Lucky Dilemma

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  »Mia, rede mit mir.« Seine Stimme an der Tür riss mich aus der Starre.

  »Geh, Kylan. Verschwinde!« Der Name kam mir schwer über die Lippen. Hörte sich so falsch in meinen Ohren an. Mein Blick fiel auf das Foto, das Ebony mir schickte. Kylan Jennings, Sänger der australischen Rockband Lucky Dilemma zusammen mit der britischen Autorin Mia Hayes gesichtet. Bahnt sich da etwa eine neue Liebe an? Ich! Das waren Kyle und ich, in Montreal und das andere Mal in Quebec. Aus diesem Grund trug er die Kappe. Deswegen waren wir immer an Orten, an denen kaum Menschen waren. Damit ihn keiner erkannte und schon gar nicht mit mir zusammen sah. »Du hattest recht, Kylan. Ich könnte dich hassen. Aber gerade hasse ich nur mich.«

  Dass er mir nicht mal widersprach, sagte, dass Kylan nicht sein Name war, machte mir bewusst, er hatte mich angelogen. Von Anfang an.

  »Mein richtiger Name ist Kylan Jennings. Kyle ist mein Spitzname und der Name, mit dem ich reise« Er schien weiter an meiner Tür zu lehnen, mich nicht allein lassen zu wollen.

  »Willst du mir jetzt erzählen, du seist irgend so ein reicher Typ, der einen Decknamen zum Reisen braucht und sich als Farmer ausgibt?«

  »Musiker. Ich bin Sänger einer Band.«

  »Weißt du, mir wurde schon eine Menge Shit erzählt, aber das ist der Größte von allen. Kyle ist dein Deckname? Komm schon. Wie einfallslos ist das bitte?« Wie sollte ich ihm glauben?

  »Würdest du auf Bridget hören, wenn dich jemand so ruft? Sicher nicht. Es ist so naheliegend, das viele es gar nicht hinterfragen.« Er klang resigniert, aber er wusste nicht, wie verzweifelt ich war. Hin und her gerissen, ob ich diese Tür öffnen sollte oder nicht. Wie viel von dem, was zwischen uns passiert war, war eine Lüge?

  »Wie viel von dem was du erzählt hast, war noch gelogen, Kylan?« Ich sprach ihn bewusst mit diesem Namen an, um mir selbst zu verinnerlichen, dass er ein Lügner und mir gegenüber nicht ehrlich war. Und ich dumme Kuh dachte, dass das zwischen uns echt sei. Etwas Besonderes und es einen Weg für uns geben würde. Aber den gab es nie. Ich war das kurze Urlaubsabenteuer eines gelangweilten Musikers. Jemand, den man ebenso um den Finger wickelte. Langsam rutschte ich die Tür nach unten, umklammerte meine Beine fest mit meinen Armen, um das Zittern zu unterdrücken, das mich erfasste. Es war, wie Wes sagte: Ich war nicht der Mensch, mit dem man ehrlich zusammen sein wollte. Ich war niemand, den man seinen Eltern vorstellte, oder mit auf eine Firmenfeier nahm. Ich war ein Problem.

  »Ich habe dir gesagt, dass du mich hassen könntest, wenn du mich kennst.« Seine Stimme machte mir bewusst, dass er mit dem Rücken an der Tür saß, wie ich und sie das Einzige zwischen uns war. Seine Worte trafen mich erneut. Er hatte mich gewarnt. Er hatte mich mehr als einmal gewarnt und ich hatte ihm widersprochen. Ich dachte, es gäbe nichts, was mich so weit bringen würde, ihn zu hassen.

  »Also hättest du mich so lange angelogen, wie du hier gewesen wärst und dann? Was dann? Dir war doch klar, dass das hier nur ein Spiel sein kann.« Ich versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die sich einen Weg über mein Gesicht bahnten. Ich wollte nicht weinen.

  »Du bist kein Spiel. Das warst du auch nie. An jedem verdammten Abend habe ich überlegt, wie ich dir sagen kann, wer ich bin, ohne dass du mich auf das reduzierst, was alle tun. Ich wollte, dass du mich siehst und nicht, was all die anderen sehen.«

  »Fame und Geld«, seufzte ich. Er hatte es oft angedeutet. Das Haus, das er besaß. Das es gar nicht um die Familie ging. Seine Jungs, die er liebte, die für die Band standen. Musik. Warum er jeden Song sang und den Sänger von The 1975 beim Nachnamen nannte, als hätte er ihn schon getroffen. Er warnte mich zweimal, dass es eine Scheißidee war. Es gab so viele kleine Hinweise. Aber ich hinterfragte nichts von all dem. Wie naiv konnte man sein.

behind the curtainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt