Obwohl ich jetzt wusste, wer Kylan in Wahrheit war, packte er immer noch so mit an, als wäre diese kleine Tatsache nicht ans Licht gekommen und selbst Nolan übernahm ein paar Aufgaben. Er kümmerte sich um den Stall. So dass wir recht früh fertig waren. Da Thérèse für die nächsten Tage die Gäste in ein anderes Haus umsortiert hatte, gab es nicht sonderlich viel zu erledigen. Ich setzte mich auf einen der Verandastühle und sah hinaus in die Natur. Versuchte zu verarbeiten, mit wem ich da ausging. Ich hatte Ebony eine kurze Nachricht darüber gesendet, dass ich wahrhaftig diesen ominösen Musiker traf, und sie bestätigte mir, dass er der Kerl von Instagram war, der ihr über den Weg lief. Es verleitete mich dazu, durch seine Bilder zu scrollen. Das erste Mal, das ich ihn stalkte.
»Dann kann ich dir ja offiziell folgen.« Er lehnte sich von hinten über meine Schulter zu mir, sah auf den Bildschirm. »Wolle ich schon die ganze Zeit. Ich musste so vorsichtig sein, keines deiner Bilder aus Versehen zu liken.«
»Deswegen stalke ich nicht.« Ich drehte mich zu ihm herum. »Ich habe der Ex von Wes damals einen Like dagelassen.«
»Autsch.«
Ich zuckte die Schulter.
»Unsere Managerin will eine Stellungnahme veröffentlichen und fragt nach unserem aktuellen Status.« Er lehnte seinen Kopf gegen den meinen. »Hab ihr gesagt, sie soll es einfach lassen. Wir werden zu gegebener Zeit selbst auf diese Sachen reagieren.«
»Spätestens wenn wir uns offiziell folgen, wissen die Leute, was los ist.« Ich legte das Telefon zur Seite, genoss die Nähe und Wärme, die von ihm ausging.
»Wichtiger ist, dass wir es wissen.« Dann küsste er mich auf die Wange. »Ich hätte gerade sehr viel Lust nicht für diese Aufnahmen nach Perth zu fliegen.«
Deswegen würde er in wenigen Tagen abreisen. Die Aufnahmen für ein neue Album standen auf dem Plan.
»Du weißt, dass das nicht geht.«
»Das könnten bis zu drei Wochen werden, die ich kaum zu erreichen bin.« Er ließ sich in den Stuhl neben mir fallen, überschlug die Beine an den Knöcheln und sah hinaus in die grüne Landschaft. »Die Studioaufnahmen sind immer ziemlich anstrengend.«
»Es sind nur drei Wochen. Mein Dad war früher viel geschäftlich unterwegs und damals gab es noch keine Smartphones. Wenn es mal ein Münztelefon gab, dann rief er einmal die Woche für ein paar Minuten an und meine Eltern lieben sich heute noch, wie am ersten Tag.«
»Entweder, weil sie an der Entfernung gewachsen sind, oder weil sie sich durch die Entfernung nicht auf die Nerven gehen können.« Nolan trat vom Garten auf uns zu. »Nichts für ungut Mia.« Er setzte sich auf die Treppenstufen der kleinen Veranda.
»Nole ist der Zyniker von uns. Er glaubt noch weniger an das Gute im Menschen, wie ich«, erklärte Kylan sich für seinen Bruder. Es gab keinen Grund dafür, denn Nolan hatte recht. Es gab nur die beiden Wege.
»Nicht grundlos.« Er lehnte den Kopf in den Nacken.
»Was ist so schlimm, dass man den Glauben an das Gute verliert?«, fragte ich geradeheraus und sah dem jungen Mann auf der Treppe in seine großen blauen Augen. Sie waren heller, wie Kylans, hatten nicht diesen Schalk. Dieser sah fragend zu seinem Bruder.
»Ist deine Story, nicht meine.« Kylan lehnte sich weiter in seinem Stuhl zurück.
»Blake ist meine Tochter.«
Im Grunde hatte ich schon mit einer solchen Erklärung gerechnet.
»Lebt sie bei dir?«
»Bei uns«, seufzte er und deutete auf Kylan und dann wieder auf sich. »Ihre Mutter wollte Geld mit ihr erpressen. Sam hat sich darum gekümmert und jetzt lebt Blake bei mir. Nicht jede Frau meint es gut, mit Leuten wie uns.«
Fame und Geld. Da waren diese Worte wieder, und jetzt ergaben sie Sinn.
»Also hat sie dir Blake untergejubelt? Oder war sie geplant?«
»Ersteres.« Er sog die Luft scharf ein, als würde der Gedanke an diese Frau und ihr Handeln ihn schmerzen. Egal, wie sehr er seine Tochter liebte, wie sie in sein Leben trat, schien kein Märchen zu sein. »Sie meinte, sie verhüte, ich war jung und naive und habe ihr geglaubt. Sie hat es darauf angelegt.«
»Das tut mir leid.« Ich sah den Mann vor mir entschuldigend an. Dafür, dass ihm so etwas widerfuhr.
»Versteh, dass ich nicht sonderlich begeistert war, als Kyle von dir sprach.«
»Du hast von mir erzählt?«
»Kurz nach deinem ersten Tag. Ich habe Nole berichtet, dass ich in großen Schwierigkeiten bin.« Er griff nach meiner Hand, spielte mit meinen Fingern. »Denn dummerweise hast du mich vom ersten Moment an fasziniert.«
In diesen Dingen fehlte es ihm nie an Direktheit. Was er hier zu viel hatte, war bei mir eher spärlich besetzt. Was offensichtlich wurde, als meine Wangen sich rot färbten.
»Chad war sich sicher, du verlässt für sie die Band.« Nolan wendete sich ihm zu. »Wir haben Kyle noch nie so erlebt, musst du wissen.« Nun war es an ihm, rot zu werden.
»Danke, Bruderherz.«
Ich verschränkte meine Finger mit den seinen, drückte kurz seine Hand. »Erzählt mir von eurer Band. Woher kommt der Name? Wer und wie sind die anderen.«
»Schon mal was von Wikipedia gehört, Mia?«, lachte Nolan und ich schüttelte den Kopf.
»Sie stalkt nicht. Jedenfalls meistens.« Kylan spielte darauf an, dass ich mir eben sein Instagramprofil angesehen hatte.
»Den Namen haben wir von Eight Ball. Er war der Gründer der Band.« Nolan drehte sich zu mir, setzte sich in den Schneidersitz. Kylan schien zu verkrampfen. Den Namen hatte ich heute Morgen schon mal gehört.
»Eight Ball?«
»Kennst du diese kleinen Billiardkugeln, die du schütteln kannst und dann beantworten sie dir eine Frage?« Ich nickte.
»Er hatte immer eine dabei und deswegen nannte ihn jeder Eight Ball. Er hat Lucky Dilemma gegründet. Zusammen mit Chad und Leo.«
»Als er noch einen Gitarristen suchte, hat er sich erinnert, das Kylan immer in der Pause mit seiner Gitarre herumspielt und dann seinen magischen Ball gefragt und -Puff- Kyle war Mitglied von Lucky Dilemma. Ich kam kurz darauf dazu, aber auch nur, weil der magische Ball mich auserkoren hat.«
»Eine interessante Möglichkeit eine Band zu gründen.«
»Eine Schülerband. Wir waren vierzehn«, erläuterte Kylan. »Eight Ball machte allerdings den Fehler und fragte die Kugel, ob er jung sterben würde. Sie sagte ja. Er starb zwei Jahre später.«
Was sollte man darauf sagen? »Das tut mir leid.«
»Vorher hießen wir Lucky Five. Bevor Eight Ball starb, meinte er, das Lucky Dilemma ein besserer Name sei. Denn wir hatten einen Plattenvertrag angeboten bekommen, aber er würde es nicht mehr erleben.« Nolan sah auf die Holzplanken. Es waren dieselben dunklen Schatten, wie sie oft Kylans Blicke zierten. Sie erklärten mir, dass ein aggressiver Knochenkrebs bei ihm diagnostiziert wurde. Leider zu spät und so war man nicht mehr in der Lage ihm zu helfen. Sie gaben auf Wikipedia immer noch an, dass sie fünf waren, und hatten nie einen Ersatz für Eight Ball, der Jacob hieß, gesucht. Kylan spielte, wie sein Bruder Gitarre, wobei Nolan ebenfalls am Keyboard unterstützte, wenn es nötig war. Dies war der früher der Part von Eight Ball. Chad war der Drummer der Band und Leo der Bassist und der traurige Song, den ich zuerst von ihnen hörte, war Eight Ball gewidmet. Die meisten der Songs stammten von Nolan und Chad, was erklärte, warum Blake die vielen wechselnden Freundinnen von diesem kennenlernte.
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behind the curtain
Roman d'amour»Siebzehn Stunden Flugzeit, sieben Stunden Zeitunterschied, siebentausend Meilen« Eine Auszeit in Kanada, fern ab ihres Ex-Freundes Wes, um ihre Muse zu finden. Das klang bei einer Flasche Rotwein für die junge Autorin Mia Hayes noch wie ein guter P...