Auf die Auszeiten

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  Wie abgemacht wartete ich eine Stunde später in die schwarze Jacke gehüllt auf Kyle. Sie saß perfekt und ehrlichweise musste ich zugeben, dass sie nicht nur bequem, sondern auch schick war. Das Logo des Chalets zierte die Brust. Sicher war ich nicht die erste, der eine warme Jacke fehlte.

  Unschlüssig schaute ich auf mein Telefon, war mir nicht sicher, ob ich bei Kyle klopfen, oder auf ihn warten sollte. Ich trat etwas näher an seine Tür, hörte, das er mit jemanden sprach. Wenn wir jetzt drei Uhr mittags hatten, dann war bei ihm ... Ich zählte es an den Fingern ab, als seine Tür aufging und er hinauskam.

  »Ich wollte dich nicht stören« ertappt, trat ich einen Schritt zurück. Wes hatte es gehasst, wenn ich bei seinen Gesprächen auch nur in die Nähe kam. Dass er damals bereits mit seiner neuen Freundin telefonierte, wäre mir nie in den Sinn gekommen.

  »Wäre ein schöner Grund gewesen, dieses Telefonat zu beenden, Prinzessin.« Er legte seinen Arm um meine Schultern und zog mich mit sich. Wurde man in Australien mit einem derartig überschäumenden Selbstbewusstsein geboren? Oder war er sich bewusst, dass er sich nicht verstecken brauchte? Vielleicht war es auch seine Art, das Eis zwischen uns zu brechen.

  »Ist es nicht ein bisschen spät für einen Anruf aus der Heimat?« Ich sah ihn von der Seite an, während wir durch einen Seiteneingang den Anbau verließen und kurz darauf auf einer Außenterrasse standen.

»Bist du nicht ein bisschen zu neugierig?« Das Lächeln auf seinen Lippen zeigte, das er es mit Humor auffasste. »Also das da hinten ist der Sankt Lorenz Strom, komm mit deinen dünnen Ärmchen ja nicht auf die Idee da alleine paddeln zu wollen. Die Strömung sollte man nicht unterschätzen.« Damit waren wir wieder bei unserem Rundgang angekommen. Er zeigte mir das Bootshaus, ohne einen weiteren gemeinen Spruch. Dann die Stallung. Ein kleiner Stall mit vier Pferden darin und einem Husky, der mir freudig entgegen hüpfte.

  »Komm Pearl, nicht umwerfen.« Er klopfte auf seinen Oberschenkel und Pearl trat direkt neben ihn.

  »Wie lange bist du schon hier?« Er wirkte so vertraut mit allem. Nicht nur Pearl. Er war sicher schon länger, wie ein paar Tage hier.

  »Letztes Jahr war ich zwei Monate hier. Dieses Jahr will ich ein bisschen länger bleiben. Mal sehen, wie lange es klappt.« das beantwortete nicht ganz meine Frage, aber der Ton seiner Stimme machte deutlich, dass er nicht darüber sprach.

  Ich nickte und ließ mir erklären, was unsere Aufgaben waren. Ob ich morgen noch etwas von dem wusste, was ich zu tun hatte? Es blieb zu hoffen, dass Kyle mir half, wenn es hakte. Sonst wäre ich bei all den Aufgaben aufgeschmissen. Das ich nicht hier war, um zu entspannen, war mir bewusst. Aber die Menge an Aufgaben, die wir eigenverantwortlich erledigen mussten, war auf den ersten Blick erschreckend.

  Während des Abendessens herrschte ein angeregtes Gespräch, allerdings auf Französisch und so war ich nicht in der Lage diesem zu folgen. Es gab mir die Möglichkeit, den Tag in meinem Kopf zu sortieren, und ehrlicherweise war ich bereits total erschöpft. Da mir längst die Augen zufielen, hatte ich keine Ahnung, wie ich es später zu diesem Luc schaffen würde. Im Flieger war kaum an Schlaf zu denken und ich war schon zu lange auf den Beinen. Den müden Blick konnte ich daher nicht mehr verbergen, als Kyle und ich den Tisch abräumten.

  Ich versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken. Was gar nicht so einfach war und Kyle ein Lachen entlockte. Sicher, weil ich dabei eine merkwürdige Fratze schnitt.

  »Keine Ausreden, Prinzessin«, meinte dieser nur und stellte das Geschirr in den Spüler.

  Ich war gar nicht in der Lage zu protestieren, warf mir kurz darauf den schwarzen Parker über und folgte ihm hinaus in die Kälte, um wenig später in einer Bar zu sitzen, die Luc hieß. Sicher nach dem Besitzer benannt. Bar konnte man kaum sagen. Es war eine ausgebaute Scheune im Chalet-Viertel. Es war recht klein. Ein Tresen, und sieben Tische, die fast alle besetzt waren. Es gab noch drei große Weinfässer, die als Stehtische genutzt wurden. Genau so stellte man ich eine Scheunenbar auf dem Land vor. In dem Punkt wurde das Klischee bedient.

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