Kapitel 16b

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[Kapitel werden aufgrund der Länge in a und b aufgeteilt]

Nur dass er diesmal sogar den Saft der Grashalme roch, die er mit seinen Fingern umknickte und Loiras erdiger Duft ihn einhüllte wie eine Wolke. Er glaubte, tatsächlich mit ihr dort zu liegen und nicht nur in einer Erinnerung umherzuwandern. Einzig das Läuten der Alarmglocke fehlte und so blieb der Moment länger aufrecht, als es tatsächlich geschehen war. Taris Finger taten, was sie wohl auch schon im Lager gemacht hätten, und griffen nach ihrer Hand. Doch in dem Moment, als sie sich berührten, verblasste Loiras Bild vor ihm und die Erinnerung löste sich wie Rauchschwaden auf. Irritiert blinzelte der Feuerprinz, als er sich in der Realität wiederfand.

Vor ihm lag immer noch die Karte des Königreichs Nabúr. Darüber allerdings hielt die Alte eine fein gearbeitete goldene Kette, an dessen Ende ein smaragdfarbener, spitz zulaufender Stein hing. Sie lächelte Taris triumphierend zu und deutete auf die Stelle, an der er das Leder berührte. »Er ist in Merá.«

Taris beugte sich vor, um die Beschriftung zu entziffern. Das Wort Palast stand da in geschwungenen Buchstaben direkt neben einer großen, mit Wellen verzierten Fläche: dem Ílean. Der riesige See machte etwa ein Fünftel der Fläche des Königreiches aus. Er rief sich die Karte im Lager der Magier in Erinnerung. »Sein Standort hat sich seit unserem Aufbruch nicht verändert.«

»Dann wird er von dort aus handeln.« Awa wiegte ihren Kopf hin und her, als würde sie nachdenken. »Es kursieren unterschiedliche Versionen zur Vereinigung der Artefakte, viele Texte lassen ausreichend Platz für Interpretationen. Aber alle haben eines gemein – die Merá, die die Artefakte einst fertigten. Dieser hier«, sie tippte auf das erste der drei Bücher von ihr aufgeschlagenen Bücher, »gilt als der ursprünglichste. Hier heißt es, dass man das Blut der Merá umgehen kann, indem man auf deren Grund und Boden handelt. Aber selbst dann benötigt man immer noch mehr Magie, als ein Einzelner in sich trägt.« Sie zog den Stein weg und verstaute die Kette wieder unter ihren dunkelblauen Gewändern.

»Wenn der Feysir immer noch am selben Fleck ist, wird er wohl mehr als zwei Wachen postiert haben«, dachte Taris laut nach.

»Nicht unbedingt.«

Der Feuerprinz löste seine Augen von der Landkarte. »Aber das wäre das einzig militärisch Logische, was er tun könnte. Vor allem mit den ganzen Magiern, die er in seiner Gewalt zu behalten versucht. Diese würde er nicht brauchen, wäre er selbst ein Merá, der die Artefakte einfach vereinen könnte.«

»Du vergisst das Nebelmeer«, erinnerte ihn Awa. »Sie haben selbst für den Fall, dass ihr Geschlecht ausgelöscht wird, für die Sicherung ihres Landes gesorgt. Dem Nebelmeer wohnt ein Zauber inne, der nur einem Merá den Durchgang gewährt. Die Wölfe darin schneiden jedem den Weg ab, der zu weit eindringt.«

»Aber er hat das.« Taris zog den Stein mit dem Dreieck hervor und legte ihn zwischen ihnen auf den einzigen schmalen Streifen auf dem Tisch. Sie hätte es bestimmt missbilligt, diesen auf ihren Büchern zu sehen.

Awas Augen blitzten auf und sie streckte ihre Finger nach dem Gegenstand aus, berührte die glatte Oberfläche des Steins beinahe. Als hätte sie sich verbrannt, zuckte sie zurück und steckte die Hand in den Ärmel ihres Gewandes. »Ein Sturmzehrer. Mit einem alleine kommt er nicht weit. Aber mit mehreren wäre es ihm möglich, Landesgrenzen zu überschreiten.« Ihre Stimme klang geradezu bewundernd, schlug aber plötzlich ins Gegenteil um. »Dunkle Magie wohnt diesem Stein inne. Pack ihn wieder weg!«

Der Stein vibrierte, als Taris ihn wieder in seine Tasche gleiten ließ. »Seine Blitzwanderer benutzen ihn, um die Dörfer zu überfallen und Magier in ihre Gewalt zu bringen.«

Die Alte atmete lange aus. »Wenn es euch nicht möglich ist, den Feysir mit einer List zu überwältigen, hast du nur noch eine Chance, ihn aufzuhalten.«

Taris - Die Magie der ArtefakteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt