[Kapitel werden aufgrund der Länge in a und b aufgeteilt]
Dicht an die Hauswand gedrückt pirschte er sich an die Kreuzung an. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen lugte er um die Ecke. Er fühlte das Pochen seiner schnellen Herzschläge im Hals und hörte sein eigenes Schlucken unnatürlich laut.
Acht Soldaten marschierten durch die Gasse, pochten an Türen und befragten die Mägde. Die meisten sahen in andere Richtungen, doch eine junge Frau zeigte genau zu ihm und drei der bewaffneten Männer setzten sich in Bewegung. Hastig zog Taris seinen Kopf zurück.
»Was ist los?«, fragte Leddan, ein Straßenjunge, der ihn vor den Palastmauern aufgeklaubt hatte und im Dienst seiner Mutter, der Königin, stand. Oder besser gesagt – gerettet. Drei Soldaten seines Vater waren gerade dabei gewesen, ihn mit Fragen zu durchlöchern und ihn an seinen Stand (der in ihren Augen nicht der eines Prinzen war) zu erinnern. Seine Verkleidung hatte es den Männern aber auch wirklich schwer gemacht, ihn zu erkennen: Die schwarzen Flecken auf Hemd und Hosen ließen ihn wie einen Schmiedejungen aussehen, der mehr als einen zu viel getrunken und sich im Abwasserkanal gewälzt hatte. Seine Haare standen vom Dreck und das erdig-lehmige Gemisch spannte auf seiner Haut. Noch bevor ihm eine plausible Antwort eingefallen war, hatte ihn ein Junge auf die Beine gezerrt und ausgeschimpft, weil er sich angeblich wieder betrunken hatte und am Morgen nicht zur Arbeit erschienen war – Leddan.
»Mindestens acht Soldaten«, flüsterte Taris »Drei davon sind auf dem Weg zu uns«.
»Bei Nabúr«, stöhnte der Junge. »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit!«
»Diebin!«, hallte es durch die Gassen und ein Lächeln huschte über ihre Gesichter. In der Sonnenstadt wurde das stehlende Gesinde nicht gern gesehen – die perfekte Ablenkung also.
Sie lugten um die Ecke und wie erwartet blickten alle Soldaten in die entgegengesetzte Richtung, tiefer in die Gasse hinein, um den Ursprung des Ausrufes auszumachen. Taris brauchte keine Aufforderung von Leddan, um loszulaufen. Während er die Kreuzung überquerte, tauchte der rote Haarschopf eines Mädchens auf, das mehrere Äpfel an sich drückte.
»Den Rest des Weges können wir laufen«, erklärte ihm der Junge mit einem triumphierenden Lächeln. »Sollte uns jemand aufhalten, haben wir die Diebin verfolgt.« Er klopfte Taris auf die Schulter und rannte weiter in Richtung des westlichen Stadttores.
Seine Mutter hatte für alles gesorgt: die passende Kleidung, einen Jungen, der ihn durch die Stadt begleitete und einen Strohwagen, der ihn aus der Stadt hinausbringen würde. Damit seine Mission gelingen konnte, musste er allerdings vor dem Ende der Marktstunden die Sonnenstadt verlassen. Spätestens dann würde sein Vater misstrauisch werden. So hatte der ursprüngliche Plan gelautet.
Früher als gehofft hatten sie eine Stimme durch die Gassen hallen hören, die für das sofortige Auffinden des Prinzen ein Abendessen im Palast und eine finanzielle Belohnung versprach. Seither liefen sie kreuz und quer und versuchten, sich vor den patrouillierenden Soldaten zu verstecken. Bislang mit Erfolg, dank der Rothaarigen.
Der Apfeldiebstahl ermöglichte es ihnen, in Windeseile an ihr Ziel zu kommen. Am Platz vor dem Westtor blieben sie stehen. Leddan drückte die Hand des Prinzen. »Sieh zu, dass du erfüllst, wofür deine Mutter all die Mühen auf sich nimmt. Ich wünsche dir viel Glück!«
Noch bevor er etwas erwidern konnte, verschwand der Junge hinter der nächsten Hausmauer. Taris blickte ihm noch einen Moment nach, bevor er sich umdrehte und über den hellgrau gepflasterten Platz blickte. Ein paar Vögel badeten im Brunnen, dessen Plätschern die Unterhaltung der Soldaten am Tor überdeckte. Wussten sie bereits von seinem Verschwinden? Würden sie ihn erkennen und aufhalten?
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Taris - Die Magie der Artefakte
FantasyWofür würdest du dich entscheiden, wenn das Schicksal des Kontinents mit in deinen Händen läge? Für eine Geheimmission voller Gefahren, um die Pläne des Feindes zu vereiteln? Oder für den Thron des mächtigsten Königreiches? Vor dieser Wahl steht der...