Sternenklar

472 37 16
                                    

  »Wow« entfuhr es mir, als ich hinauf zum Nachthimmel sah. Wieso waren so viele Sterne zu sehen? Wir lagen auf der Ladefläche von Nolans Truck, den Kylan sich dafür extra geliehen hatte.

  »Lichtverschmutzung. Davon habt ihr in der Großstadt einiges.«

  Ich nickte und sah hinauf, zu den Sternen. In London war man froh, ein paar am Nachthimmel erkennen zu können, wenn die Nächte klar waren. Hier sah ich Sterne, die ich sicher noch nie zu Gesicht bekam.

  »Der da hinten ist mein eigentlicher Heimatplanet«, scherzte Kylan und zog mich lachend in seinen Arm.

  »Tja, ich wusste schon immer, du siehst zu gut für ein Wesen von der Erde aus.«

  »Du kleine Schleimbacke.«

  »Dir gefällt das doch.« Ich küsste ihn kurz auf die Wange, ehe wir wieder gemeinsam hinauf zu den Sternen sahen. Ihm so nah zu sein, diesen hölzernen, herben Duft in der Nase. Nie würde ich davon genug bekommen. Meine Finger spielten mit seiner Kette. Die Kette, die mir in Kanada Gewissheit gab, das wir uns wiedersahen und er nicht für immer aus meinem Leben verschwand.

  »Mir gefällt das hier. Dich bei mir zu haben. Neben dir aufzuwachen und in dein verkrumpeltes verschlafenes Gesicht zu sehen.« Er griff nach meiner Hand, verschränkte seine Finger mit den meinen, ehe er mich ansah. »Wenn ich könnte, würde ich jeden einzelnen Menschen für dich hierherholen, damit du bleibst.«

  »Wes auch?«

  »Um ihn in der Wüste auszusetzen, vielleicht.« Wir beide lachten. »Er wohnt noch immer bei euch, oder?«

  Ich nickte. Ebony machte ihm keinen Druck und somit gab es für ihn auch keinen Grund schneller auszuziehen.

  »Ich hatte auch gehofft, dass er weg ist.«

  »Mir gefällt es nicht, dass er immer in deiner Nähe ist. Nicht, weil ich dir nicht vertraue. Aber ich traue ihm nicht.« Er schluckte, richtete den Blick auf unsere Finger. »Er könnte für dich da sein, wenn ich es nicht kann. Selbst wenn du es nicht willst.«

  Es wäre der Moment, ihm zu sagen, wie mich Olivias permanente Anwesenheit ebenso nervte, doch war es etwas anderes. Wes war mein Ex, Olivia die Tochter von Sam. Aber genau die gleichen Gedanken gingen mir mit ihr durch den Kopf. Selbst wenn Ebony mich daran erinnerte, mich nicht von einer Achtzehnjährigen einschüchtern zu lassen.

  »Mach dir keine Sorgen um Wes.« Ich hob sein Kinn leicht an, damit er wieder zu mir sah. »Mein Herz gehört dir. Egal wo du bist, egal wo ich bin.«

  »Das könnte ein neuer Song werden.« Sein sanftes Lächeln huschte über seine Lippen.

  »Inspiriere ich dich also so sehr?« Ich versank in seinen dunkelblauen Augen. Ich liebte die Tiefe und die Ruhe, die von ihnen ausgingen.

  »Du hast keine Ahnung wie sehr.«

  Ich wünschte, er hätte den gleichen Einfluss auf mich. Allerdings blieb meine Muse irgendwo an ihrem verdammten Strand sitzen und trank Mojitos ohne mich.

  »Geh mit auf Tour.« Die Bitte kam so unvermittelt, dass ich ihn mit großen Augen anstarrte.

  »Erstens, Chad würde ausflippen.«

  »Scheiß auf Chad.« Ehe ich noch etwas aufzählen konnte, versiegelte er meine Lippen mit einem Kuss. Ich schob ihn sanft kurz zurück. »Und ich habe Projekte.«

  Er seufzte schwer auf. Ließ sich dann auf den Rücken gleiten und sah hinauf zu den Sternen. »Ich schätze deine Unabhängigkeit genauso sehr, wie ich sie hasse.«

behind the curtainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt