Kapitel 29b

10 1 0
                                    

[Kapitel werden aufgrund der Länge in a und b aufgeteilt]


Da zischte ein Pfeil direkt an Taris' Kopf vorbei.

Er registrierte es kaum, seine ganze Aufmerksamkeit galt Loira. Nur am Rande bekam Taris mit, dass sich Marel als Schutzschild hinter ihm aufbaute. Alle seine Sinne konzentrierten sich darauf, auch nur das kleinste Lebenszeichen, die leiseste Regung ihres Körpers wahrzunehmen.

Mit jedem Atemzug, den er tat und sie nicht, kühlte sein Inneres weiter ab. Doch diesmal nicht aufgrund des Adhenojs. Er hatte das Gefühl, als zersplitterte etwas in seinem Inneren.

Dann war sie wieder da. Die Wut. Sie klopfte in seinem Inneren an, an die gefrorene Oberfläche des Sees.

Wut über den Feysir, der die Erdprinzessin gefangen genommen und als seine Quelle der Macht missbraucht hatte. Über die Sucher, die die Karte des Feindes ins Lager der Magier gebracht hatten. Über sich selbst, dass er das Adhenoj getrunken hatte. Über seinen Vater, der ihn durch seine Sturheit dazu gezwungen hatte.

Und zu guter Letzt auch Wut darüber, dass er seinem Vater nicht von Mann zu Mann die Stirn geboten und einfach ohne magische Hilfsmittel abgereist war. Er war doch kein kleines Kind mehr! Trotzdem war er wie eines geflohen und hatte den offenen Konflikt gescheut, anstatt für seine Überzeugungen einzustehen. Sollten dies die Stärken eines angehenden Königs sein?

Wozu hatte all das geführt?

Taris hob den Kopf und blickte über seine Schulter. Pfeile flogen. Schwerter sirrten in der Luft. Es wurde verletzt und getötet.

Das wäre aber auch geschehen, hättest du dich anders entschieden, erklang die wohlbekannte Stimme in seinem Kopf. Aber Taris' Wut schwappte über sie hinweg und ließ ihr keinen Grund, in die hätte wurzeln können.

Behutsam legte er Loiras reglosen Körper auf die Steinfliesen zu seinen Füßen. Er strich die gelösten Haarsträhnen beiseite und hauchte ihr einen letzten Kuss auf ihre blasse Stirn.

Mit einem Mal empfand der Feuerprinz die Kälte in seinem Inneren nicht mehr als Bedrohung. Er hieß sie willkommen, entließ das Tier aus dem See und übergab ihm die Kontrolle.

Anstatt sich betäubt und seiner Macht entrissen zu fühlen, rauschte ein Gefühl des Triumphs durch ihn. Mit ihm kam das eisige Prickeln, das sich mittlerweile über die Schultern hinaus bis zum Brustkorb erstreckte. Niemand würde ihn aufhalten können. Der Feuerprinz wankte unter der Macht, die sich seiner bemächtigte. Sie legte sich wie ein dunkelblaues Tuch um seinen Geist, das nur noch ein Ziel kannte: den Feysir zu vernichten, um Nabúr von diesem Scheusal zu befreien.

Wie ein wild gewordener Bär schlug sich Taris eine Schneise durch die Kämpfenden. Er wusste selbst nicht, wie er mit den halb tauben Händen das Schwert überhaupt noch halten konnte. Erst direkt vorm Feysir hielt er an.

Der starrte ihn erschrocken an. Ohne den Wahnsinn in seinen Augen sah er verloren aus, so als würde er sich in den Regeln seines eigenen Spiels verstrickt haben und nicht mehr herausfinden.

Doch selbst mit dieser Erkenntnis rauschte die Macht der Wut durch Taris und fegte jeden logischen Gedanken beiseite. Eine dunkelblaue Flamme züngelte die Klinge seines Schwertes hinauf. Es gab nur noch ihn und den Feysir. Jegliche Geräusche rund um ihn waren verstummt. Ich muss Nabúr retten! Ich muss ihn vernichten!, rollte unaufhörlich durch seinen Kopf.

Der Feysir schloss seine Augen.

Taris ließ das Schwert niedersausen.

Doch noch bevor es den dunklen Magier verletzte, traf ein violetter Lichtblitz das Schwert des Feuerprinzen und schlug es ihm aus der Hand. Die dunkelblaue Flamme erlosch. Als es über den Boden schlitterte, setzten auch die Geräusche um ihn herum wieder ein.

Taris - Die Magie der ArtefakteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt