Ich zupfte an meinem Jeansrock rum und begutachtete mein Outfit im Spiegel. Es war eine weiße locker sitzende Bluse, der eben genannte Jeansrock und meine weißen Lieblingssneaker. Alles in allem war ich zufrieden damit, wie ich aussah, aber ich wusste nicht, ob es passend war für ein Motorsport-Event. War der Rock zu kurz? Waren die Turnschuhe zu weiß? War das alles zu schick? Nachdem ich weiter zehn Minuten darüber nachdachte, seufzte ich schließlich und rief meinen Bruder. „Lando! Ich habe keine Lust darauf. Das ist nicht meine Welt!" Kurz darauf betrat mein 22 Jahre alter Bruder mein Zimmer und lehnte sich gegen den Türrahmen. Wie immer zierte eine Cap mit dem Logo von McLaren seinen Kopf und die orangefarbene Jacke durfte auch nicht fehlen. Darunter trug er, um das Gesamtbild zu vervollständigen, ein Shirt mit dem Logo seines Rennstalls drauf. „Willst du nicht noch eine orangefarbene Hose anziehen? Dann kann man dich ehrlich nicht mehr mit einer Papaya verwechseln." Obwohl ich immer so patzig war, war es heute ganz besonders schlimm. Lando hatte sich gewünscht, dass ich zu seinem Heimrennen mitkomme, und das konnte ich unmöglich ausschlagen. Eine gute Bestechung war das angeblich vorzügliche Essen, das von den besten Köchen zubereitet wurde und mein Bruder wusste, dass man mich mit Essen rumkriegen konnte.
Auf meine patzige Aussage reagierte Lando nur mit einem rauen Lachen. Wäre ich nicht seine Schwester und wüsste darüber Bescheid, wie er manchmal das Bad verlässt, würde ich behaupten, dass er einigermaßen attraktiv ist. Aber wie man an mir super sieht, liegt das nun mal in der Familie. „Es ist ein Wochenende, das du für mich mal opferst. Es tut dir auch mal ganz gut drei Tage lang keinen Alkohol in dich hinein zu kippen. Und du lernst endlich mal meine Freunde kennen." Ich verdrehte die Augen. Mein Alkoholkonsum war immer wieder Thema in der Familie und es ging mir auf den Keks. Soll mir mal jemand eine 17-jährige zeigen, die keinen Alkohol trank und regelmäßig auf Partys ging. Zusätzlich war ich mir nicht sicher, ob ich noch mehr von Autos besessene Männer kennenlernen möchte, die nicht anderes im Kopf haben, als möglichst schnell um die Kurven zu fahren und ihr Leben dabei zu riskieren.
„Ist das Outfit so okay oder trägt man im Paddock was anderes?", fragte ich und sofort wanderten meine Hände wieder zum Rock und zogen diesen ein Stückchen runter. Lando musterte mich einmal von oben bis unten und nickte meine Aussehen dann ab. „Wenn dich jemand angafft, dann haue ich ihm eine rein", hörte ich ihn murmeln, als er mein Zimmer verließ und musste lächeln. Er hatte sowieso andere Sachen im Kopf, als gaffende Jungs, weshalb ich diese Aussagen nicht für voll nehmen konnte. Ein aller letztes Mal kontrollierte ich, ob alles dort saß, wo es auch sitzen sollte und hing mir dann meinen Paddock-Pass um den Hals. Dann wollen wir mal ein ganzes Wochenende verschwenden.
Ich ging die Treppe runter, wo bereits meine Mama stand und mir eine Brotdose unter die Nase hielt. „Ach, Mama, dort gibt es doch was zu Essen." Ich lächelte in mich hinein. Meine Mutter war der fürsorglichste Mensch, den es gab. Lando und mir hatte es nie an etwas gefehlt und es war immer das wichtigste, dass wir beide glücklich waren, auch wenn sie dafür zurückstecken musste. „Ich weiß doch, dass du manchmal vergisst zu essen und dann grummelig wirst. Wenn du es nicht brauchst, kannst du es einfach wieder mit nach Hause bringen, okay?" Ich nickte. Sie hatte ja recht. Auch wenn ich Essen liebte, neige ich dazu, das Essen zu vergessen, weil um mich herum so viel Aufregendes passiert und das könnte heute der Fall sein. Ich steckte die Dose in meinen Rucksack und gab meiner Mutter einen Kuss auf die Wange. „Viel Spaß meine Kleine und dir viel Erfolg, mein Großer!", rief sie uns hinterher, während wir das Haus verließen. Ich schlenderte zum Sportwagen und schmiss mich auf den Beifahrersitz. Dieses Auto wäre ein Grund auch mit dem Motorsport anzufangen, aber dafür war in meinem Fall ein wenig zu spät. Ich würde erst mal gerne mein Abi schaffen und dann muss ich mal gucken, was mich so interessiert. In dieser Hinsicht war ich nachlässig, aber ich möchte mir auch sicher sein, wa ich die nächsten vierzig Jahre machen möchte.
„Darf ich diesen Schlitten auch fahren, wenn ich meinen Führerschein habe?", stellte ich die gefürchtete Frage und klimperte mit meinen Wimpern. „Ha! Wenn du deinen Führerschein schaffst, lasse ich dich diesen „Schlitten" auf der Rennstrecke fahren." Ich rümpfte die Nase. Er sagte das nur, weil ich bereits seit über einem halben Jahr an meiner Theoriepürfung hänge und sie immer noch nicht bestanden habe. „Du bist gemein." „Nein, du bist einfach faul." „Und du wirst heute sowas von verlieren."
Der Rest der Fahrt verlief stumm. Ich war bockig und Lando war genervt. Wahrscheinlich war er auch ein wenig aufgeregt, aber sowas würde der große Rennfahrer ja niemals zugeben. Männer und ihre Egos. Wir fuhren auf den Parkplatz und stiegen aus. Sofort übermannten uns mehrere Fotografen und schrien alle möglichen Arten von Fragen durcheinander. Zwischendurch konnte ich Fragen raushören, die so ähnlich klangen wie: Ist das deine neue Freundin? Was ist mit Louisa?
Ich rollte nur mit den Augen. Kurzerhand räusperte ich mich und schrie mit all meiner stimmlichen Kraft: „Ich bin seine Schwester, ihr Aßgeier!" Dann packte ich meinen Bruder am Unterarm und zog ihn weiter nach vorne, obwohl ich nicht mal wusste, wo es lang ging. Lando schien das alles nur zu amüsieren, während mir jetzt schon der Schweiß den Rücken runterlief. Dies war erst Tag 1 vom insgesamt 3 und ich war schon genervt. „Du weißt schon, dass die das in den Medien ausschlachten werden, oder?" Ich hielt inne. „Wie sollten die das denn ausschlachten?" Ich meine, ich habe nichts auffälliges getan. Ich habe lediglich die Fragen beantwortet und das in einem Ton, sodass es jeder verstehen konnte. „,Schwester von Rennstar rastet aus' oder ,Schwester von Lando Norris kann sich nicht benehmen' oder ‚Schwester von Norris sieht nicht annähernd so gut aus, wie der Bruder'" Bevor er weiter Unsinn labern konnte, schlug ich ihm auf den Oberarm. Diese Schlagzeilen würde er sich nur wünschen.
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Between Good And Bad
FanfictionAlana ist frech, aufmüpfig, redet, bevor sie denkt und sie will das Leben leben. Als Schwester eines Formel 1-Stars ist es nicht immer leicht, aber sie liebt ihren Bruder trotz so mancher Kabbeleien (bei welchen Geschwistern ist es nicht so?). Ihr L...