12. Kapitel

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Die anderen Initianten dürfen diesen Artikel niemals finden. Doch was soll ich damit tun? Ich weiß es nicht, aber ich sollte mir schnell etwas überlegen. Entschlossen stehe ich auf und gehe in den Waschraum der Jungen. Wo kann man nur schnell und einfach etwas verschwinden lassen ohne das es jemandem auffällt? Mein Blick fällt auf die Kabinentür. Die Toilette! Niemand wird diesen Artikel jemals wieder lesen können.

Ich stoße dir Tür auf und betrete die Kabine. Dann reiße ich die Zeitung in winzige Stücke und spüle sie im Klo runter. Bleibt nur noch zu hoffen, dass niemand eine weitere Ausgabe hat und mich als Tobias erkennt. Doch selbst wenn, kann ich das nicht verhindern.

Ich spüre mit einem Mal wie schwer meine Arme und Beine sind. Eine Dusche wäre jetzt wohl das beste, deswegen trete ich aus der Kabine und laufe zu den Duschen, die sich gegenüber von den Toiletten befinden. Müde ziehe ich mich aus und lasse das heiße Wasser über mich laufen. Es entspannt mich und ich muss laut gähnen. Selten war ich so müde. Doch es ist kein schlechtes Gefühl, im Gegenteil ich merke, dass ich etwas getan habe.

Nachdem ich geduscht bin, hole ich mir neue Kleidung, die in einer Schublade unter meinem Bett liegt. Dann ziehe ich mich an und verlasse den Schlafraum. Ich kann jetzt machen was ich möchte. Ich bin froh, doch gleichzeitig schwirrt mir diese eine Frage im Kopf herum: Warum? Ich kenne Lukas. Er würde so etwas niemals machen. Oder ich bin wirklich ein so schlechter Menschenkenner.

Ich gehe den Gang entlang in Richtung Trainingsraum. Als ich ihn betrete, liegt er verlassen da. Wo sind denn alle?

"Hallo Four. Kann ich dir helfen?"

Heilige Scheiße! Wie macht er das bloß? Jedes Mal aufs neue schafft er es mich zu erschrecken. Ich drehe mich um und blicke direkt in Amars grinsendes Gesicht.

"Hör auf damit!", sage ich wütend.

Er scheint das Ganze ziemlich komisch zu finden, denn er lacht laut auf. Dann wird er wieder ernst.

"Hast du es gelesen?", fragt er mich.

"Ja." Mehr kann ich in diesem Moment nicht sagen.

"Und stimmt es?" Wieso will er das wissen? Noch einer mehr, der sich über mich lustig machen kann. Ich schweige. Und er scheint zu verstehen.

"Wenn es stimmt, dann bist du in dieser Fraktion genau richtig", sagt er nur. "Du solltest ein wenig schlafen gehen, die anderen sind mittlerweile auch schon da." Dann dreht er sich um und will gehen.

"Amar!", halte ich ihn auf.

"Ja?" Irritiert dreht er sich um.

"Erzählst du es jemandem?"

"Nein." Dann geht er aus der Tür raus und verschwindet.

Ich seufze nur auf. Amar hat recht. Ich sollte schlafen gehen, doch ich kann noch nicht. Will noch nicht. Ich zweifle nicht an seinen Worten. Irgendetwas sagt mir, dass ich ihm vertrauen kann. Er wird es niemandem verraten. Hoffe ich zumindest. Langsam setze ich mich in Bewegung. Meine Beine schmerzen und ich spüre jeden Muskel in meinem Körper. Wenn es heute schon so schlimm ist, wie soll es denn dann erst morgen werden?

Als ich den Schlafsaal betrete, liegen die Meisten schon in ihren Betten. Ich durchquere schnell den Raum und lege mich ebenfalls hin. Dann wird das Licht ausgemacht.

Wieder ist das leise, gleichmäßige Atmen von viele Personen zu hören. Eigentlich sollte es beruhigend auf mich wirken, doch ich werde nervös. Unruhig drehe ich mich von links nach rechts und wieder nach links. Mein Lattenrost quietscht. Mein Vater steht vor mir. Schon wieder. Und er redet auf mich ein.

"Du bist kein Ferox. Du bist feige. Du bist ein Niemand. Gib auf. Du gehörst zu mir und nicht zu ihnen."

Halt die Klappe!

Er lacht mich mal wieder aus.

Was für ein toller Vater! Ich stöhne auf. Er ist weg. Endlich. Auch die Atemzüge der Anderen verschwinden im Hintergrund und ich kann endlich einschlafen.

Trainingszeit. Amar geht vor uns auf und ab. Erzählt uns irgendwas. Ich höre ihm nicht zu. Vielleicht sollte ich es tun.

"Jeder von euch bekommt heute einen Trainingspartner. Er steht neben eurem Namen an der Tafel." Ich schaue hinüber und versuche ihn zu lesen. Scheint so als würde ich heute gegen Tony kämpfen. Er ist recht groß und grob gebaut.

"Der Kampf endet, wenn einer nicht mehr weiter kämpfen kann oder sich einer von euch ergibt. Und für alle, die behaupten, dass sich ergeben nicht tapfer wäre: Man ist auch tapfer, wenn man erkennt, dass der Gegner besser ist als man selbst. Und nun fangt an."

Zuerst sind Diana, ein kleines, schmächtige Mädchen mit braunen kurzen Haaren an der Reihe gegen Mary, ebenfalls ein kleines, wenn auch nicht ganz so schmächtiges Mädchen, zu kämpfen.

Sie treten in den Kreis auf den Boden, halten die Hände vor Gesicht und umkreisen sich. Keiner traut sich den ersten Schritt zu machen und so schaut Amar nach kurzer Zeit schon auf seine Uhr.

"Wenn ihr beiden nicht bald anfangt, werden wir bis heute Abend hier stehen."

Diana macht daraufhin einen Schritt auf Mary zu. Sie beide verteilen ein paar Schläge und trennen sich dann wieder. Mary ist zwar deutlich stärker, aber Diana ist schneller und cleverer, weswegen sie den meisten Schlägen ausweichen kann.

Letztendlich gibt Mary nach wenigen Minuten auf.

Danach sind Eric und Dean dran. Ich weiß nicht, wer es angeordnet hat, dass Eric gegen Dean antritt, denn er hat nicht mal den Hauch einer Chancen. Schon nach wenigen Minuten landet Dean bewusstlos auf dem Boden. Amar ruft einen Helfer und der trägt ihn dann weg.

Ich bin der Nächste. Als ich in den Kreis trete, versuche ich mir nochmal alles gedanklich zu wiederholen was uns Amar beigebracht hat. Ich bin nervös. Ich habe noch nie gegen jemanden gekämpft.

"Dann gib doch auf und komm nach Hause! Du wirst der Nächste sein, der zur Krankenstation getragen werden muss."

Nein. Nicht hier und nicht jetzt.

"Komme ich ungelegen?"

Sei still. Du bist nicht echt. Ich halluziniere.

"Also ich finde, dass ich wirklich real bin. Aber ich kann es dir nur sagen: Du bist eben kein Ferox."

Er verschwindet wieder.

Auch Tony ist mittlerweile in den Kreis getreten. Er hebt die Fäuste und ich mache es ihm nach. Er ist langsam, aber er ist stark. Ich tänzle herum. Meine Hände zittern. Dann schlägt Tony zu. Seine Hand scheint in Zeitlupe auf mich zuzukommen und ich schaffe es gerade noch rechtzeitig ihm auszuweichen. Dann umkreisen wir uns wieder. Diesmal mache ich den Anfang und täusche einen Schlag auf seine Nase an, breche dann aber ab und schlage ihn in seinen nun ungeschützten Bauch. Er keucht, als die gesamte Luft aus seinen Lunge entflieht. Er geht zu Boden. Warum gibt er nicht auf?

Dann steht er wieder vor mir. In seinen Augen spiegeln sich Wut und Hass. Wut auf mich. Dann schlägt er erneut zu. Ich will ihm wieder ausweichen, doch ich bin nicht schnell genug. Seine Faust trifft mich genau auf die Nase. Ich höre sie knacken und mir schießen die Tränen in die Augen. Blut läuft über meinen Mund. Jetzt bin ich sauer. Mehr als sauer. Sicher schlage ich zu. Er geht wieder zu Boden, doch dieses Mal warte ich nicht, bis er wieder aufsteht, sondern schlage ihn mit einem kurzen Schlag KO.

Alles fängt sich plötzlich an zu drehen. Der Raum bewegt sich rasend schnell und ich taumle. Was ist hier los? Amar kommt auf mich zu und sagt etwas zu mir, doch ich hören ihn nicht. Er nimmt mich an der Schulter und stützt mich. Gemeinsam gehen wir an den Rand des Raums, zu einer kleiner Bank. Wo bin ich eigentlich? Das Rot auf meinem Shirt hat eine schöne Farbe. Sie erinnert mich an etwas. Doch was?

Der Mann setzt mich auf die Bank und redet mit mir. Ich scheine ihn zu kennen. Wer ist das? Er redet mit mir, schreit mich an. Warum? Dann fängt er an zu verschwimmen und mir wird schwarz vor Augen. Das letzte, an das ich mich erinnere, ist ein Kribbeln in der Nase.

Tobias' GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt