Loira
Sie spürte, wie er erstarrte. Im Kopf zählte sie mit, wie lange er brauchte, um wieder Luft zu holen. Bei fünf angelangt beschoss sie: zu lange!
Loira verlagerte ihr Gewicht. Ihr Herz raste, aber das Wirrwarr an Gefühlen in ihrem Inneren schnürte ihr die Brust zusammen. Vielleicht hätte ich ihn doch küssen sollen.
Im Grunde sprach nichts dagegen. Er beschützte Nabúr mit seinem Leben, hatte sie selbst mit gefesselter Magie aus den Fängen des Feysirs geholt und stand zu seinem Wort. Dass er gut aussehend, groß und einer der Feuerprinzen war, war für sie höchstens eine angenehme Nebensächlichkeit. Und noch dazu ein Nachfahre der ausgerottet geglaubten Merá und der amtierende Wächter der Artefakte – auch wenn er letzteres noch bestritt.
Aber ...
Sie hatte sich als Kind etwas geschworen ...
Keiner der beiden bewegte sich. »Es tut mir leid«, flüsterte sie schließlich. »Ich kann nicht.« Er stand immer noch wie zu einer Eisskulptur erstarrt da. Passend, wenn sie bedachte, dass sie die Hitze in ihm wohl innerhalb eines Atemzugs vereist hatte.
Hat er überhaupt schon geatmet?
Sie ließ sich auf ihre Fersen zurücksinken, um ihm in die Augen sehen zu können. Dabei glitt seine Hand aus ihrem Nacken und hinterließ das nagende Gefühl, dass dort etwas fehlte. Ein schmerzender Ausdruck lag in seinen Zügen und sein Blick fragte sie die eine Frage, die er nicht aussprach: Warum?
Loira legte ihre Hände wieder auf seinen Brustkorb. Erleichtert stellte sie fest, dass er nicht zurückwich.
Er lässt mir die Zeit, die ich brauche. Ich könnte gehen und einfach davonlaufen, als wäre nichts gewesen. Aber es war nicht nichts gewesen. Zumindest nicht für sie. Und seine Reaktion ließ sie hoffen, dass es ihm ebenso ging. Dabei stellte sich nur eine Frage: Würde er warten?
Loira nahm all ihren Mut zusammen und fing seinen Blick mit ihrem ein.
»Noch nicht.«
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Taris - Die Magie der Artefakte
FantasiaWofür würdest du dich entscheiden, wenn das Schicksal des Kontinents mit in deinen Händen läge? Für eine Geheimmission voller Gefahren, um die Pläne des Feindes zu vereiteln? Oder für den Thron des mächtigsten Königreiches? Vor dieser Wahl steht der...