Das Schweigen am Frühstückstisch ist nahezu unerträglich. Shauna ignoriert mich die ganze Zeit, schaut mich nicht einmal mehr an. Ich habe sie anscheinend wirklich verletzt. Vielleicht war das Ganze ja doch ein wenig übertrieben. Aber es ist besser so, dass weiß ich. So haben wir Abstand voneinander. Nicht mal während des Trainings habe ich Ruhe vor ihr, denn im zweiten Teil der Initiation werden alle Initianten zusammen trainieren. Na toll. Noch mehr Leute, mit denen ich mich rumschlagen muss.
Die Stimmung an unserem Tisch ist ziemlich gedrückt. Keiner spricht etwas, nicht einmal Zeke reißt irgendeinen Witz. Die Leute, die in der ersten Phase nicht gut genug waren, mussten gehen. Es ist, als würde es mich daran erinnern, was ich zu tun habe. Das hier ist kein Traum, kein Märchen. Es ist die Realität. Die knallharte Wirklichkeit. Obwohl sie wirklich einem Traum gleicht. Einem Albtraum. Es gibt Träume, in denen man betet, dass man endlich aufwacht. Dass man hofft, dass es irgendwann einmal vorbei sein wird. Aber so etwas gibt es hier nicht. Denn wenn das hier ein Traum ist, was ist dann die Realität? Leben wir alle in einem Traum, gefangen bis wir sterben, nur um dann aufzuwachen und zu merken, dass es nicht real war? Okay, ich mache mir wirklich zu viele Gedanken. Ich muss hier bleiben. In der Wirklichkeit. Im hier und jetzt.
Wortlos stehen wir alle gleichzeitig auf und verlassen den Speisesaal. Dann treffen wir uns mit Amar und den restlichen Initianten, der uns zu dem Raum führt, in dem wir schon vor Beginn der Initiation saßen. Der Warteraum, hinter dessen Tür all unsere Ängste liegen, ist noch leer. Immer noch still, setzen wir uns auf den Boden und warten ab. Wieder wird einer nach dem anderen in das dahinterliegende Zimmer gerufen. Mein Hals ist trocken und meine Hände schweißnass. Das Ticken der Uhr macht mich nervös. Fahrig streiche ich mir meine Hände an der Hose ab. Auch die Anderen sind ungewöhnlich still. Jeder ist mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.
"Four", sagt Amar. Schnell stehe ich auf. Ich weiß was auf mich zukommen wird. Ich folge Amar in den Raum. Wie auch schon beim ersten Mal steht ein Stuhl in der Mitte und daneben ein Computer.
"Setz dich", fordert er mich auf. Ich gehorche. Dann nimmt er eine Spritze und sticht mir damit in den Hals. Das alles war mir schon bekannt. Dann fängt mein Herzschlag an zu rasen und meine Hände werden wieder feucht.
"So, nur nochmal zur Wiederholung: Das Serum regt den Bereich in deinem Gehirn an, der für die Angst verantwortlich ist, die Amygdala. Darin befindet sich ein kleiner Transmitter, der die Halluzinationen, die du hast, auf den Bildschirm überträgt, damit ich sie von hier aus verfolgen kann. Diese Halluzinationen werden anschließend an die Ferox-Administratoren weitergeleitet. Du kommst erst wieder zu dir, wenn du es geschafft hast dich zu beruhigen. Dies passiert mit kontrollierter Atmung und einer normalen Herzfrequenz. Ab jetzt bleiben die noch fast zwanzig Sekunden, bevor die Simulation startet. Anders als bei deiner ersten Simulation triffst du hier nur eine deiner Ängste. Hast du alles verstanden?"
Ich nicke, denn in meinem Hals steckt ein Kloß.
"Gut."
Schweigend warte ich auf den Beginn der Simulation. Wenigstens muss ich heute nur einer meiner Ängste gegenübertreten. Aber welche es wohl sein wird?
Meine Augen fallen mir zu.
Ich sehe nichts. Absolut rein gar nichts. Es ist so dunkel, dass ich meine Hand nicht einmal mehr wahrnehmen kann. Ich weiß nicht, welche meiner Ängste es sein wird, denn keine der vorherigen Simulationen hat auf diese Weise angefangen. Ein Quietschen ertönt. Wie Fingernägel an einer Tafel. Ein hoher, langgezogener Ton. Er setzt sich fest, tut im Ohr weh. Ich stehe auf einem Steinfußboden. Man kann die Kälte sogar noch durch die Schuhe spüren. Etwas berührt mich am Rücken. Schnell drehe ich mich um, doch da ist niemand. Wieder nur dieser Ton. Was hat es bloß mit dem auf sich? Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Finsternis, sodass ich ein paar grobe Umrisse erkennen kann. Anscheinend bin ich in einem saalähnlichem Raum. Er besteht vollkommen aus Stein. Die Decke ist hoch über mir, ich kann sie kaum sehen. Wieder das Geräusch. Woher kommt es bloß? Langsam gehe ich auf eine der Wände zu, aus dessen Richtung dieser Ton zu kommen scheint. Wieder das Quietschen. Ganz eindeutig von dieser Wand! Ich komme ihr näher, stehe jetzt direkt vor ihr. Nur eine Handbreit Platz ist dazwischen. Wieder das merkwürdige Geräusch. Auf einmal berührt die Wand meine Nase. Wieso? Ich habe mich doch nicht bewegt, oder? Irgendetwas stimmt hier nicht! Vorsichtig trete ich einen Schritt zurück. Bin ich nicht ganz dicht, oder kommt mir der Raum einfach nur noch halb so groß vor wie am Anfang!
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Tobias' Geschichte
FanficDiese Story beschreibt Tobias' Leben von dem Test bis zum Treffen mit Tris. Ich habe versucht mich in seine Gefühlswelt einzufinden und seine Beweggründe und Gedanken darzustellen. Aber lest selbst!