Wo bin ich? Das ist das erste, was mir durch den Kopf schießt. Ich bin so nah am Himmel. Noch nie habe ich gemerkt, wie schön er eigentlich ist. Doch worauf stehe ich? Ich schaue nach unten auf meine Füße. Es ist Metall. ich bin auf einer Aussichtsplattform. Weit unter mir erstreckt sich die Stadt. Wunderschön. Sie ist verglast und das Licht spiegelt sich auf ihren Oberflächen. Doch ich habe nicht viel Freude an diesem Anblick. Erst jetzt merke ich, wie hoch ich bin. Viel zu hoch. Von hier oben kann ich nicht einmal den Boden sehen. Ich bekomme kaum noch Luft, vergesse fast, wie man atmet. Meine Knie sind weich, viel zu weich. Das ist also meine erste Angstlandschaft. Ich habe Höhenangst. Als wäre ich mir das nicht schon bewusst, als wir aus dem Zug springen mussten. Aber das war nichts gegen das, was ich jetzt fühle.
Der Wind fängt an immer stärker zu wehen. ich fange an zu schwanken, kann aber gerade noch rechtzeitig mein Gleichgewicht halten. Was muss ich tun? Amar sagte, dass ich nur aus der Simulation kommen kann, wenn sich mein Herzschlag normalisiert oder wenn ich meine Angst bekämpfe. Einen normalen Puls kann ich im Moment komplett vergessen. Bleibt nur noch die Bekämpfung. Aber wie bekämpft man die Höhe? Mir will beim besten Willen nichts einfallen. Ich versuche einen Gegensatz zu der Höhe zu finden. Das hört sich schwerer an als es ist, denn ich bin immer noch darum bemüht bei dem Wind einen sicheren Stand zu haben. Außerdem zittern meine Knie sehr und ich bekomme kaum noch Luft.
"Atmen, Tobias, weiter atmen, sonst ist es schnell vorbei.", ermahne ich mich.
Höhe...Tiefe!
Also muss ich nur noch wissen, wie ich von hier runterkomme. Die Plattform steht alleine. Von hier aus kann ich nichts sehen, was mir helfen könnte von hier zu verschwinden.
In er Hoffnung eine Leiter oder ähnliches am Rand zu finden, lehne ich mich ein Stück über das Ende der Plattform. Definitiv ein Stück zu weit, denn der Wind wird immer stärker. Ich bin einen Moment abgelenkt von der Höhe, in der ich mich befinde. Einen Moment zu lang, denn der Wind lässt mich vom Dach rutschen. Meine Hände können sich gerade noch rechtzeitig am Rand festklammern, aber meine Beine hängen schon über dem Abgrund.
Ich muss mich festhalten, ich darf nicht sterben! Atmen. Luft einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen.
Anscheinend gibt es hier keine Möglichkeit irgendwie auf den Boden zu kommen. Mein Hände rutschen weiter ab. Nein! Es muss sie geben. Ich versuche mich wieder auf die Plattform zu ziehen, aber meine Hände rutschen weiter ab.
Es ist nicht real. Ich weiß es plötzlich mit großer Sicherheit. Selbst wenn ich jetzt sterbe werde ich nicht sterben. Es ist nur eine Simulation.
Ich atme noch ein letztes Mal aus. Dann lasse ich meine Hände los. Und falle. Tiefer, als ich dachte. Und komme nicht auf.
Die Simulation verändert sich.
Ich stehe auf einem schwarzen Boden. Um mich herum sind Wände. Sie kommen näher. Ich spüre sie gegen meinen Rücken drücken. Nun kommt mit einem lauten Knall die Decke näher. Ich bin gefangen. Wie damals. Auch von dieser Angst habe ich schon vorher gewusst. Der kleine Schrank, der im Obergeschoss stand. Deswegen. Ich wurde bestraft, wenn ich etwas nicht richtig gemacht hatte. Das war meine Bestrafung.
Die Wände kommen mir mittlerweile so nah, dass ich mich hinkauern muss. Die Höhe hatte ich damit bekämpft, dass ich es noch schlimmer gemacht hatte. Doch wie kann man diese Situation noch verschlimmern? Panisch versuche ich mich gegen die immer näherkommenden schwarzen Wände zu drücken. Doch es bringt nichts. Entweder bin ich zu schwach oder man kann sie nicht aufhalten. Ich muss mich beruhigen. Hier kann ich nichts machen. Verzweifelt denke ich an Lukas. Was macht er wohl gerade? Vielleicht ist es bei ihm genauso schlimm. Nein. Er wird niemals etwas erleben, dass nur ansatzweise so furchtbar ist, wie das hier. Mein Mutter. Sie war besonders. Ich habe sie von ganzem Herzen geliebt. Bis zu ihrem plötzlichen Tod. Ich versuche mein gesamtes Leben, jede einzelne Situation mit ihr vor meinen Augen abzuspielen. Es waren nicht besonders viele, aber sie lenken mich ab. Beruhigen mich. Vielleicht sogar genug um aus dieser Simulation zu verschwinden.

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Tobias' Geschichte
FanfictionDiese Story beschreibt Tobias' Leben von dem Test bis zum Treffen mit Tris. Ich habe versucht mich in seine Gefühlswelt einzufinden und seine Beweggründe und Gedanken darzustellen. Aber lest selbst!