Lag es daran, dass wir seit meiner Ankunft viel Zeit miteinander verbrachten und es sich deswegen so normal anfühlte, immer in seiner Nähe zu sein? Wir räumten den Tisch vom Abendessen ab. Kyle unterhielt sich dabei mit der älteren Dame aus Deutschland, die zusammen mit ihrem Mann eine Rundreise unternahm. Sie zeigte mir Fotos von den Niagarafällen, ihrer Tochter, die ebenfalls Autorin war und ließ sich von Kyle nicht die Teller abnehmen, die sie unbedingt in die Küche bringen wollte. Wie konnte man solche Gäste nicht in sein Herz schließen. Sie erinnerten mich an meine eigenen Eltern und daran, wie gerne ich mit ihnen zu Abend essen würde.
»Sie sind hier Gast«, versuchte Kyle es erneut, was dem Mann ein Lachen entlockte.
»Keine Chance Kyle, es ist doch okay.« Ich hielt ihr die Tür auf und sie schlüpfte grinsend an mir vorbei in die Küche.
»Sie sind ein wahrer Schatz.« Mrs. Petersen stellte die Teller neben die Spüle.
»Danke.« Ich schenkte ihr ein Lächeln. Wenn es ihr eine Freude war, mir zu helfen, würde ich sie lassen.
Obwohl sie nur schlechtes Englisch sprach, gab sie sich so viel Mühe, dass es ein Vergnügen war, mit ihr zu reden.
»Spülen Sie mit der Hand?« Sie sah sich um.
Ich schüttelte den Kopf und öffnete die Spülmaschine, wobei sie fast schon die Hände über den Kopf zusammenschlug.
»Kindchen, so geht das doch nicht«, meinte sie auf Deutsch und ich verstand nicht, was es bedeutete, bis sie die Maschine ausräumte.
Kyle trug derweil die letzten Schalen herein und sah erst fragend zu Mrs. Petersen, dann zu mir. Ich zuckte die Schultern.
»Ich zeige euch mal, wie das geht.« Wieder verstand ich kein Wort, nickte nur. Dann war mir klar, was sie meinte. Sie räumte die Maschine neu ein. Besser, wie Kyle und ich zuvor.
»Danke schön.«
»Du kannst noch was von ihr lernen«, scherzte Kyle und reichte ihr die nächsten Schalen und Teller.
»Du ebenfalls.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete die beiden dabei.
Mrs. Petersen erzählte von ihren zwei Kindern, die ebenso nicht in der Lage waren, eine Spülmaschine einzuräumen, und zwinkerte dann Kyle zu. Er war so entspannt, neben der älteren Dame, ein ganz anderer Mensch, wie der Kyle, der sich in der Bar einen Drink genehmigte. Ob er sich bei seiner Mutter auch so verhielt?
»Mag Ihr Mann Whiskey?«, fragte er langsam und Mrs. Petersen nickte. »Mach uns doch mal einen Drink am Kamin, Mia. Ich glaube wir werden heute Abend unseren Gästen noch ein wenig länger Gesellschaft leisten.«
Kurz darauf betrat ich das Wohnzimmer und sah, wie Mr. Petersen neues Holz auflegte. Ich stellte die Gläser ab und deutete ihnen an, sich zu setzten. Thérèse sprach besser Deutsch, wie wir vermuteten und übersetzte geschickt für uns.
Kyle setzte sich mit etwas Abstand neben mich. Gemeinsam stießen wir mit einem Ardbeg an, den Armand scheinbar genauso gerne trank, wie Kyle.
Es dauerte nicht lange, bis ein recht simples Kartenspiel auf dem Tisch lag, für das es keinerlei große Sprachkenntnisse brauchte.
»Wenn mir jemand erzählt hätte, ich würde auf dieser Reise mit fremden Karten spielen, ich hätte es nicht geglaubt.« Lachte ich und legte eine der bunten Spielkarten auf den Stapel. Ziel war es, die niedrigste Summe vor sich zu haben und es sah verdammt schlecht für mich aus.
»Mein letzter Spieleabend ist eine gefühlte Ewigkeit her.« Kyle kratzte sich am Kopf, überlegte, was er mit seiner Karte tun sollte. »Leo ist ein guter Kartenspieler. Aber keiner von uns spielt mit ihm.«
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behind the curtain
Romance»Siebzehn Stunden Flugzeit, sieben Stunden Zeitunterschied, siebentausend Meilen« Eine Auszeit in Kanada, fern ab ihres Ex-Freundes Wes, um ihre Muse zu finden. Das klang bei einer Flasche Rotwein für die junge Autorin Mia Hayes noch wie ein guter P...