Kapitel 27b

13 2 0
                                    

[Kapitel werden aufgrund der Länge in a und b aufgeteilt]


Taris verlor keine Zeit mehr und beschwor zwei Flammen in seinen Handflächen herauf. Mit verwundertem Blick drehte sich der Feysir zu ihm um, da presste er sie ihm schon auf den Hals. Fluchend taumelte der dunkle Magier rückwärts und erstickte die Flammen mit seinen Händen. Gleichzeitig verschwand die grüne Kugel um Asideya. Taris rannte los, um Loira zu befreien. Mit lautem Brüllen nahmen ihn seine Freunde in die Mitte und versuchten, die Schlangenkrieger von ihm fernzuhalten.

»Loira!«, schrie Taris über das Klirren der Schwerter hinweg. Er hob vorsichtig ihren Kopf, da blinzelte ihn die Erdprinzessin an. Erst zeigte sich Verwunderung in ihren Zügen, dann blanke Angst. »Wie können wir dich und die anderen Magier befreien?«

Sie schüttelte den Kopf. »Die Ketten lassen sich nur mit einem Zauber des Feysirs lösen. Er hat sie so verändert, dass sie jegliche angewandte Magie in sich aufnehmen. Es wäre vergeudete ...«

Doch mehr hörte der Feuerprinz schon nicht mehr. Er begab sich in sein Inneres und suchte den schillernden Fisch, der ihm half, sich der uralten Magie der Eltrar zu bedienen. Was, wenn nicht das Artefakt selbst, wäre stark genug, um einen Zauber des Feysirs zu umgehen und die anderen zu befreien? Gemeinsam hätten sie vermutlich eine Chance.

Schon befand er sich wieder auf dem Stein im Wasserfall. Taris verlor keine Zeit und sprang in die Tiefe, schwamm zu dem Boot und erreichte das Schiff. Der Fisch schwamm in Spiralen um ihn herum, bis er vor dem Schiffsrad stand. Eine seltsame Ähnlichkeit zu dem Aufbau im Saal des Feysirs streifte das Bewusstsein des Feuermagiers. Doch er ging nicht weiter darauf ein und weckte die Magie des Amuletts. Wie zuletzt hüllte es ihn in gleißendes Licht und einen Atemzug später fand er sich gegenüber von Loira wieder.

Die Erdmagierin starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. »Das Artefakt«, hauchte sie und Taris nickte. Ohne genau zu wissen, was er tat, berührte er mit den Händen die Ketten um Loiras Handgelenke und sandte einen Strahl aus Magie hinein. Er stellte sich vor, dass sie aufsprangen und abfielen. Doch anstatt erleichtert darüber zu sein, schrie Loira auf, als hätte er ihr soeben einen Dolch in Brust gerammt. Erschrocken zuckte Taris zurück. Das Lachen des Feysirs übertönte jegliche Kampfgeräusche und er fuhr herum.

»Hättest du tatsächlich geglaubt, dass ich es dir so leicht mache, Bürschchen? Danke, dass du mir neben deiner Wenigkeit auch gleich das Artefakt der Eltrar bringst. Ich hatte zwar einen anderen Trupp damit erwartet, aber ich nehme dein Geschenk gerne an.« Der dunkle Magier streckte ihm seine offene Handfläche entgegen. Im selben Moment spürte Taris, wie sich wieder Marionettenfäden um seinen Körper legten. Nicht noch einmal!, rief er in Gedanken aus und umgab sich mit einem Schild aus dunkelblauer Magie. Sofort verschwanden die Fäden und er fühlte sich wieder frei.

»Du hattest sogar Zeit um zu lernen, ein wenig damit umzugehen«, gab der Feysir entzückt von sich. »Aber bestimmt nicht genug.« Schon wandelte sich sein Gesichtsausdruck wieder zu einer hässlichen Fratze.

Die ständige Gemütsänderung des dunklen Magiers verwirrte Taris zusehends. Mit einem fanatischen, alten Mann hatte er gerechnet. Nicht aber mit dem pausenlosen Wechsel zwischen zuckersüß und hasserfüllt. Der Feysir wollte die Artefakte vereinen, um über Nabúr zu herrschen. Aber weshalb hatte er ihn gefragt, ob er an seiner Seite kämpfen wollen würde? Oder wäre dies ohnehin nur eine Ablenkung gewesen, um ihn in eine Falle zu locken?

Ein grünes Leuchten um die Hände des Feysirs versetzten Taris in Alarmbereitschaft. Er sprintete los in dem Versuch, so viel Abstand zwischen ihn und seine Freunde zu bekommen. Das Lachen des Feysirs folgte ihm durch den Saal. Als die grünen Blitze auf den Schild trafen, lenkte sie dieser zwar ab, trotzdem spürte er Schmerzen an den Stellen, an denen sie ihn hätten treffen sollen.

»Es ist ein Jammer, wenn man seine Magie unterbunden hat, nicht wahr?«, fragte der dunkle Magier – nun wieder mit säuselnder Stimme. »Ich würde dir ja gerne helfen, das alte Gebräu aus deinem Körper zu bekommen. Nur leider hast du dich gegen unsere Zusammenarbeit entschieden, also kann ich nichts Anderes tun, als dich wie alle anderen für meine Zwecke zu gebrauchen.« Wieder sandte er zwei Blitze auf Taris. Diesmal trafen sie ihn so heftig und unerwartet, dass er auf die Knie sackte.

Seine Freunde kämpften mit zusammengebissenen Zähnen um ihr Leben. Ein feuerroter Strich zog sich über Fynnlors Wange. Marel belastete nur noch einen Fuß und Hedlor kämpfte nicht nur gegen seine eigenen Feinde, sondern versuchte auch, die ärgsten Hiebe auf den Holzfäller abzufangen. Beinahe hätte auch ihn ein Schwertstreich ereilt, doch Asideya rammte dem Schlangenmagier einen Dolch ins Herz. Der Nordmann nickte ihr dankbar zu und sie kämpften Rücken an Rücken weiter. Obwohl sie sich wacker hielten, würde ihre Kraft nicht mehr lange reichen. Und dann? Der letzte Blitz des Feysirs hatte ihn trotz des Schildes verletzt. Würde sein nächster Streich schlimmer ausfallen?

Keuchend richtete Taris sich auf und verbannte die Schmerzen aus seinem Kopf. Kalter Schweiß trat auf seine Stirn, als er sein linkes Knie belastete. Der Blick des Feuerprinzen wanderte zu Loira, die ihn selbst mit schmerzverzerrtem Gesicht nicht aus den Augen zu lassen schien.

»Verabschiede dich ruhig von deiner Prinzessin und deiner Freiheit«, höhnte der dunkle Magier. »Bald wirst du mir in Ketten gelegt ebenso gut dienen wie sie. Ihre Magie ist grandios! Und wenn ich erst das Adhenoj aus deinem Körper befreit habe, wird es die deine auch sein und ich mein Ziel endlich erreichen!«

Entschlossen riss Taris seinen Blick von der Erdprinzessin los. »Nicht nur das vorhin war Ablenkung«, klärte er den dunklen Magier auf und ging einen Schritt auf ihn zu. Verwundert hielt dieser inne. Das Knistern der grünen Lichtkugeln um die Hände seines Feindes hörte er selbst über den Kampfeslärm hinweg. »Es wäre natürlich leichter gewesen, wenn ich die anderen Magier hätte befreien können. Aber es gibt auch einen anderen Weg, die größenwahnsinnigen Pläne zu durchkreuzen, die sich in deinem Kopf eingenistet haben!«

Mit diesen Worten sprintete Taris los. »Nein!«, kreischte der Feysir und schleuderte weitere Blitze. Im Laufen holte der Feuerprinz das Amulett unter dem Hemd hervor.

»Taris, nein! Selbst mit deiner Magie würden dich die Artefakte umbringen! Du bist kein Merá!«, schrie Loira. Er hörte, wie sie an ihren Fesseln riss. Es schmerzte ihn, sich nicht noch einmal nach ihr umdrehen zu können, um ihr zu versichern, dass er dies alles gut durchdacht hatte und nur tat, um Nabúr eine Zukunft zu schenken. Und ihr.

Er riss sich die Kette vom Hals und versenkte das Amulett in der letzten freien Auslassung des Schiffsrades. Sofort leuchteten alle Artefakte in den Farben der Königreiche auf. Die Luft vibrierte fühlbar und von den einzelnen Schmuckstücken rannen Lichtstrahlen bis zur Mitte des Schiffsrades. Dort vereinten sie sich zu einer violetten Lichtkugel.

Zufrieden darüber, es geschafft zu haben, blickte der Feuerprinz zum Feysir. Der stand mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen da. Ein letztes Hochgefühl über seinen Sieg durchströmte Taris. Dann trafen ihn zeitgleich der Blitz des Feysirs und ein violetter Strahl aus der Kugel des Schiffsrades. Hitze, Kälte und Schmerzen drangen gleichzeitig auf ihn ein. Sein Körper wurde von den Füßen gerissen und nach hinten geschleudert.

Auf Wiedersehen, Nabúr. Ich hoffe, ich habe dir gerecht gedient, waren seine letzten Gedanken, bevor die Dunkelheit über ihm zusammenschlug, wie ein heftiges Sommergewitter.

Taris - Die Magie der ArtefakteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt