Kapitel 13b

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[Kapitel werden aufgrund der Länge in a und b aufgeteilt]

Taris weihte ihn in seine Gedanken ein: »Wir wissen nicht, wie lange der Feysir schon im Hintergrund seine Fäden zieht. Gut möglich, dass er den Raub der Artefakte über Jahre oder Jahrzehnte plante. Mir wäre zwar nicht zu Ohren gekommen, dass Baumaterialien auf den Handelswegen abhanden gekommen wären, aber möglich ist alles. Die Tatsache, dass er mit der Dunkelheit im Bunde ist, dürfen wir nicht außer Acht lassen. Wie sonst könnten seine Schergen mit Blitzen reisen?« Der Feuerprinz nippte an seinem Becher und lehnte sich gegen die Wand. Dabei drehte er die Hüfte ein Stück und zuckte mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen. Die Wärme des Tees aber legte sich wie eine schützende Salbe über die pochende Stelle. Der Schmerz verblasste zwar nur langsam, aber schneller als zuletzt.

»Du weißt ganz schön viel für einen Prinzen, dessen Vater noch auf dem Thron sitzt«, bemerkte Marel. »Oder musstest du die Aufzeichnungen der Handelsrouten zur Strafe studieren, weil du etwas ausgefressen hattest?«

Taris lachte auf. »Nein, zum Glück nicht. Ich zerbreche mir nur schon seit Stunden den Kopf darüber, wie wir an den Feysir kommen sollen, nachdem wir das Nebelmeer durchquert haben. Selbst wenn wir ihn schnell finden sollten, wird er zumindest ein paar seiner Krieger bei sich haben und wir brauchen einen Plan. Bislang habe ich nur zwei Ideen: Fugro, meinen Feuerling - sollte er zu mir kommen, sobald das Adhenoj verblasst ist.«

»Du kannst mit dem Feuervogel kommunizieren?«, unterbrach ihn Marel mit großen Augen.

Taris nickte. »Seit ich ihn im Sturm vorm Tempel des Artefakts gerettet habe, ist er wie ein offenes Buch für mich. Er könnte das Lager auskundschaften und uns im besten Fall verraten, wo die Magier gefangen gehalten werden. Mit ihrer Hilfe könnten wir den Feysir überwältigen - sollten sie noch Leben und dazu in der Lage sein.«

Marel wurde beim letzten Satz ein wenig blass um die Nase. Als er wieder sprach, klang seine Stimme rau: »Was ist deine zweite Idee?«

»Wir überfallen ein paar Soldaten, stehlen ihre Kleider und schummeln uns so ins Lager. Keine der beiden gefällt mir besonders gut, ich bin also für weitere Vorschläge offen.« Der Feuerprinz trank einen kräftigen Schluck Kräutertee und genoss die dadurch abklingenden Schmerzen.

»Ich hätte da noch eine«, meinte der Holzfäller. »Asideya hat mir heute beim Bau der Betten für die Söhne geholfen und dabei ein wenig von ihrem Leben in Terian verraten.« Taris zog eine Augenbraue hoch. Die Südländerin zog es normalerweise vor, sich in Schweigen zu hüllen. »Ich bewunderte ihre körperliche Kraft, wo sie doch so zierlich scheint - aber sie hebt einen großen Balken ganz allein! Daraufhin erzählte sie, dass sie im Hof des Königs arbeitet und in erster Linie Spionageaufträge durchführt. Dabei klettert sie viel auf Gebäude oder Bäume, nimmt verschiedenste Verkleidungen und Rollen an, bei denen man auch körperlich fit sein muss. Da sich ihre Eltern das Essen für sie und ihre Geschwister nicht hatten leisten können, hat sie schon früh gelernt, sich lautlos zu bewegen.«

»Ich vermute einmal, um Essen oder Geld zu stehlen?«

»Vermutlich beides«, sagte Marel, leerte seinen Becher in einem Zug und stellte ihn auf das kleine Brett. »Hätte nicht gedacht, dass dieser Tee solch eine Wirkung hat. Der Finger, der meinem Hammer vorher im Weg war, tut gar nicht mehr weh.« Der Holzfäller wackelte zufrieden mit dem Daumen. »Wäre doch gut, wenn uns die Kräuterkundige ein wenig davon mit auf den Weg geben könnte. Fynnlor und Hedlor stellen sich gar nicht mal so schlecht beim Ausbessern des Daches an und Raki kennt sich dank Loira mit Pflanzen ganz gut aus. Gut möglich, dass sie auf ein Tauschgeschäft einsteigt. Ich werde sie noch heute danach fragen.« Mit diesen Worten erhob er sich und wirkte neben dem sitzenden Taris wie ein Riese. »Du siehst müde aus. Versuch noch ein wenig zu schlafen. Übermorgen brechen wir wieder auf und bis dahin solltest du wieder bei Kräften und einsatzbereit sein.« Er nickte dem Prinzen zu und verließ den Raum.

Fynnlor und Hedlor arbeiten zusammen. Was für eine Überraschung. Taris legte sich wieder auf seinen Strohpolster und schloss die Augen. Das Pochen seiner geprellten Hüfte war dank des Tees beinahe vollkommen verblasst.

Mit Asideyas Vergangenheit stiegen ihre Chancen. Vielleicht eröffneten ihnen die anderen auch noch geheime Talente. Dann könnten sie selbst ohne Magie eine Bedrohung für den Feysir darstellen, wenn auch nur eine kleine. Kleinigkeiten unterschätzt man gerne. Das könnten wir zu unserem Vorteil nutzen.

Trotz der Tage, die sie vom Vollmond trennten, war der Hauptplatz des Dorfes hell erleuchtet. Vereinzelt huschten Rehe und Hasen vorbei, während sich die anderen Tiere im sicheren Schatten des Waldes verbargen.

Taris hielt das erste Mal seit ihrem Aufbruch Wache. Mit dem Kräutertee der Heilerin waren sowohl seine Nase als auch die Hüfte schneller als normal verheilt. Anfangs hatte er in jeder Bewegung einen Krieger des Feysirs gesehen und zu seinem Schwert gegriffen. Nach dem fünften Krieger, der sich als Reh offenbart hatte, raste sein Herz nicht mehr sofort los, wenn sich etwas bewegte. Was seine Wachsamkeit allerdings nicht dämpfte.

Wieder regte sich etwas in den Schatten der Häuser am südlichen Ende des Marktplatzes und der Feuerprinz kniff automatisch die Augen zusammen. Das sind aber nicht die Betrunkenen, von denen Fynnlor erzählt hat, stellte er in Gedanken fest. Rehe auch nicht.

Mehrere in Reisemäntel gehüllte Gestalten lösten sich aus den Schatten und traten auf den hell beschienenen Platz. Taris sog scharf Luft ein. Auf der Höhe ihrer Herzen prangten zwei ineinander verschlungene Schlangen. Der vorderste reckte den Kopf in die Höhe, als würde er in der Luft schnüffeln. Er glich dabei einem Jagdhund, der eine Fährte verfolgte. Mit einer knappen Handbewegung deutete er auf das Haus des Pferdehirten. Woher wussten sie, in welchem Haus sie ihn finden würden? War es vielleicht jener Anführer, der das Lager der Magier überfallen hatte und ihre Gruppe daher kannte?

Taris verlor keine Zeit. Mit den knappen Worten: »Sie kommen«, weckte er die Anderen, bevor er, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, nach oben schlich und an Asideyas Tür klopfte. Dabei hielt er sich an Marels Angabe, die oberste Stufe weit zu übersteigen, da sie laut knarrte. Die Südländerin öffnete ihm in vollständiger Kampfmontur und nickte nur auf seine zwei Worte. Sie versammelten sich in der Küche und starrten hinaus auf den Platz. Zu siebent standen die Schlangenkrieger dort und schienen, über etwas zu diskutieren.

»Sollen wir einfach hinausstürmen?«, flüsterte Hedlor. »Sie gehen vermutlich davon aus, dass wir seelenruhig in unseren Betten liegen. Immerhin sind sie es, die uns überraschen wollen – warum sollten sie glauben, dass ihre Opfer das Gleiche vorhaben?« Asideya schüttelte heftig den Kopf und Marel brummte etwas Unverständliches, das seinen Plan nicht unterstützte. »War ja nur ein Vorschlag«, murmelte der Nordmann und zuckte mit den Schultern.

»Sie müssen irgendeine Kampfausbildung vom Feysir oder seinen Handlangern erhalten haben«, sagte Taris. »Wie wir schon im Lager der Magier gesehen haben, gibt es auch eine gewisse Rangordnung und die hängt vermutlich auch mit der Gabe des taktischen Denkens zusammen. Ein guter Kriegsführer denk nicht nur für sich selbst, sondern versetzt sich auch in den Gegner hinein, um dessen Schritte vorauszuahnen.«

»Da hat ja wer im Unterricht sehr gut aufgepasst«, stellte Hedlor trocken fest.

Taris überging seinen Kommentar. »Sie wären sehr unvorsichtig, wenn sie tatsächlich glauben würden, dass wir ruhig schliefen. Meine Frage ist nur: Welchen Ausgang nehmen wir?«

Kurz später standen sie in den angrenzenden Ställen und schlichen sich an den Pferden vorbei, die mit wachsam beäugten. Eines stupste Taris im Vorbeigehen mit den Nüstern an und er nahm sich die Zeit, seine Mähne zu kraulen und ein paar beruhigende Worte zu flüstern, bevor er den anderen zum kleineren der beiden Tore folgte.

»Hoffentlich habe ich es gut genug geölt«, murmelte Fynnlor, während sich die anderen kampfbereit aufstellten, um etwaige Schlangenkrieger sofort angreifen zu können. Aber das Tor schwang lautlos auf und sie blickten auf eine leere Straße.

Im Schatten des Hauses schlichen sie mit gezogenen Waffen zum Hauptplatz vor. Taris lugte um die Hausecke. Die Eindringlinge standen immer noch dort. Er nickte seinen Gefährten zum Zeichen des Angriffes zu, als ohrenbetäubendes Geschrei die Nacht durchbrach.

Taris - Die Magie der ArtefakteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt