Kapitel 32a

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[Kapitel werden aufgrund der Länge in a und b aufgeteilt]


Obwohl Taris sich auf die Zeremonie konzentrieren sollte, lenkte ihn das Plätschern des nahen Baches ab. Das Murmeln des Wassers trug seine Gedanken fort ins Reich der Merá. Zum Ílean, den gefochtenen Kämpfen, dem Wahnsinn des Feysirs, ihrem partiellen Sieg und seinen Freunden. Vor allem aber an die kurze Zeit mit der Wächterin der Artefakte, die ihm ihre Macht übertragen hatte.

Zum Glück war das silbern leuchtende Symbol der Merá mit der Zeit auf seiner Stirn verblasst. Genau genommen an dem Tag, als er seinen Vater als letzten der herrschenden Magier über die Geschehnisse im verschollenen Königreich aufgeklärt hatte.

Die neue Magie pulsierte in seinem Körper und gab ihm manchmal das Gefühl, als würde sie hervorbrechen wollen. Immer wieder bäumte sich eine gefrierende Kälte in ihm auf, als wolle sie diese neue Macht vertreiben. Das Adhenoj. Es erinnerte ihn daran, dass er noch viel meistern musste, bevor er dem Titel des amtierenden Wächters der Artefakte gerecht werden konnte.

Aber nicht jetzt, rief Taris sich ins Gedächtnis und richtete seinen Fokus wieder auf das Geschehen vor ihm: Die Krönungszeremonie am Rande des bewaldeten Teils der Palastgärten. Nur ein paar Nadelbäume weiter hatte er als Kind die Soldaten seines Vaters zum Narren gehalten und sich in den Wipfeln der Bäume versteckt. Heute leuchteten die Nadeln der Bäume im goldenen Herbstlicht, als wollte die Natur selbst den neuen König mit den prächtigsten Farben schmücken.

Die Königskinder standen, dem Alter nach aufgefädelt, neben den Thronen ihrer Eltern. Verziert mit Goldstickereien und Blumen sahen sie genauso aus, wie es die Tradition einer Sol'schen Krönung verlangte. Ebenso wie die kleine Holzbühne, auf die man über fünf Stufen gelangte.

Den Platz zwischen ihnen und dem Palast füllten hunderte, politisch hochrangige, Gäste aus den Königreichen Nabúrs. Sie alle waren gekommen, um der Krönung beizuwohnen. Taris hatte sich zwar aufgrund der ungeklärten Lage mit dem Feysir gegen so eine große Versammlung ausgesprochen. Noch dazu einer höchst offiziellen. Aber niemand hatte auf ihn hören wollen.

Für einen Moment huschte Taris' Aufmerksamkeit wieder zum engsten Berater seines Vaters, der neben den zusammengefassten Vorkommnissen der letzten Mondläufe auch eine wahre Lobrede ablas. Von den mit Bravour bestandenen Prüfungen und ersten Neuerungen, die das Königreich Sol bald umstrukturieren würden.

Nur schwer konnte sich der Feuerprinz ein Seufzen verkneifen. Seit dem Kampf mit dem Feysir hatte sich der Mond zwei Mal in seinem vollen Kleid gezeigt. Er erhielt regelmäßig Briefe von seinen Freunden, die ihn über das Wetter, Sichtungen von Schlangenkriegern und eigenartigen Vorkommnissen am Laufenden hielten. Vom dunklen Magier fehlte – hoffentlich zum Glück – nach wie vor jede Spur.

Über die Briefe einer gewissen Prinzessin aus dem Hause Iccórda freute er sich jedes Mal besonders. Es vergingen keine zehn Tage, in denen sie sich nicht gegenseitig schrieben.

Ihr Vater hatte sie nach den Berichten über die Gefangennahme durch den dunklen Magier regelrecht eingesperrt. Er wollte sie nicht einmal in ihren Gärten innerhalb der Palastmauern spazieren lassen, aus Sorge, ein Sturm könnte sie verschlucken. Zum Glück hatte er bald eingesehen, dass er den Freigeist seiner Familie nicht einsperren konnte. Nicht, nachdem ihre Verletzungen wieder vollständig auskuriert waren.

Nun saß sie unter den Gästen der Krönungszeremonie. Loira.

Ein warmes Gefühl machte sich in seiner Brust breit, als er sie genauer musterte. Der obere Teil ihrer Haare steckte in einer komplizierten Flechtfrisur mit Ranken aus feinen Blättern, während sie vom Hinterkopf weg ungebändigt über ihre Schultern flossen. In ihrem grünen mit Silberstickerei und Perlen besetzten Kleid sah sie einfach nur umwerfend aus.

Taris - Die Magie der ArtefakteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt