33. L's kleine Bibliothek

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Es war vier Uhr morgens, als ich meine Augen aufschlug, da ich von lauten Geräuschen geweckt wurde. Zuerst war ich zu müde und verwirrt, um die Geräusche einer Quelle zuzuordnen, aber als ich dann feststellte, dass sie von meiner Mitbewohnerin kamen, die am Schreibtisch an ihrem Computer bei voller Lautstärke ein Spiel zockte, schlug meine Schlaftrunkenheit schnell in Wut um. Laut redete Verónica auf Spanisch durch ihr Mikrofon jemanden gut zu, während sie durch mehrfaches Tippen und von Hackgeräuschen begleitet ihren Charakter auf dem Bildschirm steuerte. Ich hatte sie bisher nicht so aufgeregt erlebt, selbst wenn ihrem Gesicht wieder gleich einer Gruselpuppe keine Veränderung anzusehen war.

„Verónica!", knurrte ich wütend und sie drehte sich zu mir um.

„Du bist wach", stellte sie fest.

Ich warf mit meinem Kissen nach ihr und es verfehlte haarscharf ihren Kopf, aber sie zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Was machst du da?", fragte ich, mühsam darum bemüht meinen Zorn zurückzuhalten.

Sie blinzelte langsam. „Ich spiele V Rising. Es ist absolut inakkurat, aber im höchsten Maße unterhaltsam."

Ich zeigte auf meinen Wecker. „Es ist vier Uhr!"

„Ich habe extra gewartet, bis du tief eingeschlafen bist", erklärte sie mir ganz langsam, als wäre ich ein unverständiges Kind. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass du so einen leichten Schlaf hast."

„Mach es aus!", grummelte ich und drehte mich um. Dabei wusste ich, dass es keinen Sinn hatte, war ich erst mal geweckt, würde ich nicht so leicht wieder einschlafen. Ich hörte hinter mir, wie Verónica artig ihren Computer zuklappte und es sich in ihrem Bett gemütlich machte. Nach einer Weile sagte sie: „Ich weiß, dass du nicht schläfst. Du hast deine Augen zu, aber deine Atmung ist zu flach."

Ich drehte mich auf den Rücken und starrte frustriert an die Decke. „Wessen Fehler ist das wohl?"

„Es tut mir leid. Morgen sammle ich Kräuter für einen Tee, der dich besser schlafen lässt."

Mein Blick wanderte zu dem Traumfänger, der über meinem Bett hing und ich biss mir auf die Unterlippe. „Das weiß ich zu schätzen. Ich weiß nur nicht, ob ich ihn annehmen kann. Ich habe schlechte Erfahrungen gesammelt. Ich glaube, dass Medea etwas mit einem meiner schlechten Träume zu tun hatte. Sie setzte dieses Geschöpf auf mich an; ein Nachtmahr."

Ich hörte, die Verónica neben mir scharf einatmete. Ich wandte meinen Kopf in ihre Richtung, aber ihre dunklen Augen fokussierten ebenfalls die Decke. „Dieses Wesen ist echt gefährlich. Es wundert mich, dass sie es geschafft hat es hervorzulocken. Das muss Medea sehr viel Kraft gekostet haben. Er hätte dich töten können, der Nachtmahr."

Ein Kloß bildete sich in meiner Kehle und ich starrte wieder den Traumfänger an. Konnte ich mich doch glücklich schätzen, dass der Dämon mich gerettet hatte? Sein süffisantes Schweigen in meinem Kopf war mir Antwort genug.

„Sie wird nicht aufgeben. Medea ist keine sonderlich starke Hexe. Sie ist eine der ersten Hexen aus ihrem Familienclan, die überhaupt stark genug war, um an die Schule verwiesen zu werden. Ihr wahres Talent ist, dass sie unglaublich nervig und hartnäckig sein kann. Weißt du, wie sie mich ein Jahr lang genannt hat?"

Verónica lächelte mich an, um mir ihre spitzen Zähne zu zeigen. „Eckzahn. Das war ihr Spitzname für mich."

Ich richtete mich in meinem Bett auf und erwiderte ihren plötzlich viel lebhafteren Blick. „Möchtest du wissen, was ich getan habe, damit sie es nie wieder wagt mich so zu nennen?"

„Was hast du unternommen?", fragte ich neugierig, obwohl ich bereits eine Vermutung hatte.

„Ich habe Medeas eigene Eckzähne mithilfe eines Hexentranks permanent schwarz gefärbt." Erheitert lehnte Verónica sich zurück. „Sie kann sie nicht in ihren Normalzustand zurückhexen, egal wie sehr sie es versucht. So wird man Medea los. Indem man ihr eine Lektion erteilt."

Stonegrave, Schule der Engel und HexenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt