Julia
Sie lief durch ein endloses Labyrinth voller fleischfressender Pflanzen. Irrlichter versuchten sie in dunkle Gänge zu locken. Jemand lachte laut, doch sie konnte die Person nicht sehen. Es war neblig. Julia lief barfuß über einen Boden aus piekendem Stroh. Ihre Füße hinterließen blutige Spuren.
Sie versuchte den Ausgang zu finden, doch sie lief nur von einer Sackgasse zur nächsten, bis sie erschöpft zusammenbrach. Sie saß erschöpft im Stroh und raufte sich die Haare. Julia wollte hier weg. Sie wollte woanders sein. Sie wollte doch zu den Harpyien. Und in den Feenwald!
Ich will hier nicht sein! Ich muss doch auch noch in den Feenwald! „Ich will hier weg!", rief sie in die Dunkelheit.
Dann gab plötzlich der Boden unter ihr nach. Schreiend stürzte sie hinab in dunkles Wasser. Julia bekam keine Luft. Sie wusste nicht, wo oben und wo unten ist. Panisch strampelte sie mit Armen und Beinen. Sie brauchte Luft! Sofort.
Jemand schwamm auf sie zu. In ihrer Angst streckte sie die Hände nach der Gestalt aus. Diese ergriff ihre flehenden Hände. Sie klammerte sich an die fremde Person, die sie nun mitnahm. Sie sah nichts als perlen, heller Haut und schimmerndes Blau. Gemeinsam erreichten sie die Oberfläche. Julia hustete und rang nach Luft. Ihr Retter brachte sie an ein Ufer. Hustend sah sie sich um.
Julia befand sich im Feenwald und neben ihr saß eine Nixe. Ein hübscher Junge mit blasser Haut und hellen Haaren mit blauen Strähnen. Er war zwischen fünfzehn und siebzehn Jahre alt und lächelte sie freundlich an. Perlen schmückten sein Haar und seinen Körper. Ein paar Vögel sangen in den hohen, ungewöhnlichen Bäumen.
„Danke", murmelte Julia erschöpft und verwirrt. „Warum bin ich im Feenwald?"
„Feenwald? So nennt ihr Menschen unser Grün? Wie gemein. Hier leben nicht nur Feen." Der Junge schmunzelte. „Wie du hergekommen bist weiß ich nicht. Aber du scheinst nicht ganz hier zu sein!" Er zeigte auf Julias Hände. Verwirrt stellte sie fest, dass diese durchsichtig waren.
„Was? Wie kann das sein?"
„Weiß ich nicht. Aber du hast Hilfe gebraucht, also... Ich hätte dich auch Essen können, oder zusehen, ob die ertrinkst oder nicht, aber Charlie wäre unglücklich, wenn ich einen Menschen essen würde."
„Ähm... Wie nett von dir? Wer ist Charlie?" Verwirrt starrte sie den Jungen an. Warum bin ich durchsichtig... Warum bin ich hier? Träume ich?
Die Nixe grinste breit. „Charlie ist mein Freund. Er lebt in einem kleinen Haus am Ufer. Mit seinem Bruder. Er ist auch ein Mensch. Du bist doch ein Mensch, oder? Menschen sind sonst nicht durchsichtig... Hat dich jemand verhext? Eine Nymphe oder Sylphe bist du jedenfalls nicht!"
„Ich bin ein Mensch, ja. Eine Hexe... Verhext? Meinst du, das hier ist Magie?" Hatte sie im Schlaf Magie genutzt? Oder war es doch nur ein Traum? Seltsam.
„Du bist eine Hexe? Charlie sagte Hexen bringen Unglück!" Nun schnaubte ihr Retter. „Bist du gefährlich?"
„Was? Nein! Unglück? Nein", antwortete Julia erschrocken. Die Nixe nickte erleichtert. „Wie heißt du? Ich bin Julia. Und eigentlich bin ich gerade in der Wüste... Träume ich?", fragte sie nun.
„Nanno. Und du träumst nicht. Du bist wach. Aber durchsichtig! Ist das Magie?"
Julia nickte. „Wenn ich nicht träume, dann ist das Magie, ja... Aber wie komme ich zurück... Und... Nanno?"
„Ja?"
„Gibt es hier jemanden, der sich mit Magie auskennt?", fragte sie. „Ich muss zurück. Ich bin auf dem Weg zu den Harpyien."

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Hexe - Die Königin
FantasyEtwa drei Jahre sind vergangen, seit Julia entführte wurde und mit den Elfen in die Steppe floh. Fritz hat sich dem Aufstand angeschlossen und versucht weitere Unterstützung zu finden. Er ist fest entschlossen, die Königin zu stürzen und bittet Paul...