Kapitel 5b

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[Kapitel werden aufgrund der Länge in a und b aufgeteilt]

Taris blickte dem Bauern nach und bedankte sich im Stillen bei allen, die daran teilhatten, ihn bis hierher zu bringen. Allen voran seiner Mutter, dem Jungen Leddan und dem Mann, der seinen Wagen sicher an den Schlaglöchern vorbei lenkte. Er nahm den Wald genauer in Augenschein und bemerkte als Erstes die Stille, die ihn hier umgab.

Kein Plätschern eines entfernten Baches oder Wasserrauschen eines Wasserfalls, kein Gezwitscher von Vögeln, obwohl sich der Tag langsam dem Ende neigte. Die Geräusche von Tieren im Unterholz fehlten. Aber auch Feuerlinge, wie sie in den Wäldern rund um das Palastgelände der Sonnenstadt lebten. Gerade Letzteres war nicht verwunderlich. Er befand sich weit über die Grenzen seines Königreiches hinaus in einem fremden Wald, den er nicht kannte. Trotzdem – oder gerade deshalb – vermisste er die bunten Vögel jetzt schon. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, vermisste er nicht irgendeinen Feuerling, sondern Fugro. Das Jungtier war ihm seit dem Tag der letzten Prüfung nicht von der Seite gewichen und ohne ihn und seine Magie fühlte sich der Prinz nicht nur einsam, sondern auch eigenartig verletzlich.

Als die Geräusche des Strohwagens und der Pferde in der Ferne verebbten, machte sich Taris auf den Weg. Er schlängelte sich zwischen kniehohen Farnen durch, schob tief hängende Zweige zur Seite und folgte der Richtung, in die der erste Stern am Himmel zeigte. Noch tanzten die Sterne nicht, so war es ein leichtes für ihn, dem hellen Lichtpunkt zu folgen.

Obwohl der Wald vom Leben der Pflanzen nur so blühte, schien er ohne eine natürlich vorkommende Tierwelt leblos. Taris' Sinne ertasteten jedes Geräusch, jedes Rascheln von Blättern, das ein sanfter Lufthauch verursachte.

Als plötzlich eine Pfeilspitze nur wenige Finger breit vor seinem Gesicht auftauchte, hielt er unvermittelt inne. Langsam hob der Prinz die Arme bis auf Schulterhöhe. Seine Augen zeichneten den Weg von der Pfeilspitze über den hölzernen Schaft bis zu den Federn nach, wo schlanke Finger das Geschoss an einer gespannten Sehne hielten. Grüne Augen blickten ihm aus einem von hellbraunen, schulterlangen Haaren umrahmten Gesicht entgegen. In seinem rechten Ohrläppchen steckte eine kleine, silberne Kette, an der sich mehrere winzige Blüten rankten: das Kennzeichen der Erdmagier. Ihr Umgang mit Pfeil und Bogen war legendär unter den magischen Familien und wurde von keiner anderen übertroffen. Eine falsche Bewegung würde Taris höchstwahrscheinlich das Leben kosten, also wartete er, ohne den Blick von den Augen des Schützen zu nehmen. Der rührte sich auch nicht. Sekunden verstricken und der Wind frischte auf, doch keiner der beiden rührte sich.

»Wer bist du?«, presste der Erdmagier schließlich hervor. Das Zittern in seiner Stimme verriet, dass dieses Aufeinandertreffen eines der ersten dieser Art war. Vermutlich hatte man ihn erst kürzlich zu Patrouille um das versteckte Lager eingeteilt.

»Mein Name ist Taris Sol. Ich bin hier, um dem Ruf der Königreiche zu folgen. Wie ist dein Name?«

»Zeig mir deine Magie, Taris aus dem Königreich Sol«, verlange der junge Magier misstrauisch, ohne die Pfeilspitze zu senken oder auf die Frage einzugehen.

Der Prinz seufzte und ließ die Arme in erhobener Position. »Das ist im Moment leider nicht möglich.«

Der Schütze zog eine Augenbraue in die Höhe. »Und warum sollte ich dich passieren lassen?«
»Weil das Schicksal Nabúrs auf Messers Schneide steht und es der vereinten Magie aller Königreiche bedarf, um sich dem Feind zu stellen«, antwortete Taris bemüht ruhig. So kurz vor dem Ziel von einem Wachen aufgehalten zu werden, der ihn wie einen dahergelaufenen Wanderer behandelte, gefiel ihm nicht. Andererseits machte seine Arbeit gut und richtig. Wie auch sollte er einem der besten Magier des Kontinents glauben schenken, wenn dieser seine Magie nicht zeigen konnte.

Taris - Die Magie der ArtefakteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt