28. Feuervogel

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Merlin ging langsam auf seinen Platz zu, als hätte er alle Zeit der Welt. Mit einem Blick um mich stellte ich fest, dass dieser Platz der Stuhl neben mir sein würde, weil nirgendwo sonst etwas frei war. Na super. Mein Herz sank ein bisschen. „Wenigstens bin ich überhaupt einmal da, wollten Sie sicher sagen?", stichelte der düstere Junge. Neben seinem Stuhl blieb er stehen, als wäre er sich nicht ganz sicher, ob er sich setzen sollte. Mir fiel auf, dass es in der Klasse viel ruhiger geworden war, fast schon zu ruhig. Die ganze Aufmerksamkeit, die ich zuvor erhalten hatte, richtete sich nun auf Merlin, ganz so als erwarteten sie etwas von ihm. Merlins dunkle Augen fielen auf mich. Eine seiner beiden Augenbrauen schnellte arrogant nach oben. „Du bist auf unsere Schule gewechselt?"

Ich zwang mich zu einem beiläufigen Schulterzucken. „Vielleicht bin ich doch ein bisschen so wie ihr." Ein Grinsen zog sich über seinen Mund, ein unsichtbarer Witz, den nur er in meiner stoischen Antwort fand.

„Dein Erscheinen in meinem Unterricht ist allerdings recht spartanisch", bestätigte Mr.Heksdood. Er machte eine wegwerfende Handbewegung, die von dem schwarzen Papagei auf seiner Schulter nicht übersetzt wurde. „Vielleicht kannst du deswegen Ms. Newsland die Wichtigkeit des Besuchens der Kurse am besten erläutern. Als feines Paradebeispiel an Disziplin."

Entschuldigend deutete Merlin eine Verbeugung in die Richtung des Lehrers an. „Es tut mir leid, dass ich nicht die Disziplin besitze, alles zu tun was die Engel uns auftragen und ihnen regelmäßig unter ihr Federkleid zu kriechen", spöttelte er weiter. „Ich werde keinem hexischen Lehrplan folgen, der von den Flattergeistern da oben zensiert wird." Er verschränkte die Arme.

Mr.Heksdood blieb beunruhigend ruhig trotz des Eklats Merlins, den ich bis jetzt immer nur angepisst erlebt hatte. „Wie wäre es mit einer Demonstration?", stellte er die Frage in den Raum. „Merlin Maleficus könnte eine Auffrischung gebrauchen von all den Zaubersprüchen, die er verpasst hat und Callie Newsland hätte sicherlich gerne einen Eindruck von praktizierter Magie."

Ein Junge mit dunkler Haut und honigblond gebleichtem Haar und Augenbrauen, jede Strähne wie einzeln zu perfektionistischen Engelslocken gedreht, meldete sich. „Luzifer", nahm Mr.Heksdood ihn an die Reihe. Er erhob sich mit einem Lächeln, krempelte seine Ärmel hoch und nahm eine breitbeinige Position ein. Ihm schien es nicht auszumachen im Fokus zu stehen. Neben mir ließ Merlin sich dramatisch auf seinen Sitz fallen, als hätte ihm jemand die Luft herausgesaugt. Die Knie weit zu den Seiten seiner Tischbeine ausgestreckt lehnte er sich über den Tisch und begann mit dem abgebrochenen Holzende eines Bleistiftes ohne Graphitmine auf seiner Oberfläche herumzuschaben. Dazu wippte er mit seinen Stiefeln unkonzentriert. Ich versuchte, die hyperaktive Bewegung zu ignorieren und drehte mich nach dem anderen Jungen um. Luzifer nahm ein Stoffsäckchen aus der Brusttasche seines schwarzen, flattrigen Hemdes und schüttelte es dramatisch über seiner anderen abgeflachten Hand aus. „Diese Vorstellung wäre besser im Sinologieunterricht gewesen." Er zwinkerte mir schelmisch zu, etwas das nicht ganz zu seinem eleganten, aber unschuldigem Aussehen passte. „Aber ich kann unserer neuen Schülerin nicht eines meiner besten Werke vorenthalten, wenn Sie so fragen." Mr.Heksdood machte eine Geste, dass er fortfahren sollte. Der Junge streckte seine Hand aus, damit jeder in der Klasse den Gegenstand darauf betrachten konnte. Er war so klein, dass ich meine Augen zusammenkneifen musste, um ihn zu erkennen. 

„Letzte Woche hat Mr.Heksdood uns von Hui Lu erzählt, einem der größten Feuermagier ca. 2436–2366 vor Christus aus der chinesischen Mythologie. Es wird gesagt, dass er neben seinem eigenen Hausvogel Pi Fang über hundert andere Feuervögel in einer Kürbisschale bewahrte. Wenn er sie freiließ, könnte er damit Flammen auslösen, die ganze Länder in Brand steckten." Luzifer führte seine Hand nahe an sein Gesicht heran und betrachtete den winzigen, cremefarbenen ovalen Gegenstand darauf, den angesengte Flecken überzogen. „Danach habe ich mich gefragt, was wenn man keinen ganzen Kürbis nimmt, sondern nur einen einzigen kleinen Kern?" 

Stonegrave, Schule der Engel und HexenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt