony an.

  »Debby hat Wes vor die Tür gesetzt.«

  Nicht, dass es mich erstaunte. Verdient hatte er es. Aber dann sickerte die Bedeutung ihrer Worte durch.

  »Nein.«

  »Es ist nur übergangsweise. Er sucht sich eine neue Bude und dann suchen wir eine Mitbewohnerin.«

  »Kannst du Liam einmal etwas abschlagen? Oder hat er indirekt immer das Sagen?« Mir war klar, dass diese Idee nicht auf Ebonys Mist gewachsen war. Liam wohnte selbst in einer kleinen Wohngemeinschaft und da war kein Platz. Wes schlief dort wohl seit einer Weile auf der Couch, wie ich erfuhr, und daher kam Liam auf die glorreiche Idee ihn bei uns unterzubringen.

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