Kapitel 33a

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[Kapitel werden aufgrund der Länge in a und b aufgeteilt]


Kühle Abendluft wehte ihnen entgegen, als sie den Palast verließen. Nach so vielen Wochen konnte Taris es kaum glauben, endlich ein paar Momente mit Loira alleine zu sein – diesmal hoffentlich wirklich.

Mit ihrem Arm in seinem eingehakt, folgten sie der kleinen magischen Flamme der Mauer entlang auf dem Weg in die hinteren Palastgärten. Seine Haut prickelte überall dort, wo sie sich berührten.

»Was meinte dein Vater vorhin, als er sagte, dass er nichts mehr vom Feysir hören möchte?«

Taris seufzte. Natürlich fragte sie zu allererst danach. Er verstand es ja selbst nicht so wirklich. »Ich glaube ihm missfällt der Gedanke, dass einer unserer Vorfahren Nabúrs Geschichte geändert hat. Ich wollte es zu Beginn ja selbst nicht glauben. Das macht es für ihn – glaube ich – jetzt noch schwieriger, sich auf Neues einzulassen. Schon damals, als der Brief mit der Bitte um Unterstützung im Kampf gegen ihn kam, wollte er nichts davon wissen. Damals glaubte ich, dass das nur mit der vorzeitigen Thronübergabe zusammenhing. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher.«

»Irgendwie kann ich es ja nachvollziehen, dass man eine dunkle Bedrohung erst einmal nicht wahrhaben möchte«, meinte Loira. »Aber ich verstehe nicht, weshalb er jetzt noch seine Augen vor der Wahrheit verschließt.

»Ich auch nicht«, seufzte Taris.

»Wie hat er reagiert, als du ihm erzählt hast, dass du den Sol'schen Thron nicht bekleiden wirst?«, fragte sie weiter.

Unbehagen schlich sich Taris' Rücken hinauf, als er den Tag seiner Rückkunft dachte. »Erinnerst du dich an den Feuerling in Merá? Nach dem Kampf mit dem Feysir? Schon damals habe ich es ihm über eine magische Botschaft mitgeteilt. Er hatte daraufhin zwar Kagrim die Prüfungen auferlegt, aber immer noch gehofft, dass ich es mir anders überlege. Um ehrlich zu sein war ich sehr froh, als er mich nach meiner Ankunft einfach wieder in meine Gemächer geschickt hat, anstatt mich mit seiner Magie zu rösten.«

»Mit ihm ist sicher nicht zu spaßen«, stimmte sie ihm zu. »Selbst wenn dir seine Flammen nichts anhaben können – alles andere wäre für einen Feuerprinzen ja komisch.«

Hoffentlich ist das immer noch so, dachte er und spürte im selben Moment die eisigen Fesseln des Adhenoj. Was würde passieren, wenn es seinen inneren Feuerling, die Quelle seiner ursprünglichen Magie, nicht mehr freigab?

»Wo ist Fugro?«, fragte Loira in sein Schweigen hinein.

Dankbar über die Ablenkung antwortete er schnell: »Er verbringt seit unserer Rückkehr die meiste Zeit mit einem alten Feuerling, der keine Botenflüge mehr annimmt. Der Krönung haben sie bestimmt beigewohnt.«

»Ich habe euch gesehen. Im Palast der Merá.« Ihr Blick streifte ihn einen Augenblick. Sie klang zögerlich. »Es gibt Legenden darüber, Taris ... über Feuerlinge, die an der Seite von Magiern kämpfen.«

»Diese Legenden kenne sogar ich. Die Magier sind die Idole aller Feuermagierkinder, glaub mir.« Außerdem hat meine Mutter vor meiner Abreise mit mir genau darüber gesprochen. »Es sind die Feuerlinge, die sich die Magier aussuchen, mit ihnen in den Kampf ziehen und sie bis zu ihrem Tod begleiten. Nicht umgekehrt.«

Loira nickte. »Es wurde stets als heiliger Bund angesehen. Ein mit Magie geschmiedeter Bund. Du kannst dich geehrt fühlen, erwählt worden zu sein.«

»Das tue ich. Aber jetzt erzähl endlich, wie es bei dir zu Hause war, nachdem ich abgereist bin? Was hast du nicht in deine Briefe geschrieben?«

»Das reinste Chaos!«, plapperte sie sofort drauf los. »Mein Vater konnte ein paar Tage lang nicht glauben, dass die Magie der Merá zurück ist und natürlich fürchtet er sich ein wenig vor den Konsequenzen zu den Taten unserer Vorfahren. Ich habe ihn zwar beruhigt, dass das im Moment noch nicht spruchreif ist und es vielleicht auch nie sein wird, aber es nagt einfach an ihm. Genauso wie an all den anderen Königspaaren, vermute ich einmal. Aber das war noch nicht einmal das Schlimmste!«

Taris schielte zu ihr hinunter. Seine Mundwinkel kräuselten sich von selbst nach oben. So entspannt hatte er die Erdprinzessin noch nie erlebt. Es gefiel ihm, sie so zu sehen.

»Meine Schwestern! Du hättest sie erleben müssen! Kaum warst du verschwunden, sind sie wie eine Schar Hühner um mich herumgelaufen und haben mich keine Sekunde mehr alleine gelassen! Sogar meine älteste Schwester, die mittlerweile einen Verlobten hat!« Bei ihrer Beschreibung lachte Taris auf. »Sie sind mir die ganze Zeit wegen der bevorstehenden Krönung in den Ohren gelegen!«

»Weshalb?«

Loira verdrehte die Augen, bevor sie antwortete. »Weil sie glaubten, dass du mich zur Königin von Sol machst.«

»Habe ich damit ihre Träume zerstört? Was haben deine Eltern dazu gesagt?« Die Prinzessin lachte bitter.

»Die haben das zum Glück nicht sofort mitbekommen. Aber eine Schar aufgescheuchter Hühner lässt sich selbst in einem Palast nicht wochenlang verbergen. Meinem Vater hätte das glaube ich auch sehr gut gefallen. Als ich ihn darüber aufgeklärt habe, dass Kagrim zum König gekrönt wird und nicht du, hat er den restlichen Tag ein Gesicht gezogen, als gäbe es keinen Sonnenschein mehr.« Sie seufzte und fügte etwas leiser hinzu: »Meine Mutter hingegen meinte, dass du immer noch eine gute Partie wärst.«

Taris verlangsamte seine Schritte, woraufhin sich Loira suchend umsah. Freudig quietschend ließ sie seinen Arm los und eilte zum Busch, den sie bei ihrem letzten Besuch wieder aufgepäppelt hatte. Im Strahlen der magischen Lichtquelle flammten die Blüten des Busches in einem rötlichen, satten Orange auf. Ähnlich dem ihrer Haare.

Die Erdprinzessin nahm einen der Blütenkelche zwischen die Finger, als würde sie die Pflanze begrüßen. »Er hat also tatsächlich Wort gehalten«, flüsterte sie der Pflanze zu und sog begierig dessen Duft ein.

Es bewegte Taris, sie nach den Strapazen der Wochen in Gefangenschaft so ausgelassen und wieder in ihrem Element zu sehen. Er wusste, dass er den Überfall auf das magische Lager nicht hatte vorhersehen können. Trotzdem gab er sich die Schuld daran, sie nicht besser beschützt zu haben. Egal ob mit oder ohne Magie.

»Natürlich habe ich das.« Taris' Stimme war sanft. Er trat neben sie und wusste nicht, worüber er sich mehr freute. Darüber, dass er tatsächlich den Busch wieder zum Blühen gebracht hatte oder über das glückliche Gesicht der Erdprinzessin.

Die warme Nachtluft trug Musik an ihre Ohren und Loira blickte mit sehnsüchtigem Blick zurück in Richtung des Krönungsfestes. Taris wollte sie noch nicht gehen lassen und hielt ihr eine Hand hin. »Möchtest du tanzen?«

Sie biss sich auf die Unterlippe und verlagerte ihr Gewicht auf das andere Bein, als wüsste sie nicht, ob sie seine Einladung annehmen sollte. Schließlich atmete sie tief durch und legte ihre Hand in seine. Für eine Kriegerin war sie unglaublich weich und zart. Als sie gegenüber von ihm in Tanzstellung stand, umhüllte ihn der erdig-harzige Geruch, der ihr so eigen war. Am liebsten hätte er die Prinzessin noch näher an sich herangezogen. Aber würde sie das wollen? Trotz der Sehnsucht in ihren Augen hatte sie gezögert, seine Tanzeinladung anzunehmen.

»Gibt es einen Grund für dein Zögern, den ich kennen sollte?«, fragte Taris, nachdem sie sich eine Weile im Kreis gedreht und den dunkler werdenden Himmel betrachtet hatten.

Loira legte den Kopf in den Nacken, um ihm in die Augen zu blicken. »Keinen, der unmittelbar von Bedeutung wäre.«

»Und was sagst du dazu?«

Ein verwirrter Ausdruck legte sich für einen Atemzug über ihr Gesicht. »Spielst du auf meine Schwestern und deren zerstörte Träume an?«

»Womöglich«, gab er zurück und wirbelte sie mehrmals im Kreis. Ihrem Grinsen entnahm er, dass sie sehr wohl wusste, was er von ihr wissen wollte. Ein wenig atemlos legte sie wieder die Hand auf seine Schulter und er spürte ihren Atem auf seinem Hals. Ein wohliger Schauer kroch ihm über den Rücken.

Sie ist näher gerückt, registrierte er und ein warmes Prickeln breitete sich in seinem Inneren aus. Die beiden tanzten stumm, bis die Musik stoppte und dröhnender Applaus zu ihnen drang. Unbeeindruckt von der fehlenden orchestralen Untermalung wiegten sie sich weiter in einem imaginären Takt.

Schließlich hielt Taris es nicht mehr aus. »Bekomme ich eine Antwort?«

»Nur, wenn du mir deine endlich gibst«, erwiderte Loira prompt. »Vorausgesetzt du erinnerst dich an unser letztes Gespräch im Lager vor dem Einfallen des Feindes?«

Taris lachte auf. »Die Heiratskandidatinnenliste.«

Taris - Die Magie der ArtefakteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt