Louisa musste den Schock erst mal verdauen. Sie sah mich mit offenem Mund an und sagte nichts. Auch aus ihrem Blick wurde ich nicht schlaue. Ich tippte sie vorsichtig an. Eigentlich redete sie immer und wenn sie mal nichts sagte, war das ein Wunder. Ich glaube, dass ich sie noch nie sprachlos gesehen habe. „Louisa bitte sag doch etwas. Ich kriege langsam Angst." Ich tippelte von einem Fuß auf den anderen und wurde immer nervöser. „Bitte", flehte ich sie an und hielt ihren Arm fest. „Wie fandest du es?", fragte sie auf einmal und sah mich neugierig an. Ich zuckte mit den Schultern. So genau hatte ich noch nicht darüber nachgedacht. Ich war mehr damit beschäftigt das Geschehene zu verdrängen anstatt es in meinen Gedanken auszuschlachten. „Komm schon. Ich will wissen, ob der amtierende Weltmeister küssen kann." Anscheinend war sie mehr belustigt darüber als wütend, was dafür sorgte, dass mir ein Stein vom Herzen fiel. Ich musste lachen. „Ich weiß nicht. Ja, vielleicht war es gut." Louisa funkelte mich böse an. „Vielleicht? Du MUSST wissen, ob du es mochtest oder nicht. Denk darüber nach." Ich tat wie mir befohlen und ging den Abend durch. Ich dachte zuerstbüber den Kuss beim Flaschendrehen nach, als ich noch nicht so angetrunken war. Ich dachte darüber nach, wie Max nach dem Schock meine Hüfte festhielt und mich näher an sich ranzog. Wie sanft er war, obwohl seine Arroganz das Gegenteil vermuten ließ. Nun ging ich zu dem Kuss auf der Toilette über. Ich erinnerte mich wie er mich auf das Waschbecken hob, auch wenn das alles verschwommen war, aber ich kann mich erinnern, was ich gefühlt hatte. Ich fühlte meinen schnellen Puls, der in diesem Moment erneut aus der Kontrolle geriet. Ich spürte seine Hände auf meinen Oberschenkeln, die rauf und runter fuhren. Er wusste, was er wollte, und das war ich. Ich fühlte mich noch nie so gewollt wie in diesem Moment. Sein Atem an meinen Lippen, daran erinnere ich mich ganz besonders. Meistens ist es nicht der Kuss, der am spannendsten ist. Meistens sind es die Momente davor, die passieren, bevor sich die Lippen berühren und das war sowas. Sein Atem auf meinen Lippen, dieser Moment davor, war das schönstens aufregendste überhaupt.
„Du lächelst. Also war er gut." Louisa holte mich aus meinen Gedanken. Ich hatte nicht mitbekommen, dass ich anfing zu lächeln. „Du hast keine Vorstellung, Louisa", antwortete ich ihr und beließ es dabei. Ich verschwieg die Tatsache, dass bei den Gedanken über Max auch Charles immer wieder dazwischen rutschte. Die Zeit, die wir in diesem Raum verbracht hatten, geisterten ebenfalls in meinem Kopf herum. Auch hier gab es diesen Moment vor dem Kuss. Nur hier kam es nicht zum Ende und meine Lippen brannten eigentlich danach, seine zu spüren. Wie er wohl küsst? Diese Frage stellte ich mir seit diesem Moment. „Worüber denkst du nach?", fragte meine beste Freundin. Ich seufzte. „Ach, ich weiß auch nicht. Formel 1-Fahrer sind gefährlich." „Oh ja, ich erfahre das bereits seit einem Jahr." Ich musste lachen. Bei ihr war es jedoch von Anfang an Lando und nicht noch jemand anderen. Sie haben sich gesehen und verliebt. Bei ihr ging es bestimmt schneller als bei meinem Bruder, weil er einfach zu dumm ist, um herauszufinden, dass das tollste Mädchen in ihn verliebt ist. Sie schwärmte schon länger für ihn, aber hatte sich nicht getraut es mir zu Beichten bis wir beide mal betrunken waren. Ich war ihr nie eine Sekunde böse, weil die Liebe nun mal überall hinfallen kann. Im Gegenzug war sie niemals angepisst, wenn ich wieder Eric zurückgenommen hatte, obwohl sie mir gesagt hatte, wie schlecht er für mich ist. „Ich hab dich lieb, Louisa." Sie schaute von der Rennstrecke zu mir und grinste mich an. „Ich dich auch, Alana. Wir bleiben Freunde, egal was passiert." Ich nickte heftig mit dem Kopf und zog sie in eine lange Umarmung.
„So komm, das Rennen geht gleich los und wir müssen unsere Männer anfeuern." Ich zog eine Augenbraue hoch. „Unsere Männer?" „Naja, ich halt Lando und du anscheinend das halbe Grid." Empört schlug ich ihr gegen den Oberarm. Anstatt vor schmerzen zu schreien, lachte sie sich über ihren eigenen Witz kaputt. Ich schmollte hingegen. Sie wischte sich die Tränen aus dem Augenwinkel und sah mich stolz an. „Also, für wen bist du?" Da musste ich nicht lange überlegen. „Charles! Max ist ein Arsch." „Ein Arsch, der Deine Knie weich werden lässt." Ich rollte mit den Augen. Man, kann sie einem auf die Nerven gehen. „Ich erzähle dir bald nichts mehr." Louisa winkte das nur ab und konzentrierte sich auf den Bildschirm vor ihr, der die Auto in der Startaufatellung zeigte. Gleich würde die Formation Lap losgehen und dann ging es um einiges. Charles musste einfach gewinnen. Ich konnte ihn nicht verlieren sehen und Max kann ruhig verlieren. Sein Ego braucht so etwas anscheinend mal.
Das Rennen begann und Charles konnte in den ersten fünf Runden seinen Abstand vergrößern. Ich drückte die vollen 52 Runden die Daumen und bete, dass Max ihn nicht überholen würde, wenn er ihm gefährlich nahe kam. Als er dann endlich als erster über die Ziellinie fuhr, konnte ich nicht anders als zu jubeln. Erneut bekam ich finstere Blicke, aber als Lando als vierter ins Ziel fuhr, schrie ich nochmal vor Freude, sowohl Louisa als auch die ganze Box stiegen mit ein. Lando fuhr in die Garage und ließ sich von allen feiern. Louisa gab ihn einen dicken Schmatzer, den mein Bruder sichtlich genoss. Widerlich. Ich umarmte ihn selbstverständlich auch, aber mein Hauptgedanke galt Charles, den ich auch in den Arm nehmen wollte. „Ich gehe zur Ferrari Box!", schrie ich Louisa ins Ohr, die mir ein vielsagendes Lächeln schenkte. Ich schenkte ihr dafür meinen Mittelfinger und ging raus ins Paddock, um mich durch die Menschenmenge zu quetschen, die den Sieger ebenfalls feiern wollte. „Charles! Charles!" Egal, wie laut Ich schrie, es kam nicht weiter als drei Meter. Als ich eine bessere Sicht erhaschen konnte und auch Charles endlich erblickte, sah ich etwas, was mir die Laune auf eine Umarmung versaute. Er stand vor einem bildhübschen Mädchen und lächelte sie genauso an, wie er mich am ersten Tag angelächelt hatte. Als sie ihn zu sich zog und ihre Lippen auf seine drückte, konnte ich mir das nicht weiter anschauen. „Das ist Charlotte. Seine nun wohl feste Freundin. Tut mir leid!" Louisa stand hinter mir und legte mir sanft die Hand auf die Schulter. Ich winkte ab. „Ich wollte ihn nur beglückwünschen. Mir geht es gut!" Man musste immer noch schreien, um sich zu verstehen. Nicht mal ich selber glaubte mir diese Aussage, aber wenn ich es noch ein paar Mal sage, wird es vielleicht wahr, wie bei einem Mantra. Mir geht es gut. Mir geht es gut. Mir geht es gut.
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Between Good And Bad
FanfictionAlana ist frech, aufmüpfig, redet, bevor sie denkt und sie will das Leben leben. Als Schwester eines Formel 1-Stars ist es nicht immer leicht, aber sie liebt ihren Bruder trotz so mancher Kabbeleien (bei welchen Geschwistern ist es nicht so?). Ihr L...