52. Das Allerwichtigste

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Das Papier vor mir war mit schwarzen Kugelschreiber-Adern durchzogen, die die Vision wiedergaben, die mich letztens im Unterricht ereilt hatte. Die Erinnerung des Zaubers, hatten Astaroth und ich das Phänomen gemeinsam getauft. Weite Ödnis, der große Baum und Wodan – ein anderer Name für Odin, der Gott der nordischen Mythologie -, der kräftige Mann mit dem wissenden Blick, dessen Fingergriff die Realität zum Bersten brachte. Der Drachen mit silbrigen Schuppen und verkrümmten Flügeln, jedes seiner Augen in einer anderen Farbe gezeichnet und listig. Rot, weiß, gelb, blau, purpur...

Kurze Zauber ohne Geschichte kannst du problemlos ausführen, fasste Astaroth zusammen. Von längeren Sprüchen und Gedichten würde ich mich an deiner Stelle erstmal fernhalten.

Gedankenverloren drückte ich auf die Spitze meines Kugelschreibers und ließ die Mine einrasten, lösen, einrasten, lösen.

„Sie entfalten keine Wirkung, wenn ich sie spreche. Aber bestimmte Sprüche scheinen mich in ihre Geschichte zu ziehen."

War die Länge des Spruches das entscheidende Kriterium gewesen um mich in den Spruch zu ziehen, die Geschichte wie Astaroth glaubte? Oder lag es daran, dass der Zauberspruch stärker war, oder regional und geschichtlich näher an Schottland als mein Türöffnungszauber, und die anderen Sprüche, die ich bisher verwendet hatte?

Ich beschleunigte meinen Rhythmus, mit dem ich den Kugelschreiber klickte. „Hast du wirklich nie von einer Hexe gehört, die so etwas kann?"

Niemals, bestätigte der Dämon erneut. Du bist die Erste. Glaub mir, im Dämonenreich würde man darüber tratschen. Kannst du das bitte lassen?

Ich klickte die Mine fester. „Was denn sein lassen?", fragte ich unschuldig.

Beim nächsten Klicken bohrte sich der Daumen meiner Dämonenkralle so heftig nach unten, dass der Kugelschreiber zwischen meinen Fingern barst.

„Hey!", fuhr ich ihn an.

Was denn?, echote der Dämon unschuldig und benutzte den Arm dazu, die Überreste des Kugelschreibers in meinen Papiermüll zu entleeren.

Ich schrak zusammen, als ein leichter Schauder in meinem Rücken hinter mir eine Präsenz ankündigte. Ms.Crow materialisierte sich aus dem Boden. Seit ich Bescheid wusste, dass es sich bei der alten Hausdame in Wahrheit um einen schottischen Hausgeist handelte, der durch ein altes Schaukelpferd im Keller an das Gebäude gebunden war, machte sie sich nicht mehr die Mühe, die Tür zu benutzen.

„Es gibt Abendessen", sprach sie und wischte eine blutrote Paste von ihren Händen an einem Küchentuch ab. Womöglich Preiselbeersoße.

Sie stellte sich hinter mich und blickte mit ernster Miene über meine Schulter. „Deine Zeichenkünste lassen einiges zu wünschen übrig und haben sich seit den grässlichen Gemälden aus deiner Grundschulzeit wohl nicht weiterentwickelt, Callie Newsland."

Ich verdeckte das halbe Blatt mit meinen Armen.

„Ich mache nur Hausaufgaben, Ms.Crow", grummelte ich.

Ms.Crow hob ihre grau-braunen Augenbrauen und ihre Haut, die mit ihrem strengen Dutt straff nach hinten geglättet war, entspannte sich ein wenig.

„Du? Hausaufgaben für die Stonegrave High? Wenn deine Mutter das wüsste, wäre sie entgeistert."

Ich musste über ihre Wortwahl schmunzeln. „Manche Teenager rebellieren auf wundersame Weise."

„Ich habe schon einiges im Newsland-Haushalt erlebt", stimmte sie zu und deutete auf eine Ecke meines Papiers. „Ist das eine nordische Rune?"

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 07 ⏰

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