49. Baumgeist und Philosoph

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Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, der andere Feldherr-Engel, der wegrannte und der Ball, der mir vor die Füße rollte. Ich untersuchte den Ball, doch da hörte ich das Knacken. Es waren keine berstenden Zweige unter Füßen, sondern es klang wie das Ächzen eines Baumes, der sich gegen den starken Wind stemmte. 

Zuerst sah ich ihre Finger, die sich um den Baumstamm neben mich schlangen. Lange Finger, spröde und in derselben Farbe wie die Baumrinde, endend in runden Nägeln, die mich an die einzelnen Schuppen eines Fichtenzapfens erinnerten. Die Hand verschmolz so anmutig mit ihrer Umgebung, dass ich sie nicht bemerkt hätte, hätte sie sich nicht bewegt. Neben der Hand erschien ein Gesicht, als sich eine Gestalt gebückt zwischen den Bäumen hervorschob. Ihre Haare, lang und Grün, wuchsen aus ihrem Kopf heraus wie aus einem stacheligen Nadelbaum. Die hervortretenden, knorpeligen Augen der Frau – falls man diese Wesen als menschliche Frau bezeichnen konnte – musterten mich wie eine Herrscherin ihre Untertanin betrachten würde. 

Das Wesen schälte sich vollständig zwischen dem Gehölz hervor und trat zu mir, überragte mich um zwei Köpfe, sodass ich meinen Kopf nach oben richten musste, um es anzusehen. Ihr Körper, bedeckt mit Verwitterungsspuren und Moos, sah aus, als würde er aus zackig geformter Rinde bestehen. Die Ellenbogen waren scharfe, spitze Äste und ihre Zehen gruben sich bei jedem Schritt in den Boden und wurden verschluckt von dem Wurzelwerk des Waldes. Sie war wie eine dieser Erscheinungen, die man dachte in Baumstämme hineinzuinterpretieren, wenn man sich vorstellte, dass eine Asthöhle ein Mund war, diese Auswölbung eine Nase sein konnte und die zwei Punkte auf derselben Linie die Augen. Jedoch jetzt, da sie mir so nahe getreten war, erkannte ich, dass es sich nicht um einen Spuk handelte. Irgendetwas an ihrer erschreckenden Erscheinung, die mein Herz schneller rasen ließ, machte sie in ihrer Naturgewalt wunderschön.

Das ist nicht gut, kommentierte Astaroth in meinem Kopf. Ich meinte, leichte Beunruhigung in seinem Tonfall zu hören.

„Was... wer bist du?", fragte ich die Gestalt. Vergessen war der Ball in meinen Händen und das Artefakt, das daraus lockte. Es zählten nur ihre dunklen Augen, die über mir schwebten wie finstere, unbewohnte Vogelnester.

Sie legte ihren Kopf schief und als sie sprach, erschien es mir, als würden Blätter im Unterton ihrer wispernden Stimme gegeneinander reiben.

Hast du meinen Baum verletzt?"

Ich zuckte zusammen, widerstand den Drang, mich vor ihr auf die Knie zu werfen, der mich plötzlich überkam, mich vor diesem majestätischen Wesen zu verbeugen. Ich biss mir auf die Innenwange, um wieder zur Besinnung zu kommen. „Warum sollte ich deinen...Baum verletzen?"

Lass dich nicht von ihr einschüchtern, warnte Astaroth in meinem Kopf. Es ist eine Dryade, ein Baumgeist. Sie sind sehr beschützend gegenüber den Bäumen, in denen sie leben. Pass auf, sie nicht aufzuregen. Überzeuge sie von dir.

Ich fing mich wieder. „Ich würde niemals Ihren Baum verletzen, oh mächtige Dryade."

Damit hast du etwas zu dick aufgetragen.

Die Frau kniff die Augen zusammen. An der rechten Seite ihres Kopfes wuchsen keine ihrer grünen Nadelhaare und was ich zuerst für die modische Entscheidung zu einem Sidecut hielt, stellte sich bei näherer Betrachtung als versengtes Haar heraus. Eine unangenehme Vorahnung überfiel mich.

Ich kenne dich", wisperte die Dryade. „Du warst da, als meinem Baum seine Krone genommen wurde."

Ich erinnerte mich, wie ich mich auf dem Nadelbaum versteckt hatte mit Billy, wie er verschwand, nachdem Ming Xia einen brennenden Lichtstrahl mit ihrem Säbel nach oben hieb, um die Baumspitze sauber zu durchtrennen.

Stonegrave, Schule der Engel und HexenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt