Kapitel 93

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Julia

Sie übernachteten im Wald. Dafür hatte Julia wieder ein Haus aus Ranken und Blättern geschaffen. Doch während ihre Freunde friedlich schlummerten, schreckte sie erneut aus einem Albtraum hoch. Dabei weckte sie versehentlich Leopold, Josef und Finn, die sie verwirrt ansahen. Josef streckte sich in seinem schwarzen Katzenkörper und rieb seinen Kopf an ihrem Arm, dann rollte er sich wieder ein und schlief weiter.

„Wieder ein Traum?", fragte Leopold und umarmte sie. Dabei gab er darauf acht, nicht den kleinen Kater zu zerdrücken, der zwischen ihnen lag und bereits wieder miesepeterig ein Auge öffnete und nörgelig maunzte.

Julia nickte. Sie lehnte sich in die Umarmung und nahm Josef auf den Schoß, der es sich bequem machte und die Augen wieder schloss. „Ich war wieder ein deinem Heimatdorf. Es war fürchterlich."

Leopold küsste ihre Stirn und strich ihr über das zerzauste Haar. „Ich liebe dich, Prinzessin. Ich lasse nicht zu, dass dir etwas geschieht", raunte er ihr zu. „Nicht hier, nicht im Schloss und nicht in den Wäldern meiner Heimat."

„Ich weiß. Ich liebe dich auch", antwortete Julia und klammerte sich an ihm fest. „Aber das Hilft nicht gegen die Träume."

„Und ich beschütze dich auch!", murmelte Finn müde. Bislang hatte er die beiden nur beobachtet. „Wenn es sein muss, in meiner Wolfsform."

„Was?" Leopold sah erschrocken zu dem jungen Wolf. „Ich dachte, du könntest deine Wolfsform nicht annehmen. Kannst du es doch?"

„Finn?", fragte Julia ebenso erschrocken. Finn zog trotzig einen Flunsch, reckte das Kinn und verschränkte die Arme.

„Finn?", wiederholte Julia. Sie küsste Leopolds Wange, befreite sich dann aus seiner Umarmung, gab ihm den schlafenden Josef und setzte sich zu Finn. „Kannst du dich in einen Wolf verwandeln?"

„Schon", sagte Finn leise. „Aber es dauert lange. Ich bin nicht wirklich dafür geschaffen, aber theoretisch kann ich mich in einen Wolf verwandeln. Praktisch hingegen, ist es mit vielen schmerzhaften Komplikationen verbunden. Doch wenn ich es muss, dann tue ich es."

Julia schüttelte den Kopf. „Nein, Finn. Das will ich nicht. Ich will nicht, dass du leidest."

Finn umarmte sie lächelnd. „Du bist mir wichtiger als mein eigenes Wohl. Du und Marko. Und er würde auch alles riskieren, wenn es um dich geht."

Sie schüttelte den Kopf. „Trotzdem. Ich will das nicht. Aber danke, Finn."

Er nickte müde.

„Wir sollten weiterschlafen", murmelte Leopold und hielt Julia den fauchenden Kater hin. Josef war wieder wach geworden und nicht begeistert darüber, nun Leo als Kopfkissen zu haben. Lachend nahm Julia ihn daher ihrem Freund ab.

„Mürrischer Kater!", raunte sie Josef in eines seiner Katzenohren. Der Kater miaute unschuldig und begann zu schnurren.

„Sehr mürrisch!" Finn rollte mit den Augen.

„Wirklich...", murrte Leopold kopfschüttelnd. Dann sah er zu Julia. „Komm wieder schlafen. Mit dem bockigen Drachen, wenn es sein muss."

Sie nickte müde. Josef hingegen maunzte unschuldig.

Leopold

Was Leopold am meisten ärgerte, war, dass er Julias Albträume nicht verscheuchen konnte.

Er fühlte sich machtlos. Selbst mit einem Schwert in der Hand, konnte er nichts gegen das, was sie nachts quälte, ausrichten. (Zudem sähe es einfach nur albern aus, wenn er über einer Schlafenden mit einem Schwert herumfuchtelte.) Er konnte jetzt kämpfen. Aber was nützte das gegen Albträume? Nicht einmal gegen seine eigenen, die ihn manchmal ereilten, half es. Denn auch Leopold träumte. Er träumte von der Entführung, die er niemals ungeschehen machen konnte. Er träumte von Feuer. Er träumte davon, Julia zu verlieren. Würden die Schuldgefühle jemals vergehen?

Hexe - Die KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt