Kapitel 11

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Julia

Am Nachmittag half Josefine ihr in den Hauptraum. Julia war furchtbar schwindelig, doch sie wollte nicht mehr im Bett liegen. Josefine hatte erst protestiert, doch gab schließlich nach. Ob sich Julia im Bett oder im Hauptraum ausruhte, war im Grunde egal. Dort unterhielten sich Finns Mutter, Flora und Hanno. Leopold kochte draußen Tee für alle. Marko und Finn waren zum Fluss gegangen, um noch mehr Beeren zu pflücken.

„Störe ich", fragte Julia leise, da die drei Erwachsenen ernste Gesichter machten. Elodie sah sie traurig an.

„Ihr seid die Prinzessin?", fragte sie. „Es tut mir leid, dass ich Euch angegriffen habe..."

Flora und Hanno warfen sich besorgte Blicke zu. Julia setzte sich mit Josefine zu ihnen und lehnte sich an ihrer Drachenfreundin an. „Ich verstehe, warum Sie es getan haben. Meine Name ist Julia. Hier bin ich keine Prinzessin."

„Mein Name ist Elodie", stellte sich die Werwölfin vor. „Ich bin Finns Mutter."

„Sie sind allein hergekommen?", fragte Julia nun. „Ohne Ihren Mann? Die Flucht muss hart gewesen sein."

„Allerdings..." Elodie seufzte. „Und ich weiß nicht, wie ich Finn davon erzählen soll."

„Du musst nicht darüber sprechen!", sagte Flora schnell. „Nicht, wenn es so ein schwieriges Thema ist."

„Nein. Schon gut. Ich war eh gerade dabei euch davon zu erzählen... Das Mädchen kann es ruhig hören..." Eine Träne kullerte ihre Wange herunter. Hanno reichte Elodie ein Stofftaschentuch, welches sie dankbar entgegennahm. „Die Krankheit, die das Land seit drei Jahren plagt, ist bei uns im Rudel ausgebrochen. Es dauerte lange, bis Hilfe kam. Viele sind gestorben. Wir hatten keine Medikamente. Wir haben den Bäcker, der unser Rudel einmal die Woche mit seiner Ware versorgt, um Hilfe angefleht. Aber auch er konnte nicht viel für uns tun. Als Heiler schließlich in das Dorf kamen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, war es für viele zu spät."

„Eine Ausbreitung?" Hanno runzelte die Stirn.

„Wir leben nah an der Grenze. Es gibt in der Nähe einige Menschendörfer. Die wollten sie nicht gefährden. Sonst hätten sie uns vielleicht nie geholfen. Immerhin haben so einige überlebt. Aber leider... Finns Vater, Frederik, hat es nicht geschafft. Und auch das Alpha – Ehepaar, Markos Eltern, haben die Krankheit nicht überstanden. Sein ältester Bruder Noah ist nun Alpha." Tränen kullerten nun ohne Unterlass Elodies Wangen herunter. „Das kann ich Finn und Marko doch unmöglich sagen... Ich wüsste nicht, wie. Mich hielt nichts mehr im Rudel, daher bin ich weg. Ich bin durch den Feenwald geflohen und hätte beinahe nicht hinausgefunden... Bis ich nachts einen Drachen hörte... Ich bin dem Rufen gefolgt und habe so in die Steppe gefunden. Ich wollte zu einem der Werwolfdörfer, von denen ich gehört hatte... Und auf dem Weg dahin habe ich Finn gerochen... Ich dachte erst, ich würde es mir einbilden. Immerhin hatte ich gerade meinen Mann verloren und Finn war unerreichbar für mich. Doch dann waren er und Marko hier..."

„Oh nein!" Flora stand auf, um Finns Mutter zu umarmen. „Wie schrecklich..."

„Wer möchte Tee?" Leopold kam mit einem Tablett in den Händen herein. Verwirrt betrachtete er seine Mutter, die versuchte Elodie zu trösten. „Oh."

„Wir! Wir wollen Tee! Aber lass uns unseren Tee besser im Mädelszimmer trinken!", sagte Josefine schnell. „Wir lassen die Alten besser... In Ruhe reden!"

„Hey!", protestierte Hanno sofort. Doch Leopold tat wie geheißen und goss seinen Eltern und ihrem Gast Tee ein. Den Rest nahmen die drei mit.

„Gut. Was ist los?", fragte er schließlich. Julia legte seufzend den Kopf auf seine Schultern.

„Eine kleinere Katastrophe, schätze ich...", murmelte Josefine. „Oder eine größere?" Dann verwandelte sie sich in einen Kater und rollte sich schnurrend auf Julias Schoß zusammen. Sofort fanden Julias Finger den Weg in Josefs weiches Fell.

„Finns Vater und Markos Eltern sind gestorben", sagte sie leise. Doch nicht leise genug. Zu spät bemerkte sie, dass Finn und Marko vor ihrem Zimmer standen und gerade hereinkommen wollten. Beide waren blass. „Darum weint Mama", murmelte Finn und schüttelte den Kopf. „Sie sagte, es sei alles... in Ordnung..."

Peter

„Du schummelst!", rief er dem großen Drachen zu mit dem er gerade in eine gewaltige Wasserschlacht involviert war. Fiete hatte seinen Schwanz genutzt, um Peter nass zu spritzen. Gut. Nassspritzen war eine Untertreibung. Fiete verursachte große Wellen.

Seine weißen Schuppen schimmerten im Sonnenlicht und von seinen gefiederten Flügeln tropften dicke Wassertropfen. Er zwinkerte auffordernd.

Peter gab sein Bestes, denn Drachen nass zu spritzen, doch der Größenunterschied machte es ihm nicht leicht. Fiete stupste ihn mit der Schnauze und Peter fiel in den Fluss. „Unfair!", protestierte er lachend. Fiete schnaubte belustigt.

Der Fluss war in den letzten zwei Jahren niedriger geworden und die Zentauren waren daher besorgt und warteten auf Regen. Geregnet hatte es zu selten. Dennoch war der Wasserstand noch nicht allarmierend. Es gab genug. Und eindeutig genug, um gegen weißen Drachen bei einer Wasserschlacht zu verlieren.

„Marko! Bleib!" Das war Finns Stimme. Die beiden sahen, wie Finn das Zelt verließ und dem Wolf hinterherrief. Marko rannte als Wolf davon. Leopold folgte Finn aus dem Zelt und flog dem schwarzen Wolf schließlich hinterher. Ein schwarzer Kater rannte zu Finn und rieb den Kopf an seinen Armen. Fiete verwandelte sich wieder in einen Menschen. „Das sieht nicht gut aus. Komm!", sagte er zu Peter.

Nun kam auch Julia angerannt. Sie schwankte dabei etwas. Ihr folgten Leopolds Eltern und Finns Mutter. Fiete und Peter eilten aus dem Fluss heraus.

(c: sasi)

Hexe - Die KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt