Mit einem kleinen, überraschten Aufschrei fiel ich nach hinten. Das Mädchen strahlte mich mit bewegungslosen Augen an, sodass ihr Lächeln mehr wirkte wie ein Fletschen. Die Eckzähne waren spitzgefeilt und wie vom Edding schwarz angefärbt. Rotblondes Haar umrahmte ihr bleiches, sommersprossiges Gesicht.
„Wen haben wir denn da?"
Der Junge drückte mit der Handfläche ihren Kopf ein Stück beiseite, um auch einen Blick durch die Hecke zu erhaschen. Ich kannte das von Aknenarben gezeichnete Gesicht mit den fettigen, in die Stirn fallenden Haaren. Das war derselbe Kerl, der im Autokino auf der Dämmerwiese Popcorn verkauft hatte. Er hatte eine etwas gelangweilte und von der Welt angewiderte Ausstrahlung.
„Die habe ich schon mal gesehen. Das ist Ms. Ich bin neu in der Stadt und liebe dich, Ry!." Er äffte einen hohen Stimmklang nach, was sich bei seinem Stimmbruch fiepsend anhörte.
Ich klopfte mir die Hose ab und richtete mich möglichst würdevoll wieder auf.
„Keine Ahnung, worüber du sprichst. Mein Name ist Callie Newsland. Außerdem habe ich mit diesem blonden Schönling lediglich einige Worte gewechselt und mich ganz sicher nicht in ihn verguckt."
Das rothaarige Mädchen führte ihr Gesicht noch dichter heran, bis ihre Nase beinahe durch den Zaun ragte.
„Jedes Mädchen verliebt sich in einen Engel. Oh ja, das passiert selbst den besten."
„Engel?"
Worüber sprach dieses Mädchen nun zum zweiten Mal? Dieser Ry sollte ein Engel sein? Mir kam sie mit ihrem irren Blick ziemlich verrückt vor.
Ihre Finger schlossen sich enger um die Holzlatten.
„Unter dessen Antlitz haben alle geschaudert. Von seinen Blicken wurde jeder verzaubert."
Kurz wirkte sie, als müsste sie nachdenken. Dann lächelte sie wieder mit ihren verfärbten Zähnen. „Ich bin Medea. Und das ist mein Kumpel Varulv."
Ich schüttelte den Kopf. Diese Medea klang, als hätte sie Mus im Kopf. Ich wandte mich an den Jungen, Valruv, und versuchte all das Gerede von Engeln auf meinen Gedanken zu verbannen.
„Ich lebe gleich hier. Von meinem Zimmer aus kann ich euch Sport machen sehen. Mich würde interessieren, was das für eine Sportart ist, die ihr hier so häufig spielt?"
Er hob halbwegs amüsiert die Brauen.
„Wir nennen es Alia Omnia. Es ist ein Spiel, das unsere Schule für den untersten Jahrgang entwickelt hat, damit man sich näherkommt und nach dem Unterricht austoben kann. Darin werden verschiedene Ballsportarten miteinander kombiniert. Wie in fast jeder Sportart geht es darum, die meisten Punkte zu erzielen."
„Unsere Mannschaft verliert jedes Mal.", fügte Medea ehrlich hinzu.
Ich verzog den Mund. Die Armen taten mir schon leid, weil sie die Verlierermannschaft waren. Ich sah ihnen an, dass sie zu der Sorte Menschen gehörten, die in einem zu konformen Umfeld gegen den Strom schwammen und deshalb ausgegrenzt und in ungleich aufgeteilte Mannschaften gepackt wurden, die keine Gewinnchancen hatten.
„Ich war mal in einer Profi- Fußballmannschaft und habe momentan viel Zeit. Wenn ihr möchtet, dann komme ich rüber und schaue mir euer Spiel an. Ich könnte einige nützliche Tipps geben.", schlug ich vor.
Das Mädchen öffnete sprachlos den Mund und brach in hysterisches Gelächter aus. „Ha, ha, ha!"
Varulv glitt ein winziges beinahe- Grinsen über das Gesicht.
„Na gut.", entgegnete er in einem Tonfall, der irgendwie foppend klang. „Dann komm doch mal rüber."
Zögerlich stand ich auf.
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Stonegrave, Schule der Engel und Hexen
FantasyAls Callie Newsland mit ihrer Mutter zurück in die schottische Kleinstadt Stonegrave zieht, stellt sich ihr Leben komplett auf den Kopf. Sie möchte nur schnellstmöglich Freunde finden und sich trotz des schmerzhaften Verlustes ihrer ehemaligen Heima...