Du & Ich: WIR

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  Mein Kopf ruhte auf Kyles Schulter. Mir vorzustellen, dass die letzten Tage angebrochen waren, schmerzte. Sobald er in diesen Flieger stieg, würde sich alles verändern und erst dann sahen wir, ob aus einem Urlaubsflirt mehr werden konnte. Seine Finger malten kleine Kreise auf meinem Schulterblatt, während er mir gebannt zuhörte.

  »Das ist wirklich schlecht«, seufzte er.

  »Meinst du die Tatsache, dass du mit Chad eine Affäre hast? Oder dass eure Fans sich so etwas ausdenken?« Ich legte das Smartphone kurz zur Seite und sah ihn aus den Augenwinkeln an. Seine Augen waren geschlossen. Tief luftholend, wollte ansetzten pustete diese aber vorher doch lieber wieder aus. Er wusste, nicht was er dazu sagen sollte. Es war niedlich, dass er nicht mal einen Schimmer hatte, dass es über ihn und die Band Fanfictions gab. Gut, er hatte keine Ahnung, was Fanfictions waren, bis ich ihm davon erzählte.

  »Ich versuche noch, darüber hinwegzukommen, das Leo in der Letzten ein Mr. Grey war.« Er drehte den Kopf zu mir, betrachtete mich eingehend. Wissend, dass er mich leider schon bald nur über einen Bildschirm zu Gesicht bekam. »Ich hoffe du schreibst nicht auch so einen Kram über uns?«

  »Den Grey-Kram oder eine kitschige Liebesgeschichte?« Mit meinen Fingern fuhr ich die Kontur seines Kinns entlang, versuchte, mir ebenfalls alles von ihm einzuprägen. »Hast du dir beim Stalken denn keinen der Klappentexte durchgelesen?«

  »Mh, vielleicht«, gab er zu. »Ich lese nicht so gern.«

  »Hab ich gemerkt.«

  Er grinste frech. »Aber ich lasse sie mir gerne von dir Vorlesen.«

  Ich rollte die Augen, lehnte mich leicht vor und gab ihm einen kurzen Kuss auf die Wange, ehe ich mich wieder an seine Schulter lehnte. »Ich schreibe Dystopien, zwar gehört eine kleine Liebesgeschichte immer dazu, aber sie ist nicht Hauptbestandteil.«

  »Du hast also eine sehr düstere Seite an dir?« Er schien mit dem Begriff Dystopie etwas anzufangen. Da stiegen oft schon einige aus.

  »Komm mit mir.«

  Seine Worte rissen mich aus meinen Gedanken.

  »Was?«

  »Komm mit, nach York.«

  Ich vergrub meinen Kopf in seiner Armbeuge und seufzte schwer. Das hatten wir alles schon besprochen. »Du weißt, warum wir uns dagegen entschieden haben.« Es war nicht nur, weil ich dann bei ihm leben würde, sondern auch kohlemäßig nicht unabhängig war. Zudem kam hinzu, dass ich das Work and Travel Visa für Kanada bekommen hatte und dann auf einmal weiter nach Australien, ohne finanzielle Mittel, Urlaub? Das Risiko, dass das Visum abgelehnt wurde, war aktuell zu hoch. Wie gern wäre ich mitgekommen. Aber meine nicht mehr vorhandene Unabhängigkeit, stünde uns recht schnell im Weg.

  »Ich weiß, aber das bedeutet nicht, dass das Angebot zurückgezogen wird.« Er grinste, zog mich enger an sich heran. »Es ist einfach zu wenig Zeit.«

  Dem stimmte ich zu. War es je genug Zeit für uns?

  »Das wusstest du, bevor du mich um den Finger gewickelt hast.« Ich pikste ihn leicht in die Seite, was Kylan auflachen ließ.

  »Eine verdammt schlaue Freundin habe ich da.« Er zog mich mit Leichtigkeit auf sich, grinste dabei breit, ehe er mich küsste. Es gab dieses Zitat, das alle Zeit der Welt nicht genug sei. Es passte viel zu sehr. Zu wissen, den anderen in wenigen Tagen gehen zu lassen. Nicht sicher zu sein, wann man sich das nächste Mal sah, schmerzte jetzt schon derartig, dass ich die Tränen unterdrückte, die sich bei jedem seiner Küsse in meinen Augen sammelten. Erst jetzt realisierte ich seine Worte.

  »Freundin?« Ich hob den Kopf an, um ihn in seine dunkelblauen Augen zu sehen.

  »Wenn du das willst«, antwortete er und wirkte fast ein wenig schüchtern dabei. »Ich will dir die Sicherheit geben, das ich zu dir gehöre, voll und ganz. Auch wenn ich am anderen Ende der Welt bin.«

  Sanft strich ich ihm eine seiner dunkelblonden Locken aus dem Gesicht. »Ich gehöre ebenso voll und ganz zu dir.«

  »Wir schaffen das, Prinzessin.« Es war ein Versprechen, welches er mit seinen Lippen besiegelte. Keiner von uns ahnte, wie hart das alles werden würde. War je in der Situation, einen Menschen zu lieben, der so weit weg war. Doch wenn wir es nicht versuchten, wir würden es auf ewig bereuen.

behind the curtainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt