Die Tage werden zu Wochen, Wochen zu Monate. Es verschwindet alles, jeder noch so kleine Augenblick im grauen Strudel der Zeit. Keine Ahnung wie viel davon inzwischen vergangen ist. Die Initiation ist abgeschlossen. Die meisten sind ohne größere Schwierigkeiten durchgekommen. Die meisten. Aber nicht alle. Wir haben zwei neue Leute im Kontrollraum bekommen. Laut den anderen - Jeb - ist das überraschend viel. Anscheinend ist dieser Arbeitsplatz nicht unbedingt der beliebteste. Verstehe ich nicht, aber jeder hat da eine andere Einstellung. Die Initianten scheinen sich recht gut in der Ferox-Rangordnung eingefunden zu haben. Zumindest erkennt man sie nicht mehr von weitem unter den anderen Ferox. Sie haben sich angepasst, genauso wie ich mich damals angepasst habe. Aber das ist schon so lange her. Ich habe kein Zeitgefühl mehr. Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart sind miteinander verschwommen. Es passiert nichts mehr. Jeder Tag, jede Woche hat den gleichen Ablauf. Aufstehen, Frühstück, arbeiten, Mittagessen, arbeiten, Training, Abendessen, Schlafen - oder es zumindest versuchen. Eigentlich müsste ich nicht so regelmäßig arbeiten, aber zurzeit gibt es keine besonderen Aufgaben für mich. Abgesehen von der wöchentlichen Berichterstattung an die Anführer. Zum Glück besteht der Bericht nur aus wenigen geschriebenen Sätzen, die ich einfach nur abgeben muss. Hin und wieder muss ich dann Erics unqualifizierte Kommentare ertragen. Aber meistens ignoriere ich ihn und er hört dann auf, weil der gewünschte Effekt ausbleibt. Dann habe ich meine Ruhe. Zumindest für wenige Tage. Bis sein Ego wieder groß genug ist um erneut nach Aufmerksamkeit zu schreien. Wann wird Eric endlich merken, dass er sowas nicht mit mir machen kann? Morgen? Nächste Woche? Irgendwann? Wahrscheinlich sollte ich die Hoffnung gleich komplett aufgeben. Schließlich ist es Eric. Die wahrscheinlich gemeinste und streitsüchtigste Person, mit der ich im Moment zu tun haben muss. Aber damit kann ich mich abfinden. Was anderes bleibt mir eh nicht übrig.
Shauna und Zeke geht es gut. Sie sind beide sowohl über David, als auch über Amar hinweg. Ich frage mich, ob es für sie genauso hart war wie für mich. Sie kannten Amar schon deutlich länger. War es vielleicht noch schlimmer? Aber es bringt nichts, sich jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen. Was geschehen ist, ist geschehen. Auch wenn es schwer zu glauben ist, die Zeit heilt wirklich die Wunden. Oder man gewöhnt sich einfach an den Schmerz. Ich denke, es geht nicht darum, nicht zu trauern, sondern darum, den Schmerz zu akzeptieren. Ihn so zuzulassen und sich damit abfinden.
Oder man macht es wie ich und ertränkt seinen Schmerz, seine Wut, seine Verzweiflung, eigentlich jedes mögliche Gefühl in Sport. Ich trainiere so viel wie schon lange nicht mehr, wahrscheinlich sogar mehr als während meiner Initiation. Kann man das als positives Zeichen deuten? Ich bin mir da nicht so sicher... Aber es ist mir auch eigentlich egal, solange es funktioniert. Und das tut es. Besser als gedacht. Verdrängen ist nun mal das effektivste Mittel zur Trauerbewältigung. Zumindest für kurze Zeit.
Die Ferox, mit denen ich regelmäßig Zweikämpfe austrage, sind hart im nehmen. Das müssen sie auch, denn im Eifer des Gefechts kann viel passieren. Ich habe erst vor kurzem einen von ihnen den Kiefer gebrochen. Aber es geht ihm schon wieder ganz gut. Nur reden kann er natürlich noch nicht. Ist wahrscheinlich auch besser so, aus seinem Mund kam eh nur ein Haufen Scheiße. Also habe ich allen in seiner Nähe nur einen Gefallen getan.
Evelyn hat mir gestern Nacht einen Brief zukommen lassen. Ich habe ihn noch nicht geöffnet. Das habe ich allerdings nach dem Frühstück vor. Sofern ich das überleben sollte.
"FOUR!"
Ich zucke zusammen. Zögernd hebe ich den Kopf. "Was ist denn?", frage ich leicht genervt.
"Hörst du mir überhaupt zu? Ich frage dich jetzt zum dritten Mal was du heute Abend vorhast! Also?", antwortet Zeke.
"Ich weiß nicht... Eigentlich wollte ich trainieren gehen."
Zeke rollt übertrieben mit den Augen. "Schon zum fünften Mal diese Woche, dass du abends trainierst. Und wir haben Freitag! Also los, komm mit uns zur Schlucht! Das wird lustig!"
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Tobias' Geschichte
FanfictionDiese Story beschreibt Tobias' Leben von dem Test bis zum Treffen mit Tris. Ich habe versucht mich in seine Gefühlswelt einzufinden und seine Beweggründe und Gedanken darzustellen. Aber lest selbst!