Ein ganz normaler Morgen

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Tiefe Augenringe zierten mein Gesicht, als ich mich im Spiegel betrachtete. Die Nächte hier waren nie sonderlich lang. Meist kamen wir gegen Mitternacht aus dem Luc zurück und um das Frühstück vorzubereiten, war frühes Aufstehen angesagt. Doch diese Nacht war bei weitem kürzer, wie all die anderen. Meine Gedanken huschten erneut zu dem Moment, in dem ich die Tür aufriss, bereit mein Herz über die letzte Klippe zu werfen und Kyle vor mir stand. Das Herzklopfen, bei unserem kurzen unschuldigen Kuss vor der Hintertür kam mir fast lächerlich vor, wenn ich es mit dem Moment verglich, in dem er »drei«, sagte und mich küsste.

Mein Gesicht strahlte, obwohl ich müde war und es fast schon ein bisschen bereute, nicht schlafen zu wollen. Wir hatten bis in die frühen Morgenstunden geredet und ich war mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt geschlafen hatte, bis die Uhr an meinem Handgelenk vibrierte und verriet, das es Zeit war aufzustehen. Mein Kopf lag auf seiner Schulter, sein Arm sanft und beschützend um mich gelegt. Wie gern wäre ich liegen geblieben. Sollten die Gäste sich ihr Frühstück doch selbst machen. Es war nun mal meine Aufgabe und so erhob ich mich schweren Herzens, warf einen letzten Blick zu Kyle, der friedlich schlief. Nichts von den dunklen Schatten war zu erkennen, die sonst ein Teil von ihm waren. Mein Herz hoffte, das es nicht brechen würde und es eine Lösung gab. Keiner von uns wusste, wie diese aussehen würde. Selbst wenn kitschige Liebesgeschichten sonst nicht mein Ding waren, versprach ich ihm, es nicht kaputt zu denken. Darauf zu vertrauen, dass das, was sich zwischen uns entwickelte stark genug war, letztlich diese eine Entscheidung zu fällen. Einer würde sein bisheriges Leben für den anderen hinter sich lassen. Nicht heute, nicht jetzt. Aber es würde so kommen.

First Things first, daher bereitete ich erst einmal einen Kaffee für mich zu, ehe ich mich den üblichen Aufgaben zugewendete. Das Radio spielte sanfte Musik, bei der ich Gefahr lief, vor dem Herd einzuschlafen. Keine gute Idee, wenn ich das Haus nicht abfackeln wollte. Erst Müsli, Obstsalat, Eier und Speck, dann die Pancakes. So wie immer. Die eiserne Routine war es, die mich durch diesen Morgen brachte.

»Ich liebe diesen Geruch.« Seine Worte an meinem Ohr ließen mich leicht zusammenzucken. Dabei müsste ich längst daran gewöhnt sein, dass er hinter mir stand, wenn ich den ersten Pancake auf den Teller neben mir legte. »Guten Morgen, Prinzessin.« Es war ein kurzer unschuldig anmutender Kuss auf die Wange. »Hast du wenigstens ein bisschen geschlafen?«

Ich schüttelte den Kopf. »Dir auch einen Guten Morgen.« Ich wollte mich eben zu Kyle umdrehen, als mit lautem Poltern die Tür zur Küche aufging und Thérèse mit einem Korb voller frischem Obst und Gemüse in die Küche trat, sicher kam sie vom Bauernmarkt. Ein Grund, warum sie manch Mal in der Stadt schliefen und nicht hier.

Kyle eilte ihr zur Hilfe, ehe etwas davon womöglich auf dem Boden landen würde.

»Guten Morgen, ihr beiden«, flötete sie direkt. Unterdessen stellte ich ihr einen Kaffee auf die Anrichte »Gut, dass ich euch treffe. Das kommende Wochenende wäre geeignet für euren Ausflug nach Montreal.« Sie sah zu Kyle. Der einen Augenblick verharrte, ehe er leicht nickte.

»Aber wir bekommen neue Gäste?« Ich hatte die Buchungen mittlerweile fest im Blick und es wäre mir aufgefallen, wenn diese storniert hätten.

»Das sind alte Freunde von uns. Wir schaffen das schon, Kindchen. Deswegen ist es perfekt für euren Ausflug.« Ein weiterer Seitenblick zu Kyle.

»Dann schaue ich mal, dass ich alles so schnell geregelt bekomm.« Dieser klang etwas abwesend, schnappte sich ein Glas Orangensaft und verließ daraufhin die Küche. Ich schob es auf die kurze Nacht und daraus resultierende Müdigkeit. Kopfschüttelnd wendete ich mich wieder der Pfanne vor mir zu und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Thérèse den Inhalt der Kisten verstaute.

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